Therapie der Leberzirrhose

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Die Therapie der Leberzirrhose hat die Vermeidung oder Besserung von Symptomen und Komplikationen zum Ziel. Sie berücksichtigt die Ursache (die Grundkrankheit) und das Stadium der Erkrankung. Eine neue Entwicklung zielt auf die Rückbildung der Vernarbung.

→ Zur Leberzirrhose siehe hier.

Allgemeines

Kontrollen bei ruhender Zirrhose: Eine „ruhende“, nicht dekompensierte Leberzirrhose wird in der Regel durch Kontrolluntersuchung, beispielsweise viertel- oder halbjährlich, durch Laborwerte und Sonographie kontrolliert. Eine medikamentöse Therapie ist häufig nicht erforderlich. Allerdings sollte auf Alkoholkarenz und eine gesunde, nicht überkalorische fettreiche Ernährung geachtet werden.

Zugrunde liegende Erkrankungen, die weiterhin ein Risiko für ein Fortschreiten (Progredienz) der Zirrhose darstellen, wie beispielsweise die Hepatitis C oder die Hämochromatose (s. u.), sollten möglichst behandelt werden. Ihre Behandlung sollte so früh wie möglich, am besten noch vor Entstehung einer Zirrhose, einsetzen, um möglichst der Entstehung einer Leberzirrhose vorbeugen zu können.

Vorbeugung: Die Therapie einer Leberzirrhose setzt sinnvollerweise schon bei der Vorbeugung an. So kann die rechtzeitige Behandlung einer chronischen Virushepatitis, einer diabetischen Fettleber oder einer Hämochromatose vor der Entwicklung einer Leberzirrhose schützen.

Reduktion der Narbenbildung: In der Regel ist nicht davon auszugehen, dass eine einmal eingetretene Vernarbung des Organs wesentlich zurück geht. Allerdings gibt es inzwischen Hinweise darauf, dass die Vernarbung rückläufig sein kann. So wird angenommen, dass sich fibrotische Frühstadien (Leberfibrose) heilen lassen. Aber auch das Zirrhosestadium kann möglicherweise durch medikamentöse Neuentwicklungen reduziert werden.

Behandlung der Grundkrankheit

Die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung kann in frühen Stadien die Entstehung und in späten Stadien das Fortschreiten einer Leberzirrhose verhindern. Beispiele:

  • Hämochromatose: Bei der Behandlung einer Leberzirrhose auf dem Boden einer Hämochromatose ist die Entfernung überschüssigen Eisens (am effektivsten durch Aderlässe) aus dem Körper essentiell. Dies kann zu einem Rückgang der Narbenbildung führen. Ähnlich verbessert bei der sekundären Eisenüberladung nach Transfusionen im Rahmen der ß-Thalassämie die medikamentöse Entfernung von Eisen den Fibrosegrad der Leber 1 2
  • Morbus Wilson: Bei der Behandlung einer Leberzirrhose auf dem Boden eines Morbus Wilson ist die Entfernung überschüssigen Kupfers aus dem Körper essentiell. Dies kann ebenfalls zu einer Verbesserung der Leberstruktur und Reduktion des Komplikationsrisikos führen. 3
  • Chronische Hepatitis C: Die Behandlung einer Leberzirrhose auf dem Boden einer chronischen Hepatitis C mit einem Therapieschema, das einen „sustained virilogical response (SVR) bewirkt, kann in Einzelfällen zu einer Regression der Leberzirrhose führen. Heute werden mit hoher Erfolgsrate „direct-acting antiviral agents“ (DAAs) angewendet. 4
  • Leberzirrhose auf dem Boden einer Autoimmunhepatitis: Eine immunsuppressive Therapie vermag, die Ausprägung der Leberfibrose zu reduzieren. 5

Therapie seltener Ursachen

Siehe hier:
Alkoholische Fettleberhepatitis, NASH, autoimmune Hepatitis, PBC, PSC, Hämochromatose, Morbus Wilson, Stauungsleber, Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, Mukoviszidose.

