Colitis ulcerosa – eine chronische Entzündung des Dickdarms

Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Dickdarms mit häufig schubartigem Verlauf. Die Krankheit kann leicht verlaufen, aber auch komplikationsreich mit Fernwirkungen auf viele Organe und funktionelle Systeme des Körpers (extraintestinale Manifestationen). Es besteht bei anhaltender entzündlicher Aktivität ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs. Bei der Behandlung wird eine endoskopische Heilung (normale Schleimhaut bei endoskopischer Sicht) angestrebt.

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Endoskopisches Bild einer akut entzündeten Darmschleimhaut mit Schleimschlieren

Die Colitis ulcerosa ist eine chronische entzündliche Darmkrankheit, die

  • sich auf das Kolon und dort auf die Schleimhaut (Mukosa) beschränkt,
  • häufig bereits im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter beginnt,
  • schubweise fortschreitend (progredient) verläuft,
  • klinisch durch schleimige und häufig blutige Durchfälle (Diarrhö) gekennzeichnet ist und
  • vielfach Krankheitsmitbeteiligungen außerhalb des Darms (extraintestinale Manifestationen, z. B. an Gelenken, Haut, Augen und Leber) aufweist.

Ursache und Entstehung:

Eine genetische Empfänglichkeit fördert die Entstehung. Entscheidende Auslöser sind Darmkeime (das Mikrobiom des Darms). Der Verlauf ist sehr unterschiedlich: akut und heftig, chronisch-rezidivierend (schubartig) oder schleichend.

Verlauf:

Die Verläufe sind im Schweregrad individuell sehr unterschiedlich.

  • Schleichende Verläufe: leichte und seltene Schübe, die anfangs von einer Colitis im Sinne eines Morbus Crohn sogar schwierig zu differenzieren sind (Colitis indeterminata).
  • Akute und häufig aufflammende Entzündungen: schwerer schubartiger Verlauf mit Bauchschmerzen und blutigen Durchfällen.
  • Alle möglichen Verläufe dazwischen ohne oder mit verschiedenen Begleitkrankheiten außerhalb des Darms (extraintestinale Manifestationen).

Bei leichten Verläufen ist die Darmentzündung meist nahe am Darmausgang im Bereich des Enddarms gelegen (Proctitis ulcerosa); bei schweren dehnen sie sich oft (nicht immer) immer weiter nach oben (proximal) und schließlich auf den gesamten Dickdarm (Kolon) aus.

Schwere Schübe können einen Blutverlust mit transfusionsbedürftiger Anämie hervorrufen. Auch können sie mit bakteriellen und viralen Begleitinfektionen einhergehen, die eine Therapie oft schwierig machen, vor allem, wenn die Infektionen nicht rechtzeitig erkannt werden. Das sich daraus entwickelnde “toxische Megakolon” hat eine hohe Mortalität (Sterberate).

Diagnostik:

Anlass für eine Diagnostik ist meist die Angabe dünner, schleimiger und/oder blutiger Stühle. Der Nachweis einer Dickdarmentzündung (Kolitis) sowie ihrer Ausdehnung erfolgt durch Darmspiegelung und Untersuchung von Gewebeproben (Histologie).

Symptome an anderen Stellen des Körpers (Gelenkbeschwerden, Erhöhung von Leberwerten, Hautentzündungen, Augenentzündungen) können als “extraintestinale Manifestationen” der Colitis ulcerosa gedeutet werden.

Zur Diagnostik siehe hier.

Therapie:

Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad und beinhaltet antientzündlich wirkende Medikamente und diätetische Maßnahmen.

Primär stützt sich die Behandlung auf Mesalazin, bei mittelschweren und schweren Verläufen zudem auf Glukokortikoide (Kortisonpräparate) und Azathioprin. Biologika (wie Infliximab oder Adalimumab)  werden bei mittelschweren und schweren, sowie bei steroidrefraktären Verläufen und Komplikationen eingesetzt. Diätetische Maßnahmen wirken günstig. Enzymhemmer wie Tofacitinib scheinen eine neue Therapieoption darzustellen.

