Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich |
Cholestase bedeutet stillstehende Galle. Folgen sind ein Rückstau gallepflichtiger Substanzen in den Körper mit Gelbsucht und ein Gallemangel im Darm mit Verdauungsstörungen. Die Ursachen sind vielfältig: eine akute oder chronische Entzündung oder Vergiftung der Leber bzw. der Gallenwege, Gallensteine oder ein Tumor. Schematisch können die Ursachen folgendermaßen unterteilt werden:
Die Symptome eines Gallestaus können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und von Gelbverfärbung des Augenweiß (Sklerenikterus) bis hin zu tiefer Gelbsucht auch der Haut (Ikterus), starkem Juckreiz und Verdauungsstörungen mit Gewichtsabnahme reichen. Die Diagnostik beginnt meistens mit der Feststellung einer Gelbsucht (Ikterus). Laborwerte zeigen eine Erhöhung der Leberwerte; von besonderer Bedeutung sind dabei die Cholestasewerte. Bildgebende Verfahren (zuvorderst die Sonographie der Leber, i. d. R. gefolgt von einer CT-Untersuchung) zeigen, ob es sich um einen Gallestau durch ein Abflusshindernis handelt. Im Fall eines Abflusshindernisses kann eine MRT-Untersuchung bzw. eine MRCP zur genaueren Feststellung und Festlegung der Behandlungsmaßnahmen erforderlich sein. Wenn Fieber und Entzündungsparameter auf eine Gallenwegsinfektion hinweisen, kann die Gewinnung einer Galleprobe zur Bestimmung der Bakterien und Erstellung eines Antibiogramms erforderlich werden, sofern man nicht „auf Verdacht“ antibiotisch behandeln will (kalkulierte Antibiose). Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Bei einem Verschluss der Gallenwege können interventionell-endoskopische Methoden (z. B. im Rahmen einer ERCP) oder chirurgische Maßnahmen infrage kommen. Ein Verschluss des Gallengangs durch Gallensteine kann oft durch eine endoskopische Intervention (ERC mit Papillotomie und Steinextraktion) behoben werden. Liegt ein Tumor vor, so wird die Behandlung von seinem Typ und seiner Ausprägung bestimmt. Infrage kommt oft eine Stent-Überbrückung des Abflusshindernisses oder eine Ableitung der gestauten Galle nach außen. Infektiöse Ursachen erfordern meistens eine auf die identifizierten Bakterien gerichtete antibiotische Behandlung. |
Definition
Cholestase bedeutet „Stillstand der Galle, Behinderung des Galleflusses“. Sie kann entweder durch eine Störung der Gallebildung (Gallebildungsstörung) oder des Galleabflusses (Galleabflussstörung) bedingt sein.
Einteilung
Die Cholestase lässt sich einteilen
- nach Schweregrad:
- subklinisch: nur laborchemisch oder durch Sonographie nachweisbar,
- klinisch: durch hellen oder völlig entfärbten Stuhl, dunklen Urin und Gelbsucht erkennbar,
- nach Entstehung:
- obstruktiv: Abflussstörung der Galle,
- nichtobstruktiv: hepatozellulär, Störung der Gallebildung in den Leberzellen (Hepatozyten).
Differenzialdiagnosen
Wenn Galle nicht mehr fließt, müssen eine Reihe von Ursachen bedacht werden. Eine grobe erste Einteilung berücksichtigt, ob Gallenflüssigkeit nicht abfließen kann (obstruktive Ursachen) oder ob sie nicht mehr produziert wird (nichtobstruktive Ursachen).
