Antibiotika-assoziierte Diarrhö

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Die Antibiotika-assoziierte Diarrhö ist eine Durchfallerkrankung in der Folge einer antibiotischen Therapie. Sie ist durch eine Schädigung der normalen Darmflora (Mikrobiom des Darms) bedingt, durch die Krankheitskeime hochkommen und die normale Flora überwuchern können. Ein häufiger Keim, der infolge einer antibiotischen Behandlung aufkommen und Durchfälle auslösen kann, ist Clostridioides difficile. Fidaxomicin ist ein Antibiotikum, welches in schwierigen Behandlungsfällen eine gute Therapieoption darstellt.

Mikrobiom
Clostridium difficile

Entstehung

Durch die Wirkung von Antibiotika wird die Darmflora in ihrer Keimzusammensetzung verändert. Nicht nur pathogene Keime (Krankheitsverursacher) werden getroffen, sondern auch nützliche Bakterienstämme, die zum körpereigenen Mikrobiom gehören. Es kommt zur Überwucherung von Darmkeimen, an die das Abwehrsystem des Darms nicht angepasst ist. Der Keim Clostridioides difficile (früher Clostridium difficile) löst die pseudomembranöse Kolitis aus, die wegen zunehmender Resistenz immer schwerer zu behandeln ist.

Für die Ausbreitung pathogener C.-difficile-Stämme spielen Gallensäuren eine Hauptrolle. Das durch Antibiotika veränderte (dysbiotische) Mikrobiom bewirkt, dass die von der Leber kommenden primären Gallensäuren nicht genügend in sekundäre Gallensäuren umgewandelt werden. Die primären Gallensäuren aber bewirken, dass C.-difficile-Sporen vermehrt auskeimen, sodass sich der Keim im Darm ausbreiten kann. Seine Toxine (Giftstoffe) verursachen Durchfälle und allgemeine Krankheitssymptome. Die Abwehrreaktionen des Immunsystems führen zu einer Entzündung der Darmschleimhaut. In etwa 10 – 15 % der durch Antibiotika ausgelösten Durchfälle ist die Entzündungsreaktion erheblich und führt zu einer pseudomembranösen Kolitis.

Immungeschwächte Menschen reagieren auf Antibiotika besonders ausgeprägt mit einer Darmentzündung.

Eine während eines Klinikaufenthaltes durchgeführte antibiotische Therapie jedweder Art erhöht laut einer Studie das Risiko einer Clostridium-assoziierten Enteritis um das etwa 3-fache. (1)J Antimicrob Chemother. 2021 Jul 15;76(8):2182-2185. DOI: 10.1093/jac/dkab151. PMID: 33969419.

Diagnostik

Wenn ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Antibiotika-Einnahme und Auftreten der Diarrhö besteht, muss an eine antibiotika-assoziierte Diarrhö gedacht werden. Wenn die Diarrhö nach Absetzen sistiert, ist diese Hypothese sehr wahrscheinlich.

Ausgeprägte pseudomembranöse Kolitis mit Biofilm-Bildung durch Clostridoides difficile.

Im Rahmen einer Antibiotikatherapie kann sich eine pseudomembranösen Kolitis entwickeln. Sie muss verdächtigt werden, wenn die durch Antibiotika bedingten Durchfälle nach Absetzen anhalten. Gesichert wird sie durch den Nachweis von Clostridium difficile und seinem Toxin (Clostridientoxin A). (2)Gastroenterol Clin North Am. 2021 Jun;50(2):323-340. DOI: 10.1016/j.gtc.2021.02.010. PMID: … Continue reading Endoskopisch (bei einer Dickdarmspiegelung) imponiert das Bild schmierig-eitriger Auflagerungen auf die entzündete Schleimhaut.