Die fäkale Mikrobiota-Transplantation und die probiotische Nahrungsergänzung sind inzwischen gut etablierte Behandlungsoptionen geworden.

Zur Therapie siehe hier.

Verlaufskontrollen:

Eine gute Aussage über der Therapieverlauf ermöglichen bereits Anamnese und körperlicher Untersuchungsbefund:  Zahl der Stühle, Stuhlbeschaffenheit, Bauchschmerzen, extraintestinale Manifestationen. Über die Darmsonographie sowie über Laborkontrollen (vor allem: Entzündungsmarker inkl. fäkalem Calprotectin, Anämie-Parameter) lässt sich der aktuelle Zustand objektivieren. Endoskopische Kontrollen können dadurch auf das Nötigste reduziert werden.

Bei Verläufen mit chronisch rezidivierenden Entzündungen steigt nach 10-15 Jahren das Darmkrebsrisiko. Ab dann sollten in regelmäßige Abständen (z. B. jährlich) Vorsorgekoloskopien durchgeführt werden.

Colitis ulcerosa – einfach erklärt.
Colitis ulcerosa in Bildern


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Epidemiologie, Häufigkeit

Inzidenz: Es wird mit etwa 5-10 Neuerkrankungen pro Jahr und 100.000 Einwohner gerechnet.
Prävalenz: In der westlichen Welt wurde eine Prävalenz von 214 Erkrankungen pro 100000 Einwohner ermittelt. (1)Inflamm Bowel Dis. 2007 Mar; 13(3):254-61 In Europa wird die Inzidenz mit 24,3 pro 100.000 Personenjahre für die Colitis ulcerosa angegeben. (2)Int J Clin Exp Med. 2015 Dec 15;8(12):22529-42

Zunahme der Häufigkeit: Die Häufigkeit nimmt weltweit zu, was auf die Ausbreitung westlichen Lebensstils (mit Einfluss von Rauchen, minderer Hygiene, Mikroorganismen, Appendektomie (Blinddarmoperation), Medikamenten Ernährung, Stress), insbesondere auf die Verbreitung westlicher Ernährung (auch in Entwicklungsländern) zurückgeführt wird. (3)Int J Clin Exp Med. 2015 Dec 15;8(12):22529-42 (4) 2018 Dec 23;390(10114):2769-2778. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32448-0

Geschlechtsverteilung: Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.

Erstmanifestationsalter: Es liegt meist zwischen 20 und 40 Jahren, ein zweiter kleiner Gipfel liegt jenseits 60 Jahren.

Unterschiede ethnischer Gruppen: Weiße erkranken häufiger als Schwarze, was mit der “westlichen Ernährung” (hochprozessierte, ballaststoffarme Nahrungsmittel) in Verbindung gebracht wird. Da westliche Ernährung in afrikanischen Ländern zunimmt, steigt auch dort die Inzidenz. (5)Int Health. 2020 May 1;12(3):222-230. DOI: 10.1093/inthealth/ihaa005.

Entstehung

Das Verständnis der Entstehung (Ätiologie und Pathogenese) ist für die Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten von Bedeutung.

Die Colitis ulcerosa ist wie auch der Morbus Crohn eine autoentzündliche Erkrankung. Sie tritt familiär gehäuft auf. Es wird angenommen, dass die übersteigerte entzündliche Reaktion der Schleimhaut durch eine veränderte Wechselwirkung der Schleimhaut mit den Bakterien des Darms, dem Mikrobiom, zustande kommt. (6)N Engl J Med. 2009 Nov 19;361(21):2066-78

Zentral ist eine Dysregulation der Schleimhautbarriere. In das Wechselspiel zwischen Mikrobiom des Darms und Schleimhaut greifen auch Bakteriophagen ein. Die natürliche Toleranz der Schleimhaut gegenüber der normalen Darmflora ist bei der Erkrankung durchbrochen und die Schleimhautbarriere durchlässig geworden. Bakterien können in die Schleimhaut eindringen und dort Toxine (Giftstoffe) entlassen, die im Körper Entzündungsreaktionen hervorrufen. Als Ausdruck der Abwehr finden sich im Blut vermehrt Entzündungsvermittler (Mediatorstoffe) und Antikörper gegen bakterielle Antigene. (7)Gastroenterology. 2022;162:1602–1616.e6. doi: 10.1053/j.gastro.2021.12.288.  (8)Microorganisms. 2022 Jul 7;10(7):1371. DOI: 10.3390/microorganisms10071371. PMID: 35889090

