Definition
Das Kurzdarmsyndrom ist eine Erkrankung, die durch eine operative Verkürzung des Dünndarms eintritt und zu einer Mangelernährung (Malnutrition) führt. 1
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Ursachen
Ursachen einer operativen Verkürzung des Dünndarms :
- Trauma,
- arterielle Thrombembolie,
- venöse Thrombose,
- Morbus Crohn,
- Strangulation von Darmschlingen,
- bei Kindern: mechanischer Darmverschluss, funktionelle Darmstörungen und Morbus Hirschsprung.
Pathophysiologie
Es handelt sich um eine Erkrankung, die durch Mangel an Verdauungsenzymen, verkleinerte Resorptionsfläche und beschleunigte Passage des Dünndarms zu einer osmotischen Diarrhö einerseits und einer allgemeinen Malnutrition mit erhebliche Gewichtsabnahme andererseits führt.
Folgen
Durch einen Mangel an Nahrungsbestandteilen kann es zu Mangelzuständen kommen :
- Eiweißmangel (Folgen: Hypalbuminämie mit Ödemen und Aszites, Mangel an Gerinnungsfaktoren (Folge Gerinnungsstörung) und Transportproteinen im Blut,
- Eisenmangel (Folge Anämie)
- Vitaminmangel (Folgen z. B. Knochenschäden bei Vitamin-D-Mangel, Hauterkrankungen, Nachtblindheit bei Vitamin-A-Mangel, Anämie bei Vitamin-B12-Mangel, Enzephalopathie etc.)
- Mangel an Spurenelementen (ein Selenmangel kann z.B. zu Mattigkeit der Beine, Nagelbettverfärbung und Makrozytose führen 2 ).
- Durch komplexen Zusammenhang besteht eine Neigung zu Nierensteinleiden. Ursächlich ist eine erhöhte Aufnahme von Oxalat. Sie kommt dadurch zustande, dass Oxalat nicht mehr ausreichend durch Kalzium präzipitiert wird, das das Kalzium durch unverdaute freie Fettsäuren gefangen wird. Eine mangelhafte Absorption freier Fettsäuren ist wiederum Folge eines erniedrigten Gallensäurepools bei Gallensäureverlust, insbesondere, wenn das terminale Ileum fehlt.
Klinik
Maldigestion und Malabsorption führen zu einer Gewichtsabnahme und zu Mangelzuständen wie z.B. Vitaminmangel, Mangel an Spurenelementen, Eiweißmangel mit Bildung von Aszites und Ödemen, Knochenstörungen (Osteopenie), Anämie etc. (s.o.). Es besteht eine Neigung zu einer Oxalat-Urolithiasis (s.o.). Die Ausprägung kann sehr unterschiedlich sein.
Diagnostik
Im Verlauf sollten Übersichtsparameter ständig überprüft werden:
Laborwerte: Urin (Ketonkörper bei Katabolie), Blutbild (Anämie?), Eisenspiegel und Ferritin (Eisenmangel?), Kalzium, Gerinnungsparameter, ggf. Spurenelemente und Vitamine (u.a. Vitamin B12), D-Xylose-Test (zur Überprüfung der intestinalen Resorptionskapazität)
Sonographie der Leber: Aszites, Fettleber (Mechanismus wie bei Kwashiorkor) (siehe hier)
Therapie
Die Therapie richtet sich einerseits auf die Substitution der mangelnden Nahrungsbestandteile und andererseits auf eine Förderung der intestinalen Adaptation.
Ernährung: kalorienreich in kleinen, vielfach über den Tag verteilten Mahlzeiten (z.B. alle 2 Stunden). Die Verdauung und Resorption hat nur eine beschränkt kurze Zeit zur Verfügung und sollte daher durch Zusatz von Verdauungsenzymen gefördert werden. Zudem muss u. U. die Dünndarmpassage medikamentös verlangsamt werden (z. B. Loperamid: individuelle titrierende Dosierung!).
Intestinale Adaptation: Förderung durch Butyrat 3 und Vermeidung von Vitamin-A-Mangel (ein Mangel hemmt die Schleimhautregeneration. 4 Pentoxyphyllin kann günstig wirken durch Verminderung der Bildung freier Sauerstoffradikale und damit einer Lipidperoxidation entgegenwirken. 5
Wachstumshormon: Eine Studie mit low-dose-Wachstumshormonen (0.05 mg/kg/d) erbrachte positive Effekte auf die Resorption von Aminosäuren, Kohlenhydraten und Fett. 6 Experimentell wirken rekombinantes Wachstumshormon und – schwächer – Glutamin positiv auf diese Funktionen. 7
Gallensäuren: Eine Gallensäuresubstitution reduziert das Risiko einer renalen Oxalatsteinbildung. 8
Behandlung von Infektionen: Da Bakteriämien und Sepsis über Endotoxine eine intestinale Adaptation hemmen, sollten Infektionen auch aus diesem Grund konsequent behandelt werden.
Parenterale Ernährung bei Kindern: Einerseits hat sie die Mortalität gesenkt und die Gesamtprognose verbessert; andererseits besteht ein erhöhtes Risiko zahlreicher Komplikationen, darunter Lebererkrankungen und katheterbedingte Fehlfunktionen und Sepsis. 9
Verweise
Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)
Referenzen
- J Visc Surg. 2018 Sep;155(4):283-291. doi: 10.1016/j.jviscsurg.2017.12.012.[↩]
- Intern Med 2003; 42: 154-157[↩]
- J Nutr. 2003 Nov;133(11):3717-20[↩]
- Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol 2003; 285: G424.432[↩]
- Cell Biochem Funct 2003; 21: 49-54[↩]
- Gastroenterology 2003; 124: 293-302[↩]
- World J Gastroenterol 2002; 8: 752-757[↩]
- Am J Kidney Dis 2003; 41: 230-237[↩]
- Nutrients. 2023 May 17;15(10):2341. doi: 10.3390/nu15102341.[↩]