Alkoholkarenz

Alkoholabstinenz gilt für alle Lebererkrankungen.

Zur Wirkung von Alkohol siehe hier

Ernährung

Die Therapie der Leberzirrhose wird diätetisch begleitet. Bei der nicht dekompensierten Leberzirrhose wird eine ausgewogene Normalkost in der Regel empfohlen. Eine überkalorische und fette Kost ist zu vermeiden. Es kann in Einzelfällen notwendig sein, die Eiweißzufuhr auf 1g pro kg Körpergewicht pro Tag zu beschränken. Eine weitere Beschränkung ist auf Dauer zu vermeiden, da sie zu Katabolie und einem Muskelabbau führt.

Wenn wegen Übelkeit, Erbrechen oder Appetitlosigkeit eine ausreichende Nahrungsaufnahme nicht möglich ist, muss die Nahrung mit flüssigen Formeldiäten ergänzt werden; ggf. Magensonde oder parenterale Ernährung (Bilanzierung).

→  Zur Ernährung bei Lebererkrankungen siehe hier

Substitution von Vitaminen und Spurenelementen

Bei der Leberzirrhose findet sich oft eine Mangel an Vitaminen und Spurenelementen. Zur Behandlung gehört ihre Substitution. Von praktischer Bedeutung sind vor allem:

  • Vitamin B6 bei peripherer Neuropathie, Krämpfen, Rhagaden, Cheilosis, Stomatitis

→  Zur Ernährung bei Leberzirrhose siehe hier.
→  Zum Vitaminmangel bei Leberzirrhose siehe hier.

Medkamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie der Leberzirrhose richtet sich nach der Ursache und den Komplikationen. Auf Medikamente, deren Wirkung nicht gesichert ist, soll verzichtet werden, da hierdurch die Zirrhose ungünstig beeinflusst werden kann.

Cave: Anabol wirkende Steroide oder Aminosäurenzubereitungen mit aromatischen Aminosäuren und Methionin können zur Dekompensation der Leberzhirrhose führen!

Verzweigtkettige Aminosäuren

Verzweigtkettige Aminosäuren wirken sich bei der dekompensierten Leberzirrhose günstig auf den Krankheitsverlauf aus: nach Studienergebnissen bessern sich das Krankheitsempfinden und die hepatische Enzephalopathie und steigt die Albuminkonzentration des Bluts (siehe hier).

Hemmung der Vernarbung

In Einzelfällen kann sich eine Zirrhose bei Heilung der Grundkrankheit bessern oder zurückbilden, wie dies z. B. für eine Thalassämie nach Knochenmarkstransplantation  beschrieben wurde. 6

Zur Therapie der Vernarbung (Fibrosierung) gibt es neuere Ansätze: Ein therapeutisches Ziel ist die Beeinflussung von aktivierten hepatischen Myofibroblasten (Ito-Zellen), die eine zentrale Rolle für die Fibrogenese der Leber spielen 7. Die experimentelle Antagonisierung des TGF-beta-Receptor-Signalwegs vermindert die Fibrosebildung (siehe Leberfibrose). 8

Curcumin beeinflusst die Itozellen und vermag, die Fibrosebildung zu hemmen. 9 Auch an der Lunge werden Fibroblasten durch Curcumin gehemmt. 10

Sorafenib ist ein Angiogenesehemmer (Hemmstoff der Neubildung von Blutgefäßen), der im Tierversuch zu einer Reduktion des Pfortadrehochdrucks (portale Hypertension) und gleichzeitig zu einer Verbesserung der Leberfunktion sowie einer Abnahme des Fibrosierungsgrades führt. 11 Sorafenib wird auch beim Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom) eingesetzt. 12

Neue Untersuchungen benutzen Nanocarrier um das antifibrotische Gen „Bone Morphogenic Protein 7“ (BMP7) für die Behandlung einer Lebervernarbung nutzbar zu machen. Damit würde sich die Prognose perspektivisch wesentlich verbessern lassen 13.

