Allgemeines
Diarrhö bedeutet Durchfall. Sie ist charakterisiert durch zu häufigen und zu dünnen Stuhl. Typisch sind mehr als 3 dünnflüssige Stühle pro Tag und ein Stuhlgewicht meist von mehr als 200 g. Es besteht das Risiko einer gefährlichen Exsikkose (Austrocknung) und eines Elektrolytverusts.
Die Diarrhö ist abzugrenzen von der Pseudodiarrhö des Reitdarmsyndroms und der Stuhlinkontinenz, dem unfreiwilligen Stuhlabgang.
Einteilung
- Die akute Durchfallkrankheit ist meistens infektiös oder toxisch bedingt, verläuft selbstlimitierend und dauert weniger als 3 Wochen, häufig nur 1 bis 3 Tage.
- Die chronische Durchfallkrankheit dauert länger als 3 bis 4 Wochen.
- Ein wiederkehrender Durchfall kann allergisch, durch eine Überempfidlichkeitsreaktion oder durch ein Reizdarmsyndrom verursacht sein.
- Die Pseudodiarrhö ist weder infektiös noch durch eine immunologische Reaktion bedingt. Der Darm zeigt endoskopisch und histologisch eine normale Schleimhaut. Es handelt sich um eine Funtktionsstörung des Darms.
Am häufigsten ist Durchfall akuter infektiöser Genese. Er verläuft in der Regel selbst limitierend. Dauert er länger an, sollte die Ursache untersucht werden.
→ Reizdarm
Akute Diarrhö
Eine akute Durchfallkrankheit ist häufig Ausdruck einer akuten infektiös bedingten Entzündung des Darms (Enteritis), die häufig mit einer akuten Magenschleimhautentzündung verbunden ist (Gastroenteritis). Sie ist in der Regel selbstlimitierend und bedarf in der Regel keiner antibiotischen Therapie. Eine Antibiose kann aber indiziert sein, wenn Fieber und blutiger Durchfall eintreten, wenn die Symptome über 1 Woche anhalten, oder wenn eine Immunschwäche vorliegt.
Auslöser einer infektiösen Diarrhö mit endemischer Ausbreitung sind häufig Viren, z. B. Rotaviren oder Noroviren. Häufige pathogene Keime sind Campylobacter, Salmonella, Shigella, Vibrio, Aeromonas, Plesiomonas und Clostridium difficile. 1 2
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen
- Akute Diarrhö
- Reisediarrhö
- Antibiotika-assoziierte Diarrhö
- Norovirus-Infektion
- Rotavirus-Infektion
- EHEC-Infektion
- EAEC-Infektion
- Salmonellose
- Shigellose
- Yersiniose
- Campylobacter-Infektion
- Bakterielle Ruhr
- Nahrungsmittelunverträglichkeit
Chronische Diarrhö
Persistierende Durchfälle, die länger als 14 Tage andauern, sind verdächtig auf eine chronische Diarrhö.
Wenn der chronische Durchfall laut Stuhlkulturen infektiös bedingt ist, sind Parasiten, wie Giardia und Cryptosporidien, Protozoen oder pathogene Bakterien, wie enteroaggressive Escherichia coli (EAEC) oder Yersinien, die Ursache. 3
Ansonsten ist an Autoimmunerkrankungen des Magendarmtrakts, wie an die Sprue und den Morbus Crohn, oder an virale Infektionen und an eine Abwehrschwäche zu denken.
Ab einer Dauer von 4 Wochen wird ein akut beginnender Durchfall als chronisch eingeordnet. Eine wichtige Differenzialdiagnose ist das Reizdarmsyndrom. Es kann von anderen Ursachen durch Schmerzen vor dem Stuhlgang unterschieden werden, die nach dem Stuhlgang verschwinden oder gelindert sind. Auch finden sich beim Reizdarm häufige Wechsel der Stuhlform oder -häufigkeit (Rom-Kriterien).
Die Diagnosestellung wird durch eine endoskopische und histologische Untersuchung einer Gewebeprobe gesichert 4 5.