Genetische Prädisposition: Die Untersuchungen zur genetischen Grundlage haben den Fokus auf Chromosom 6p21 gelenkt. (9)Gastroenterology. 2011 May;140(6):1704-12 Es wurden Veränderungen in Genen gefunden, die die Schleimhautbarriere für Bakterien aufrechterhalten (ECM1, CDH1, HNF4 und Laminin B1) und die für die Leukozytenwanderung in Entzündungsgebiete verantwortlich sind.

Im Gegensatz zum Morbus Crohn spielt eine Veränderung der NOD2-geregelten Autophagie bei der Colitis ulcerosa keine Rolle.

Genomweite Assoziationsstudien erbrachten Risikoloci auf den Chromosomen 1p36 und 12q15. (10)Nat Genet. 2009 Feb;41(2):216-20. doi: 10.1038/ng.275 Eine entsprechende Studie an Afroamerikanern erbrachte den Hinweis auf 9 Risikoloci (11)Gastroenterology. 2017 Jan;152(1):206-217.e2. doi: 10.1053/j.gastro.2016.09.032, an Japanern auf das IL23R p.G149R-Gen. (12)Inflamm Bowel Dis. 2020 Jul 17;26(8):1177-1187. doi: 10.1093/ibd/izaa033

Inzwischen zeigen genomweite Assoziationsstudien eine Assoziation von mehr als 200 Loci mit einer IBD-Suszeptibilität (Empfänglichkeit für entzündliche Darmkrankheiten) auf. Die Aktivität der Suszeptibilitätsgene wird durch epigenetische Mechanismen reguliert, die wiederum von Faktoren des Lebensstils und von Umweltfaktoren abhängen. (13)PLoS One. 2018 Mar 16;13(3):e0194036. doi: 10.1371/journal.pone.0194036

Die Vielfalt der möglichen genetischen Prädispositionen erklärt vermutlich die verschiedenen Verlaufsformen der Colitis ulcerosa.

Beteiligte Faktoren

Entzündungsmediatoren: Bei der Auslösung der Entzündung sind Mediatorstoffe von Bedeutung; insbesondere sind es  Interleukine (proinflammatorische und inhibitorische IL), Prostaglandine mit Thromboxan und Leukotriene. (14)Autoimmun Rev. 2022 Mar;21(3):103017. DOI: 10.1016/j.autrev.2021.103017

Veränderungen in Signalwegen: Bei der Colitis ulcerosa finden sich auch genetische Veränderungen des Interleukin-23-Signalwegs, die zur Assoziation mit einer Psoriasis und einer ankylosierenden Spondylitis (Morbus Bechterew) prädisponieren. (15)Gastroenterology. 2011 May;140(6):1704-12

Eine Veränderung im Interleukin-10 (IL10) Signalweg scheint von zentraler Bedeutung für die Entzündungsbereitschaft zu sein, und das erhöhte Risiko für Darmkrebs scheint mit E-Cadherin zusammenzuhängen. (16)PLoS One. 2013 Nov 13;8(11):e80602. doi: 10.1371/journal.pone.0080602.

