Erbrechen ist ein Symptom erheblich gestörter Motilität (Dyskinesie) im Magendarmtrakt. Bei Ekel oder einer akuten Magenschleimhautentzündung (Gastritis) kann es kurzfristig und passager auftreten und prinzipiell harmlos sein. Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen können jedoch auch Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung sein. Medizinische Begriffe für Erbrechen sind Emesis (aus dem Griechischen) oder Vomitus (aus dem Lateinischen).
→ Koterbrechen
→ Übelkeit
→ Brechreiz
Entstehung
Der Brechreflex wird im Brechzentrum des Stammhirns (im Bulbus) getriggert: Eine Reizung erfolgt durch vielfältige Auslöser, z. B. aus dem Magendarmkanal, von der Hirnrinde (optische Eindrücke, Geschmack, Geruch), vom Innenohr, durch Toxine und Medikamente (keine Blut-Hirn-Schranke im Brechzentrum). Beteiligt sind spezielle Rezeptoren (histaminerge H1-Rezeptoren und muskarinische M1-Rezeptoren und serotoninerge 5-HT3-Rezeptoren), deren Erforschung für die Entwicklung von Antiemetika (hauptsächlich muskarinische, dopaminerge und serotoninerge Medikamente) von entscheidender Bedeutung war. 1
Differenzialdiagnose des akuten Erbrechens
Akutes Erbrechen
Mögliche Ursachen:
- Virale oder bakterielle Gastritis oder Gastroenteritis
- Medikamente, u. a. Chemotherapeutika
- Vestibuläre Erkrankung: akuter Menière-Anfall
- Metabolische Entgleisung: Morbus Addison, Hyperparathyreoidismus, diabetische Ketoazidose
Chronisches Erbrechen
Mögliche Ursachen:
- Ösophaguserkrankung: Achalasie, Zenker-Divertikel
- Magenerkrankung: akute Gastritis, Magenausgangsstenose durch chronische Ulkuskrankheit oder Magenkarzinom, Gastroparese, Medikamente
- Pankreaserkrankungen: akute Pankreatitis, Raumforderung mit Behinderung der Magenentleerung
- Schwangerschaft
- Glaukomanfall
- Psychogene Ursache (antezipatorisch, Auslösung durch optische oder geruchliche Wahrnehmungen)
- Zentrales Erbrechen bei erhöhtem Hirndruck
- Intestinale Pseudoobstruktion
- Ileus
- Gastrokolische Fistel
Differenzialdiagnostische Hinweise
Hinweise auf die Ursache ergeben sich aus folgenden Informationen:
- Erbrechen im Sinne einer Regurgitation: Achalasie, Zenker-Divertikel
- Erbrochenes
- sauer: Herkunft aus dem Magen
- fäkal: Ursachen Ileus oder gastrokolische Fistel
- gallig: Passage bis ins Duodenum wahrscheinlich frei
- blutig: Blutungsquelle oberhalb der Flexura duodenojejunalis
- zunächst ohne Blut, beim Folgeschwall mit Blut: Mallory-Weiss-Läsion (diese Läsion ist jedoch nicht Ursache des Erbrechens sondern seine Folge)
- Erbrechen
- bei Nierenkrankheit: Urämie
- ohne anschließende Erleichterung: zentrale Ursache (z. B. durch erhöhten Hirndruck)
- verbunden mit Amenorrhoe: Schwangerschaft (wenn Frau in gebärfähigem Alter)
- verbunden mit starken Kopfschmerzen: zentrale Ursache (z. B. bei Meningitis, Hirnblutung, Hirntumor)
- verbunden mit starken Augenschmerzen: Glaukomanfall
- verbunden mit Schwindel oder Ohrensausen: Morbus Menière
- verbunden mit Abmagerung: Tumorleiden, Anorexia nervosa
- verbunden mit Thorax- oder Oberbauchschmerz und Kollapsgefühl: Perforation oder Penetration eines Magenulkus, Herzinfarkt
Komplikationen
Erbrechen kann zu einer Reihe von Komplikationen führen. Zu ihnen gehören vor allem
- eine Aspiration (Erbrochenes gelangt in die Atemwege) mit der Folge einer akuten Atemnot und einer Aspirationspneumonie,
- Bluterbrechen, ausgelöst durch eine Mallory-Weiss-Läsion am gastroösophagealen Schleimhautübergang (siehe hier).
Therapie
Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Ein Passagehindernis für den Magen- oder Darminhalt beispielsweise wäre zu beseitigen, ggf. operativ, oder eine Entzündung im Magendarmtrakt antientzündlich, ggf. antibiotisch, zu behandeln. Eine symptomatische Behandlung kann mit verschiedenen medikamentösen Prinzipien erfolgen.
Therapeutische Prinzipien
- H1-Antagonisten (Antihistaminika) wie Diphenhydramin (z. B. Emesan) oder Dimenhydrinat (z. B. Vomex) sind wirksam z. B. bei vestibulärer Ursache.
- 5-HT3-Antagonisten wie Granisetron (z. B. Kevatril) oder Ondansetron (z. B. Zofran) sind wirksam, wenn z. B. Chemotherapie oder Strahlentherapie oder eine Operation die Ursache ist.
- Prokinetika, D2-Rezeptorantagonisten (Dopamin-Antagonisten) wie Metoclopramid (z. B. Paspertin, MCP) oder Alizaprid (z. B. Vergentan) bei postoperativer Übelkeit, bei Chemotherapie oder intestinaler motorischer Dysfunktion.
Einige therapeutische Hinweise
- In leichten Fällen: Prokinetika (Metoclopramid, Domperidon), Phenothiazin oder Haloperidol.
- Erbrechen bei Innenohrerkrankung: Promethazin.
- Erbrechen bei Seekrankheit: Scopolaminpflaster (z. B. Scopoderm TTS).
- Erbrechen bei Chemotherapie: Ondansetron, Alizaprid, Haloperidol oder Promethazin (z. B. Atosil).
Verweise
Referenzen
- Br J Hosp Med (Lond). 2020 May 2;81(5):1-8. doi: 10.12968/hmed.2020.0050[↩]