Obstruktive Ursachen
Eine Cholestase durch Abflussbehinderung der Galle kann durch folgende Ursachen entstehen:
- Gallensteinleiden,
- Mirizzi-Syndrom,
- Cholangiokarzinom,
- Choledochuszyste,
- Cholangitis, Pericholangitis,
- Gallengangsatresie,
- Leberherde: intrahepatische Tumoren oder Metastasen,
- Pankreaskarzinom,
- akute Pankreatitis (Patienteninformation: Pankreatitis – einfach erklärt),
- Pankreaszyste,
- Parasiten,
- Lymphknotenvergrößerung,
- Duodenaldivertikel
Nichtobstruktive Ursachen
Eine Cholestase durch Störung der Gallebildung kann folgende Ursachen haben:
- Chronisch cholestatische Leberkrankheit wie die primäre sklerosierende Cholangitis oder die primäre biliäre Zirrhose (PBC),
- Medikamente,
- Toxine (z. B. im Rahmen einer Darminfektion),
- Leberentzündungen (Hepatitiden) inkl. Autoimmunkrankheiten der Leber,
- Leberzirrhose (Leberzirrhose – einfach erklärt),
- Stauungsleber bei Rechtsherzinsuffizienz,
- Protoporphyrinurie,
- totale parenterale Ernährung (bes. bei Neugeborenen),
- Sepsis,
- Speicherkrankheiten,
- Leberinfiltrationen bei Tumoren,
- familiäre Cholestasen (z. B. Intrahepatische_Schwangerschaftscholestase, Benigne_rekurrierende_Cholestase)
Klinik und Symptome
Die Rückhaltung gallepflichtiger Substanzen im Körper sowie das Fehlen von Galle im Darm führen zu einer Reihe von Symptomen. Sie lassen oft auf die Ursachen und Folgen der Cholestase schließen.
Die Hauptsymptome sind Gelbsucht (Ikterus) und Braunfärbung des Urins. Bei höhergradiger Cholestase kommt eine Stuhlentfärbung hinzu.
Die möglichen Symptome sind vielfältig und treten nicht immer alle auf. Ihre Ausprägung hängt von dem Schweregrad der Cholestase und ihrer Dauer ab. Zu ihnen gehören die folgenden:
- Ikterus
- Braunfärbung des Urins
- Stuhlentfärbung
- Pruritus (bei chronischer Cholestase)
- Xanthelasmen, Xanthome (bei PBC)
- abnorme Reaktion auf Medikamente (durch veränderte Entgiftung)
- Diarrhö, Steatorrhö (durch Maldigestion/Malabsorption)
- intestinale Missempfindungen
- Gewichtsverlust
- Vitaminmangelerscheinungen (besonders der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K) (siehe unter Vitamine)
- Bradykardie (bei Ikterus, unklarer Zusammenhang)
- Hypotonie
- Symptome der Niereninsuffizienz (bei hepatorenalem Syndrom)
- erhöhte Infektanfälligkeit
- Symptome der Leberzirrhose, die Folge einer Langzeitcholestase ist (Patienteninformationen: Leberzirrhose – einfach erklärt)
Diagnostik
Anamnestische und klinische Hinweise
- Ist eine Gelbsucht nachweisbar und liegt zudem dunkler Urin und heller bzw. entfärbter Stuhl vor? Dies lässt bereits jetzt auf eine Cholestase schließen.
- Sind Leberhautzeichen erkennbar? Die Ursache könnte eine in Dekompensation übergehende Leberzirrhose sein.
- Zusammenhang mit akuten krampfartigen Schmerzen im Oberbauch? Dies kann ein Hinweis auf ein Gallensteinleiden sein.
- Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch? Es kann eine Form eines Alkoholschadens der Leber vorliegen (alkoholtoxischer Leberschaden, ASH, Zieve-Syndrom).
- Zusammenhang mit einem neuen Medikament? Ein medikamententoxischer Leberschaden ist möglich.
- Zusammenhang mit einer parenteralen Ernährung? Sie kann in seltenen Fällen zu einer Cholestase führen. 1.
- Auftreten im Rahmen eines Tumorleidens? Es wäre eine Verlegung des Galleabflusses oder ein paraneoplastischer Leberschaden möglich.
- Zusammenhang mit einer Gewichtsabnahme? Es sollte ein Tumorleiden bedacht werden.
- Zusammenhang mit einer Darminfektion? Eine chronisch entzündliche Darmkrankheit kann mit einer vernarbenden Gallengangsentzündung einhergehen (PSC). Eine akute Durchfallkrankheit kann einen toxischen Leberschaden hervorrufen oder mit einer akuten Gallenwegsinfektion (bakterielle Cholangitis) einhergehen.