Eine inadäquate Überproduktion des Transkriptionsfaktors NF-kappaB p65 spielt bei der Entwicklung der Chronizität des Colitis ulcerosa eine Rolle. Eine medikamentöse Unterdrückung seiner Aktivität wird als ein therapeutisches Ziel angesehen. (17)World J Gastroenterol. 2005 Mar 28;11(12):1759-63 In dieser Beziehung wirksame Verbindungen sind Sulfasalazin und Curcumin. (18)Planta Med. 2013 Jan;79(2):102-9

Immunsystem

Autoantikörper gegen Integrine: Bisher waren keine diagnostisch verwertbaren Autoantikörper gefunden worden, denen auch eine bedeutsame Rolle bei der Entstehung der Colitis ulcerosa zugeschrieben werden konnten. Erst 2021 wurden in einer Untersuchung Autoantikörper gegen Integrine gefunden (Anti-Integrin αvβ6), die bei 92 % der Patienten mit C. u. und nur bei 5,2 % der Kontrollen nachweisbar waren. Der Titer korrelierte mit der Krankeitsaktivität. (19)Gastroenterology. 2021 Jun;160(7):2383-2394.e21. DOI: 10.1053/j.gastro.2021.02.019. Das Anti-Integrin-αvβ6 geht der klinischen Diagnose einer C. u. bis zu 10 Jahre voraus. (20)Gastroenterology. 2023 Apr;164(4):619-629. doi: 10.1053/j.gastro.2022.12.042 Integrine verbinden die Zellen mit dem umgebenden Gewebe (Adhäsionsmoleküle zur Matrix) und fungieren auch als Übermittler von Signalen.

Einfluss der Ernährung

Der Einfluss der Ernährung auf die bakterielle Zusammensetzung (Mikrobiom) des Darminhalts und dessen Einfluss auf das Entzündungsgeschehen in den Darmschleimhaut wird zunehmend erforscht. Es wird angenommen, dass eine geeignete Zusammensetzung der Nahrung zu einer günstigen Beeinflussung des Mikrobioms, der Schleimhautabwehr und des Immunsystems führt (s. u.). (21)World J Gastroenterol. 2014 Nov 14;20(42):15657-63. doi: 10.3748/wjg.v20.i42.15657. (22)Front Immunol. 2017 Nov 28;8:1674. doi: 10.3389/fimmu.2017.01674. eCollection 2017. Probiotika beispielsweise können das Darmmikrobiom so beeinflussen, dass eine Reduktion der Entzündungsparameter erreicht werden kann. (23)World J Gastroenterol. 2018 Jan 7;24(1):5-14. DOI: 10.3748/wjg.v24.i1.5.

Einfluss der Darmflora

Die Darmflora hat sich mit dem Menschen in einer Koevolution mitentwickelt. Im gesunden Zustand besteht ein Gleichgewicht zwischen Abwehr und Toleranz gegenüber den Darmbakterien.

Eine Immunschwäche führt zu einer erhöhten Entzündungsbereitschaft. Überwiegen die aggressiven Angriffe, so kommt es zu einer Schleimhautzerstörung und bakteriellen Invasion, die nicht abgewehrt werden kann. Es kommt zu einer andauernden Entzündung ohne Abwehrerfolg. Diese bewirkt wiederum eine Veränderung des Milieus im Darm und der Schleimhaut, die es pathogenen Keimen (Krankheitserregern) erlaubt, sich auszubreiten und den Entzündungsprozess weiter anzuheizen.

Wenn die Schleimhaut aus einem beliebigen Grund geschädigt wird, so ist bei einer entsprechenden Veranlagung (siehe zur Genetik oben) das Risiko einer fortdauernden Entzündung erhöht.

So erklärt sich, dass in der Folge einer ansonsten “harmlosen” Durchfallerkrankung durch Schädigung der Schleimhaut ein erhöhtes Risiko für die Auslösung einer Colitis ulcerosa besteht.

Veränderungen des Mikrobioms

Die Bakterienflora des Darms (Mikrobiom) ist bei Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit qualitativ und quantitativ verändert. Jede intestinale Entzündung führt (unabhängig vom NOD2/CARD15-Status) zu einer Verminderung kommensaler Bakterien. (24)Gut. 2004 May; 53(5):685-93 Bei der Colitis ulcerosa sind die Gruppen 14a und 4 der Firmicutes-Stämme vermindert und die Proteobakterien vermehrt. (25)Proc Natl Acad Sci U S A. 2007 Aug 21; 104(34):13780-5. Speziell die Butyrat-produzierenden Roseburia hominis und Faecalibacterium prausnitzii nehmen quantitativ ab und zwar in umgekehrter Relation zur Krankheitsaktivität. (26)Gut. 2014 Aug;63(8):1275-83. doi: 10.1136/gutjnl-2013-304833.