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen:
- chronisch entzündliche Darmkrankheit
- Colitis ulcerosa
- Morbus Crohn
- Pseudomembranöse Kolitis
- Kollagenkolitis
- Lymphozytäre Kolitis
- Morbus Whipple
- Coeliakie (einheimische Sprue)
- Chronische Verdauungsstörung
- Chronische Pankreatitis
- Kurzdarmsyndrom
- Syndrom der blinden Schlinge
- Darmtuberkulose
- Nahrungsmittelunverträglichkeit und –allergie
- Reizdarmsyndrom mit überwiegender Diarrhö
Pseudodiarrhö
Die Pseudodiarrhö (scheinbare Durchfallkrankheit) lässt sich von der echten Diarrhö abgrenzen, wenn die Stühle zwar häufig, aber nicht konsistenzgemindert sind. Sie kommt beispielsweise beim Colon irritabile (Reizdarm) und bei Enddarmerkrankungen vor. Auch die Stuhlinkontinenz durch Beckenboden- und Enddarmerkrankungen kann eine entzündliche Darmkrankheit vortäuschen.
→ Reizdarm
Steatorrhö
Als Steatorrhö wird schmieriger, fettiger Stuhl bezeichnet. Das Stuhlfett liegt > 7 g pro Tag. Sie kommt bei einer Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse vor, wie sie bei einer schweren Entzündung mit exokriner Pankreasinsuffizienz auftritt.
Osmotische Diarrhö
Die osmotische Durchfallkrankheit entsteht durch Übertritt osmotisch wirksamer Substanzen aus dem Dünndarm in den Dickdarm.
Unzureichend verdaute Nahrungsbestandteile gelangen unresorbiert in den Dickdarm und nehmen ihr Lösungswasser mit, was ebenfalls zu Durchfällen führt.
Beispiele für eine nahrungsbedingte osmotische Diarrhö:
- Disaccharide bei angeborenem oder erworbenem Disaccharidasemangel,
- mangelhaft zersetzte und daher nicht vollständig resorbierte Nahrungsbestandteile bei Pankreasinsuffizienz, bei einer bakteriellen Besiedlung des Dünndarms oder
- bei Dünndarmerkrankungen wie der Sprue oder dem Morbus Whipple, beschleunigte Dünndarmpassage bei Hyperthyreose, Karzinoid, Gastrinom oder Kurzdarmsyndrom).
Beispiele für Medikamente, die eine osmotische Diarrhö hervorrufen: magnesiumhaltige Magenschutzpräparate oder Abführmittel, Polyäthylenglykol, Laktulose, Sorbit, Xylit, Acarbose.
Der osmotische Durchfall sistiert (stoppt) bei Nahrungskarenz. Die Natriumkonzentration im Stuhl ist gering (ca. 30 mval/l).
Sekretorische Diarrhö
Sekretorischer Durchfall sistiert nicht bei Nahrungskarenz.
Die Natriumkonzentration im Stuhl liegt mit etwa 100 mval/l sehr viel höher, als bei der osmotischen Diarrhö.
Ursachen:
- Schleimhautreizende Laxanzien (beispielsweise Anthrachinone, Bisacodyl, Oxyphenisatin, Senna, Aloe, Rhizinusöl),
- Toxine (beispielsweise Arsen, Pilzgifte, Koffein),
- Medikamente (beispielsweise Theophyllin, Chinidin, Colchicin, Prostaglandine wie Misoprostol, Diuretika wie Thiazide, Furosemid),
- Bakterientoxine (beispielsweise von Clostridium difficile, Staphylococcus aureus, Colistämmen, Yersinien, Campylobacter),
- Nahrungsmittelallergene,
- Gallensäuren (Gallensäure-spill-over in das Kolon, chologene Diarrhö, Folge Gallensäureverlustsyndrom),
- Tumore mit Produktion von Mediatorstoffen: Gastrinom, VIPom, Karzinoid, villöses Adenom.
- Differenzialdiagnostische Hinweise
- Hinweise auf die Ursache oder die Einordnung der Diarrhö ergeben sich aus folgenden Informationen:
- Stuhldrang aus dem Schlaf heraus spricht gegen eine funktionelle Ursache (das Reizdarmsyndrom kommt kaum noch infrage).
- Übelriechende Stühle sprechen für eine mangelhafte Eiweißverdauung und eine osmotische Diarrhö.
- Persistierende Durchfälle unter Nahrungskarenz sprechen für eine sekretorische Komponente.
- Ein Sistieren der Durchfälle unter Nahrungskarenz spricht für eine rein osmotische Diarrhö.
- Diarrhö nach potenziell verdorbener Nahrung (schlecht aufgetaute und nur gering erhitzte Tiefkühlkost, nicht abgekochtes Wasser, nicht gewaschenes Gemüse etc.) spricht für eine infektiöse Diarrhö (infektiöse Enteritis).