Therapie

  • Bisherige Antibiotika ab-/umsetzen: Als erstes sollte die Antibiotika-Therapie – wenn möglich – beendet oder zumindest geändert werden.
  • Gezielte Antibiotika: Wenn die Diarrhö weiter besteht und C. difficile bzw. das Clostridientoxin A nachgewiesen werden, kommt Metronidazol als Antibiotikum in Betracht, wenn es nicht hilft, auch Vancomycin. Laut einer Analyse hat sich in den USA die Therapie weitgehend von Metronidazol als Antibiotikum der ersten Wahl auf orales Vancomycin und Fidaxomicin verlagert; dies gilt selbst für eine erste Episode einer Clostridoides-Infektion. (3)Am J Emerg Med. 2020 Oct;38(10):2203-2208. DOI: 10.1016/j.ajem.2020.06.083. Epub 2020 Jul 4. PMID: … Continue reading
  • Fidaxomicin: Eine neue Möglichkeit eröffnet sich durch die Entwicklung eines Antibiotikums, welches die normale Darmflora nur wenig beeinflusst: Fidaxomicin (Dificlir) wirkt ebenso gut wie Vancomycin und Metronidazol bzw. deren Kombination, in leichteren Fällen sogar besser. Es schützt weitgehend vor einem Wiederaufflammen (Relaps). (4)Int J Infect Dis. 2021 Feb;103:226-233. DOI: 10.1016/j.ijid.2020.11.004.
  • Stuhltransplantation: Ergebnisse mit einer duodenalen Infusion eines Stuhlaufgusses eines gesunden Donors (auch als Stuhltransplantation bezeichnet) ist selbst in Fällen eines Therapieversagens dieser Maßnahmen wirkungsvoll (siehe hier). (5)J Physiol Pharmacol. 2016 Dec;67(6):859-866. Bei einer hohen Relapsrate war eine koloskopische Implantation die effektivste Form der Einbringung. (6)Ann Intern Med. 2016 Nov 1;165(9):609-616. doi: 10.7326/M16-0271. Inzwischen werden auch zur Prophylaxe eines erneutem Befalls (hohe Relapsrate) fekale Mikrobota-Transplantationen gesunder Spender eingesetzt. Eine in Kapseln verpackte Präparation von Firmicutes-Sporen führte in 88% zu einer Vermeidung eines Relapses (erneutes Auftreten der Kolitis). (7)Lancet Microbe. 2022 May;3(5):e334. doi: 10.1016/S2666-5247(22)00096-9.

Vorbeugung

In jedem Fall ist eine restriktive Indikationsstellung für eine antibiotische Therapie sinnvoll und geboten.

Probiotika: Eine Prophylaxe mit Probiotika (z. B. Saccharomyces boulardii oder Lactobacillus rhamnosus) senkt nach einer Metaanalyse von Studien in Kliniken die Rate an Antibiotika assoziierter Diarrhö und Clostridium difficile-Infektionen. (8)Open Med. 2013 May 28;7(2):e56-67. Eine Cochrane-Analyse bestätigte einen mäßigen positiven Effekt. (9)Cochrane Database Syst Rev. 2019 Apr 30;4(4):CD004827. DOI: 10.1002/14651858.CD004827.pub5. PMID: … Continue reading

Smart probiotics: Die Suche nach geeigneten Bakterienstämmen führte zu unkonventionellen “smart probiotics”. Dazu gehören:  Akkermansia muciniphila, Faecalibacterium prausnitzii, Bacteroides fragilis sowie Mitglieder der Clostridiencluster IV, XIVa, and XVIII. Dabei muss das Problem gelöst werden, die Bakterien an der richtigen Stelle im Darm freizusetzen. (10)Front Microbiol. 2017 Sep 29;8:1889. doi: 10.3389/fmicb.2017.01889.

Fidaxomicin (Dificlir) schützt nach einer C.-difficile-Infektion laut einer Studie in 88 % (vs. 60 %) vor einem Wiederaufflammen der Kolitis (Relaps). (11)Int J Infect Dis. 2021 Feb;103:226-233. DOI: 10.1016/j.ijid.2020.11.004.   (12) N Engl J Med. 2022 Jan 20;386(3):220-229. DOI: 10.1056/NEJMoa2106516


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Verweise

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