Bei Kindern wurden “adherent-invasive Coli-Bakterien” (AIEC) charakterisiert, die bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten in die Schleimhaut des Darms eindringen und dort in Makrophagen überleben können. Sie erhöhen die Bildung von Entzündungsmediatoren (der Entzündungsmediatoren TNF-alpha und Interleukin-8 (IL8)) und schädigen die epitheliale Barrierefunktion. (27)Inflamm Bowel Dis. 2012 May;18(5):913-24 Die Dichtigkeit der Darmschleimhaut nimmt ab und bakterielle Gifte (endogene Toxine) können leichter in die Darmwand und den gesamten Körper eindringen.

Mikrobiom des Darms als therapeutisches Ziel

Das Mikrobiom des Darms ist ins Zentrum auch therapeutischer Überlegungen gerückt, da es direkten Einfluss auf die Immunreaktionen in der Darmschleimhaut und im gesamten Körper ausübt. Es wird durch die Ernährung entscheidend beeinflusst, so dass die Überlegungen dahin gehen (28)World J Gastroenterol. Mar 28, 2017; 23(12): 2124-2140  Published online Mar 28, 2017. doi: … Continue reading,

  • dass die Veränderungen der Ernährungssituation hin zu westlicher Ernährung zur Ausbreitung der entzündlichen Darmkrankheiten beiträgt,
  • dass über eine geeignete Umstellung der Ernährung ein heilender Einfluss auf den Verlauf der Erkrankungen zu erzielen sei.

Insbesondere der Einfluss der Mikronährstoffe (die großenteils nicht auf den Verpackungen deklariert sind) ist in das Blickfeld der Forschung gerückt.

Zur Darmflora siehe hier.

Risikofaktoren

Die Colitis ulcerosa (C.u.) ist assoziiert mit Rauchen, diätetischen Faktoren, Stress. Insgesamt scheinen Faktoren des westlichen Lebensstils die Entstehung zu begünstigen. Eine “Hygiene-Hypothese” legt nahe, dass zunehmende Hygiene und abnehmende Erreger-Exposition in der Kindheit zu einer mangelhaften Ausformung des Immunsystems und damit zu einer verminderten Abwehr gegenüber Darmbakterien führt (ähnlich zu einer erhöhten Asthmabereitschaft). Auch sollen orale Kontrazeptiva und nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR), wenn sie häufig eingenommen werden, ein erhöhtes Risiko darstellen. Pathogene Darmkeime können als Auslöser fungieren. (29)Dig Dis. 2016;34 Suppl 1:48-55. doi: 10.1159/000447283

Ernährungsgewohnheiten sind als Risikofaktoren inzwischen unstrittig.

Bei Colitis-Patienten ist der Kohlenhydrat- und Proteinanteil in der Nahrung höher als in der Kontrollbevölkerung. (30)Eur J Gastroenterol Hepatol. 1995 Jan;7(1):47-51 Unter den Nahrungsbestandteilen wurden bei vermehrtem Konsum in einer Studie weitere positive Assoziationen mit der Erkrankung gefunden:

  • Sucrose mit einem OR 2,85
  • tierisches Fett mit einem OR von 4,09
  • Cholesterin mit einem OR von 4,57

Laktose war nicht, Fruktose und Gemüse negativ assoziiert. (31)Gut. 1997 Jun;40(6):754-60 In einer weiteren Untersuchung wird gezeigt, dass der Genuss von

  • Soft-Drinks (mit hohem Zuckergehalt) das Risiko einer C.u. erhöht (RR 1,69),
  • Kaffee und Tee dagegen erniedrigt (RR 0,58 und 0,69). (32)Medicine (Baltimore). 2017 Dec;96(49):e9070. doi: 10.1097/MD.0000000000009070.