- Akute oder schleichende Entwicklung? Eine schleichende Entwicklung kann durch einen Tumor, eine Leberzirrhose oder eine Autoimmunkrankheit der Leber bedingt sein.
- Zusammenhang mit einer inneren Erkrankung, z. B. einer rheumatischen Krankheit oder einer Autoimmunkrankheit? Solche Krankheiten können u. U. auch die Leber betreffen.
Neonatale Cholestase
Sie ist diagnostisch gesondert zu betrachten, da angeborene Missbildungen der Gallenwege (biliäre Atresie, Alagille-Syndrom) und des Leberstoffwechsels (familiäre intrahepatische Cholestase) sowie Infektionen und eine total parenterale Ernährung von früh- und mangelgeborenen Kindern mitbedacht werden müssen. 2
Laborwerte
Bilirubinwerte über 2,5 mg/dl sind als Sklerenikterus erkennbar. Lässt sich Bilirubin als überwiegend „direktes Bilirubin“ einordnen, so wird eine Cholestase anzunehmen sein.
Die Laborwerte zeigen die Ausprägung der Cholestase (Höhe des Bilirubin und der Cholestaseenzyme) und ihre metabolischen Folgen (Blutfette) an (siehe auch Laborwerte bei Leberkrankheiten). Entzündungsmarker zeigen ein entzündliches Geschehen an. Die Pankreaswerte informieren über eine Beteiligung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis, Pankreaskarzinom). Tumormarker (CEA, Ca 19-9) richten den Blick auf ein malignes Geschehen.
Sonographie
Die Domäne der Sonographie bei der Cholestase ist der Nachweis oder Ausschluss eines Abflusshindernisses, wie er beim Verschlussikterus am ausgeprägtesten vorliegt. Sie erlaubt den Nachweis erweiterter (dilatierter) Gallenwege bei extrahepatischer Obstruktion des Ductus hepatocholedochus und oft auch den Nachweis des Abflusshindernisses. In Frage kommen ein Gallenstein, ein Tumor, ein entzündlicher Pankreasprozess (Pankreaskopfpankreatitis, Pankreaspseudozyste).
Eine prall gefüllte Gallenblase (Gallenblasenhydrops) spricht für einen Verschluss distal des Abgangs des Ductus cysticus vom Ductus hepaticus. Hier muss die Verschlussursache im Ductus choledochus (z. B. Tumor im distalen Gallengang), im Pankreaskopf (z. B. Pankreaskopfkarzinom oder chronische Pankreatitis) oder an der Papilla Vateri (z. B. Papillenkarzinom) gesucht werden.
→ Sonographie
→ Sonographie der Leber
ERC / PTC / PTD
Mit Hilfe der endoskopischen Technik einer ERC (endoskopisch retrograde Cholangiographie) können die Gallenwege bis in kleine Verzweigungen hinein dargestellt werden. Verengungen und Anomalien werden gut erkennbar.
Eine perkutane Darstellung durch PTC (perkutane transhepatische Cholangiographie; Katheterzugang durch die Haut) wird dann erwogen, wenn eine endoskopisch retrograde Gangdarstellung (ERC) nicht möglich ist und die Gallenwege sonographisch ausreichend erweitert erscheinen.
Beide Methoden sind invasiv und werden heute meist nur dann angewandt, wenn gleichzeitig versucht werden soll, die gestaute Galle abzuleiten. Aus rein diagnostischen Gründen wird die nicht invasive MRCP bevorzugt.
Wenn eine innere Drainage der gestauten Galle nicht gelingt, kann eine Draitage nach außen über eine PTD (perkutane transhepatische Drainage) erfolgreich sein und die Cholestasesymptomatik lindern.
MRCP
Die MRCP ist ein bildgebendes Verfahren, welches eine 3D-Darstellung der Gallenwege erlaubt und heute einer ERC vorangestellt wird und sie meist auch ersetzen kann.
Diagnostisch wichtige Symptomkombinationen
- Ikterus ohne Dunkelfärbung des Urins bzw. Hellfärbung des Stuhls: es liegt wahrscheinlich keine Cholestase vor, sondern eine Hämolyse oder ein Gilbert-Meulengracht-Syndrom.