Juckreiz

Juckreiz (Pruritus) ist oft therapieresistent. Er ist besonders bei der chronischen Cholestase, wie sie bei der PBC auftritt, ein Problem. Endogene Opioide scheinen an seiner Entstehung beteiligt zu sein. Opiat-Antagonisten sind in diesen Fällen hilfreich. Auch andere Medikamente, wie der Stimmungsaufheller Sertalin 14 (ein Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, SSRI), können erfolgreich sein. Der veränderte Medikamentenstoffwechsel bei Leberzirrhose und eine mögliche weitere Leberschädigung müssen jedoch bedacht werden. Die extrakorporale Albumindialyse (MARS-Dialyse 15 ) scheint in schwierigen Fällen erfolgreich eingesetzt werden zu können, wie bei PBC-Patienten gezeigt wurde. 16 Nicht therapierbarer Pruritus kann in Einzelfällen eine Indikation für eine Lebertransplantation sein. 17

Juckreiz bei Cholestase

Infektionen

Bei einer Zirrhose besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit besteht; und Infekte können besonders schwer verlaufen; es besteht ein  erhöhtes Risiko für eine bakterielle Blutvergiftung (Sepsis) und ein Multiorganversagen. Daher sind bei den ersten Hinweissymptomen Antibiotika indiziert. Erreger sind meist E. coli oder Streptococcus pneumoniae. Das Ergebnis einer Kultur wird meist nicht abgewartet. Verwendet werden vielfach Cephalosporine der 3. Generation, z. B. Cephalotaxim.

Eine antibiotische Prophylaxe ist normalerweise nicht sinnvoll, da ein hohes Risiko einer Resistenzentwicklung besteht. Sie kann jedoch als Rezidivprophylaxe nach einer spontanen bakteriellen Peritonitis indiziert sein sowie als Prophylaxe nach massiver Oesophagusvarizenblutung oder bei akutem Leberversagen.

Knochenabbau

Zur Vorbeugung eines Knochenabbaus, der mit einer Leberzirrhose assoziiert ist, sollten folgende Maßnahmen dienen: ausreichende Eiweißzufuhr, Substitution von Kalzium und Vitamin D, ggf. Calcitonin-Kuren und/oder Bisphosphonate wie Alendronsäure oder Pamidronat. 18  19

Muskelabbau

Die Verhinderunge eines Muskelabbaus (besonders ausgeprägt bei Alkoholkranken) ist ein wichtiges Behandlungsziel. Er ist bedingt durch Eiweißmangel und mangelhafte körperliche Aktivität, die durch Abgeschlagenheit und Müdigkeit sowie oft durch die toxischen Effekte des Alkohols gefördert wird. Der Muskelabbau fördert wiederum den Knochenabbau. Zur Behandlung werden daher eine angepasst-eiweißreiche Kost (angepasst an die Leistungsfähigkeit der Leber) und eine regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen, die am besten nach einem Programm gestaltet wird.  20

Therapie der Komplikationen

Die Therapie der Leberzirrhose berücksichtigt ihre Komplikationen. Dazu siehe unter

Lebertransplantation

Im Endstadium der Leberzirrhose, in dem die Syntheseleistung und Entgiftungsfunktion kritisch abnehmen, kommt eine Lebertransplantation in Frage. Die Entscheidung, ob ein Patient als Transplantationskandidat in Betracht kommt, sollte schon im Vorfeld geklärt werden, wobei Hepatologen und Transplantambulanzen helfen. Von Bedeutung sind dabei u. a. Alter und Comorbidität (Begleitkrankheiten), Compliance, soziale Einbindung und Nachweis einer Alkoholabstinenz über einen längeren Zeitraum (z. B. über 1/2 Jahr).