In einer japanischen Studie wurde eine negative Assoziation der C.u. mit der Einnahme von Vitamin C (OR 0,45) gefunden. (33)Inflamm Bowel Dis. 2005 Feb;11(2):154-63

Pathologie

Die Schleimhautentzündung einer floriden Colitis ulcerosa beginnt meist im Enddarm als Proktitis, Proktosigmoiditis und Linkskolitis. Sie kann sich nach proximal hin bis hin zur Pankolitis ausbreiten. Das Rektum kann dabei gelegentlich ausgespart sein. Die Ausbreitung erfolgt kontinuierlich und nicht fleckförmig (wie beim Morbus Crohn).

Typisch für die Colitis ulcerosa sind oberflächliche Ulzerationen mit spontanen Blutungen. Bei chronischem Verlauf mit multiplen Schüben kommt es zur Aufhebung der Haustrierung und zur Verkürzung des Kolons (Fahrradschlauchkolon). Es bilden sich bei lang dauernder schwerer Entzündung durch lokale Regenerationen eine Hyperregeneration von Schleimhautinseln aus, die polypös imponieren und als Pseudopolypen bezeichnet werden.

Im Falle einer sehr ausgeprägten Entzündung des Kolons kommt es zur Ausbildung eines stark dilatierten toxischen Megakolons mit Perforationsgefahr.

Wenn die Bauhin´sche Klappe entzündet ist, wird sie undicht, und es kommt zum Reflux von Koloninhalt ins terminale Ileum und damit zur Refluxileitis („Back-wash-Ileitis“).

Histologisch findet sich eine Entzündung der Mukosa mit Granulozyten, Eosinophilen, Plasmazellen und Makrophagen) mit oberflächlichen Ulzerationen und typischen Kryptenabszessen. Die Dichte der Becherzellen nimmt ab. Im Gegensatz zum Morbus Crohn kommt es nicht zu einer entzündlichen Durchsetzung der gesamten Darmwand, und es finden sich keine Epitheloidzellgranulome.

Erscheinungsbild

Symptome

Die subjektiven Beschwerden werden bestimmt durch die dünnen, schleimigen und blutigen Stühle, seltener durch Schmerzen. Später kommt eine durch die Blutungsanämie bedingte Schlappheit und Leistungsinsuffizienz hinzu.

„Extraintestinale Manifestationen“ können frühzeitig zum Beschwerdebild beitragen: Gelenkbeschwerden, Augensymptome (Episkleritis, Uveitis), Hautsymptome (Pyoderma gangränosum).

Symptome einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC), die die gefürchtetste Komplikation darstellt, umfassen Ikterus, Juckreiz, rezidivierende eitrig-fiebrige Gallenwegsentzündungen (Cholangitiden) und die Leberzirrhose mit ihren Symptomen).

Krankheitsaktivität

Die Krankheitsaktivität wird durch klinische und laborchemische Befunde zusammengesetzt und im Wesentlichen beurteilt nach:

Der Kolitis-Index nach Walmsley (34)Gut 1998; 43: 29-32 schätzt die Schwere der Erkrankung nach 5 klinischen Kriterien ab: Stuhlfrequenz, Stuhldrang, Blut im Stuhl, allgemeines Befinden und extraintestinale Manifestationen.

Die Montreal-Klassifikation und der ECCO-Konsensus (35)Journal of Crohns and Colitis March 2008; 2: 1-23 bewertet die Aktivität der Colitis ulcerosa folgendermaßen:

  • leicht (S1): täglich bis 4 durchfällige, nicht blutige oder blutige Stühle ohne pathologische Erhöhung von Puls, Temperatur oder Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und ohne Erniedrigung des Hämoglobins im Blut.
  • mittelschwer (S2): täglich 4-6 blutige Stühle ohne pathologische Erhöhung von Puls, Temperatur oder Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und ohne Erniedrigung des Hämoglobins im Blut.
  • schwer (S3): täglich mehr als 6 blutige Stühle und eins oder mehrere folgender Kriterien im pathologischen Bereich: Puls, Temperatur oder Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und ohne Erniedrigung des Hämoglobins im Blut.