- Ikterus und Dunkelfärbung des Urins bzw. Hellfärbung des Stuhls bedeutet klinischer Verdacht auf eine Cholestase. Er führt zur Indikation einer Sonographie (Erweiterung der Gallenwege, Umbauvorgänge in Richtung Leberzirrhose, Tumordurchsetzung?) und zur Erhebung von Laborwerten (Hinweise auf eine Hepatitis, Cholangitis, Leberzirrhose, evtl. doch Hämolyse?).
- Ikterus und rechtsseitige Oberbauchschmerzen deuten auf eine bakterielle Cholangitis oder einen Steinverschluss mit Koliken.
- Ikterus ohne Nachweis einer Obstruktion (sonographisch nicht dilatiert erscheinende Gallenwegen): Verdacht auf eine „nichtobstruktive Cholestase“. Die Diagnostik geht in Richtung der Abklärung einer Hepatitis und nichteitrigen Cholangitis (PBC und PSC) (Hepatitis-Serologie, AMA, p-ANCA).
- Ikterus und dunkler Urin plus heller Stuhl bedeuten Verdacht auf eine Obstruktion. Die weitere Abklärung erfolgt meist über eine MRCP und ggf. nachfolgend eine ERC, wenn das therapeutische Ziel einer Galleableitung (z. B. durch eine Stenteinlage) im Raum steht;
- Ikterus bei männlichen Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung: Bestimmung von Leberwerten. Wenn die Laborwerte zu einer nichteitrigen Cholangitis) passen (inkl. p-ANCA), MRCP. Wenn sich eine PSC bestätigt, dann kommt ggf. eine ERC mit dem Ziel einer Verbesserung des Galleabflusses durch eine Gangerweiterung mit Stenteinlage infrage.
- Cholestase ohne oder mit Stuhl- oder Urinverfärbung, mit Juckreiz und Abgeschlagenheit, ohne Fieber bei weiblichen Patienten mittleren Alters ohne sonstige Ursache einer Leberkrankheit: Verdacht auf primär biliäre Cholangitis (PBC). Bestimmung der typischen Laborparameter einer nichteitrigen Cholangitis inkl. AMA, ggf. Leberpunktion.
Therapie
Obstruktive Cholestase
Wiederherstellung des Drainageweges durch adäquate Verfahren wie :
- Operation (je nach Ursache und Lokalisation),
- endoskopische Verfahren (Papillotomie, Steinextraktion, Einlage eines Stents oder einer Gallenwegsendoprothese, Dilatation erreichbarer Strukturen),
- antibiotische Therapie eitriger Cholangitiden
Nichtobstruktive, hepatozelluläre Cholestase
- Behandlung der Grundkrankheit
- Entfernung von Toxinen und Allergenen
- Ursodesoxycholat bei PBC und PSC
- SAMe (S-Adenosylmethionin) bei arzneimittelbedingter Cholestase (noch experimentell)
- Silymarin zur Verhinderung weiterer toxischer Schädigung
- Kortikoide bei immunologisch bedingten Hepatitiden und Cholangitiden
- Lebertransplantation
Diätetische Maßnahmen
- MCT-Kost: Durch Gallemangel im Darm kommt es zu ungenügender Fettverdauung und -resorption. Oft verbessert MCT-Kost (mittelkettige Triglyceride) die abdominelle Symptomatik (u. a. oft verbunden mit Fettstühlen) und die Ernährungssituation (mittelkettige Triglyceride werden auch ohne Gallensäuren resorbiert).
- Ausgleich von Vitaminmangel: Eine langdauernde Cholestase kann zu Vitaminmangelerscheinungen führen (Mangel fettlöslicher Vitamine: A, D, E. K). Insbesondere Osteoporoseprophylaxe berücksichtigen z. B. bei PBC und PSC.
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Verweise
Fachinfos
- Cholestase in Bildern
- Obstruktive Cholestase
- Tumore als Ursache einer Gelbsucht
- Laborwerte bei Cholestase
- Chronisch cholestatische Leberkrankheit
- Galle
- Gallensäuren
→ Laborwerte bei Leberkrankheiten
→ Symptome bei Leberkrankheiten
Patienteninfos