- Darmkrämpfe vor und während des Stuhlgangs kommen bei Entzündungen oder Stenosen vor (z. B. bei Morbus Crohn, Kolonkarzinom, Rektumkarzinom, Divertikulitis).
- Durchfälle nach bestimmten Nahrungsmitteln kommen bei Nahrungsmittelallergie vor.
- Durchfälle, die zusammen mit Zittrigkeit und/oder Herzjagen vorkommen, können durch eine Hyperthyreose bedingt sein.
- Durchfälle, die unter antibiotischer Therapie auftreten, können als eine „Antibiotika-assoziierte Diarrhö“ einzuordnen sein, wozu auch die „Pseudomembranöse Kolitis“ gehört.
- Durchfälle im Rahmen einer Reise sind meist infektiös bedingt und selbstlimitierend, können jedoch zu gefährlichem Flüssigkeits- und Elektrolytverlust führen. 6 Siehe hier.
- Eine Clostridium-assoziierte Diarrhö deutet auf eine Abwehrschwäche (siehe hier). 7
- Die Natriumkonzentration im Stuhl liegt bei der sekretorischen Diarrhö mit etwa 100 mval/l sehr viel höher, als bei der osmotischen Diarrhö.
Diagnostik
Folgende diagnostische Methoden können in Zweifelsfällen zur Klärung der Ursache einer Diarrhö beitragen:
Stuhlkultur auf pathogene Keime: sie wird bei einer akuten Diarrhö durchgeführt. Bei einer akuten Exazerbation einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit können pathogene Darmbakterien eine akute Enteritis und zudem einen neuen Schub der Darmkrankheit auslösen.
Virusserologie auf Enteritis-auslösende Viren (z. B. Rotaviren, Noroviren): sie wird bei einer akuten Diarrhö durchgeführt.
Darmsonographie: sie kann Darmwandverdickungen erkennen lassen, die eher für eine chronische als für eine akute Darmerkrankung ohne chronische Vorerkrankung spricht.
Bestimmung des Clostridientoxins insbesondere, wenn in der jüngeren Vorgeschichte eine antibiotische Therapie durchgeführt wurde (Diagnostik einer Clostridien-bedingten Enteritis)
Koloskopie: Sie lässt Entzündungen am besten erkennen, wird aber bei einer infektiösen akuten Diarrhö vermieden. Vorteil der Koloskopie ist die Möglichkeit der Entnahme einer Gewebeprobe durch Biopsie der Darmschleimhaut.
Schwer behandelbare Diarrhö
Tumorbedingte Diarrhö:
Durchfall im Zusammenhang mit Chemotherapie, Strahlentherapie,
VIP-produzierende Tumore (vasoaktives intestinales Polypeptid, VIPom)
Nicht krebsbedingter Durchfall:
Ileo- und Jejunostomie
Graft-versus-Host Krankheit (nach Knochenmarkstransplantation)
AIDS-bedingter Durchfall
Enterale Tuberkulose
Therapie
Dazu siehe unter den jeweiligen Diagnosen. Grundsätzlich ist auf den Ausgleich eines Salzmangels und eines Flüssigkeitsmangels zu achten (siehe hier).
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Verweise
- Enteritis
- akute Diarrhö
- chronische Diarrhö
- Gallensäureverlustsyndrom
- Kolitis
- Pseudomembranöse Kolitis
- Der Dünndarm
- Medizin verständlich
Weiteres
- Clin Lab Med. 2015 Jun;35(2):313-31. DOI: 10.1016/j.cll.2015.02.005.[↩]
- Clin Microbiol Infect. 2015 Aug;21(8):744-9. DOI: 10.1016/j.cmi.2015.03.002.[↩]
- JAMA. 2016 Jun 28;315(24):2712-23. DOI: 10.1001/jama.2016.7833.[↩]
- Clin Gastroenterol Hepatol. 2017 Feb;15(2):182-193.e3. DOI: 10.1016/j.cgh.2016.07.028.[↩]
- DEN open. 2021 Sep 28;2(1):e53. DOI: 10.1002/deo2.53[↩]
- JAMA. 2015 Jan 6;313(1):71-80. doi: 10.1001/jama.2014.17006.[↩]
- Infect Dis Ther. 2019 Mar;8(1):87-103. doi: 10.1007/s40121-019-0231-8. [↩]