→  Zur Lebertransplantation siehe hier.

Neue Therapie-Perspektiven

Ein erfolgversprechender Ansatz ist die Verwendung von Stammzellen aus Nabelschnurblut. Sie können sich in der Leber zu Leberzellen (Hepatozyten) differenzieren, die über parakrine Mechanismen die Kollagen bildenden Zellen (stellate cells, Ito-Zellen) bremsen und so die Narbenbildung unterbrechen. In Studien wurde ein günstiger Effekt nachgewiesen. 21 22

Mesenchymale Stammzellen

Mesenchymale Stammzellen (MSCs) unterstützen auf vielfältige Weise die Regeneration der Leber 23. Stammzellen aus menschlicher Leber (hLD-SCs) besitzen ein größeres Potenzial für die Leberregeneration als mesenchymale Stammzellen und werden als vielversprechende Quelle für Stammzellen zur Leberregeneration angesehen. 21

Erste Anwendungen bestätigen, dass MSCs beim Menschen die Leberfunktion (z. B. eine Senkung des MELD-Scores und einen Anstieg der ALB-Werte) besserten und vor Komplikationen der Leberzirrhose und Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms schützen können. 24

Emricasan

Emricasan ist ein Caspasehemmer, der Entzündungsreaktionen und den programmierten Zelltod (Apoptose) unterdrückt. Caspasen bilden Mediatoren, die eine intrahepatische Entzündung, Vasokonstriktion und extrahepatische Splanchnikus-Vasodilatation verursachen. Diese Signalwege fördern die Bildung einer Leberzirrhose, beispielsweise durch Alkohol und durch Hepatitis C. Die Aktivierung dieser Wege lässt sich durch Emricasan hemmen. 25

In einer Studie wurde gezeigt, dass die Hemmung beim Menschen zu einer Verbesserung der Leberfunktion führte und den MELD– und Child-Pugh-Scores reduzierte 26, in einer anderen, dass es den portalvenösen Druck bei schwerem Pfortaderhochdruck senkte 25. Eine weitere Studie zeigte, dass die Behandlung mit Emricasan bei Patienten mit Leberzirrhose oder -fibrose wirksamer als Placebo war 27. Eine Metaanalyse von Studien zur Emricasan-Wirkung erbrachte jedoch keinen statistischen Nutzen bezüglich einer Verbesserung des MELD-Scores. 28 Ob Untergruppen profitieren, ist ungeklärt.

Eisenbindung

Eine Eisenakkumulation fördert das Fortschreiten chronischer Leberschäden und fibrotischer Veränderungen. Labor-Experimente an menschlichen Hepatozyten zeigten, dass sich Eisen als Reaktion auf Doxorubicin ansammelt, und dass der Eisenchelatbildner Deferipron in der Lage ist, dies zu verhindern. Hier scheinen sich therapeutische Möglichkeiten für die Verlangsamung einer Leberzellalterung (verminderte Fähigkeit zu regenerieren) und einer Fibrosierung zu eröffnen. 29


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Verweise

Zum Inhaltsverzeichnis

Referenzen

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  2. Int J Mol Sci. 2019;20(9):2132. Published 2019 Apr 30. doi:10.3390/ijms20092132[]
  3. Clin Res Hepatol Gastroenterol. 2018;42(6):512-520. doi:10.1016/j.clinre.2018.03.007[]
  4. Gut Liver. 2017;11(3):335-348. doi:10.5009/gnl15458[]
  5. Dig Dis Sci. 2005 Mar;50(3):547-51[]
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  9. Endocrinology. 2009 Jul;150(7):3011-20[]
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  12. United European Gastroenterol J. 2016;4(3):363-370. doi:10.1177/2050640615615041[]
  13. Int J Nanomedicine. 2024 Apr 11;19:3475-3495[]
  14. Am J Gastroenterol. 2003; 98: 2736-41[]
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