Remission

Eine klinische Remission (Normalisierung der Krankheitsaktivität) ist gekennzeichnet durch nicht mehr als 3 Stühle pro Tag ohne Anzeichen einer systemischen Beteiligung und ohne Entzündungsparameter.

Therapieziel ist eine mukosale Heilung. Eine klinische Remission besteht schon bei einer Reduktion der Symptomatik auf eine normale Stuhlfrequenz; sie ist nicht gleichbedeutend mit einer Entzündungsfreiheit der Schleimhaut. Diese lässt sich nur endoskopisch und ggf. histologisch nachzuweisen. Erst eine Entzündungsfreiheit bedeutet eine bedeutende Abnahme des Risikos für neue Entzündungsschübe. Sie lässt sich durch eine Darmsonographie mit Nachweis einer nicht verdickten Kolonwandung und ggf. durch eine zusätzliche Endoskopie nachweisen. Eine Restsymptomatik, die durch ein Reizdarmsyndrom (ohne Schleimhautentzündung) bedingt sein kann, sollte jedoch nicht zu einer unangemessenen Weiterbehandlung verleiten.

Diagnostik

Die Diagnostik der Colitis ulcerosa stützt sich auf die Beschwerden und auf technische Untersuchungen. Blutige Durchfälle bei jungen Menschen sind ein wichtiges Symptom, dass an diese Diagnose denken lassen muss. Sie sind Anlass für eine Darmspiegelung, die in der Regel die Diagnose rasch ergibt.

Ziele der Diagnostik sind

  • die Diagnose selbst
  • die Floridität der Entzündung
  • die Ausbreitung der Kolitis
  • die extraintestinalen Manifestationen

Damit kann die weitere Diagnostik sehr differenziert und umfangreich verlaufen.

Zur Diagnostik siehe hier.

Verlauf

Die Colitis ulcerosa kann sehr unterschiedlich verlaufen. Das Spektrum reicht von

  • mildem Verlauf mit lediglich peranalem Schleimabgang oder leichten Durchfällen (Stuhlfrequenz 3-4/d) und jahrelangen beschwerdefreien Intervallen über
  • mittelschweren Verlauf (Stuhlfrequenz 5-10/d) bis hin zu
  • schwerem Verlauf mit akuten, hoch floriden Schüben mit massiven Diarrhöen (Stuhlfrequenz >10/d) und starken Blutungen und

Verlauf in Schüben: Die Colitis ulcerosa verläuft in der Regel schubweise. Das kumulative Rezidivrisiko nach Erstdiagnose steigt kontinuierlich; nach 1 Jahr erreicht es annähernd 50%, d.h. innerhalb eines Jahres erleiden etwa 50% der Betroffenen ein Rezidiv.

Proctitis ulcerosa: Manche Verläufe betreffen nur eine Entzündung des Enddarms (Proctitis ulcerosa). Sie lassen sich lokal durch Klysmen oder Rektalschäume (mesalazin- oder budesonidhaltig) therapieren und sind prognostisch günstig. Je ausgedehnter der Befall ist, desto ungünstiger verläuft meist die Krankheit. Je schwerer sie verläuft, desto häufiger leiden die Betroffenen auch unter extraintestinalen Manifestationen (Begleitkrankheiten, wie “Rheuma”, Hautentzündungen, Augenentzündungen).

Leichte Schübe: Leichte Schübe können auch ohne Therapie verschwinden. Vorübergehende peranale Schleim- oder Blutabgänge werden häufig erst nach Jahren, wenn sich das Vollbild der Colitis ulcerosa ausgebildet hat, retrospektiv als erste Schübe eingeordnet.

Schwerer Verlauf: Der Beginn der Erkrankung mit einem schweren Schub bedeutet ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf und eine später notwendig werdende Kolektomie. Eine linksseitige Kolitis geht später in etwa 70% in eine Pankolitis über. Gelenkbeteiligungen scheinen einen negativen prognostischen Faktor darzustellen. Schwer therapierbare Schübe sollten bezüglich einer gleichzeitigen Infektion mit Cytomegalievirus (CMV) untersucht werden (36)Exp Ther Med. 2016 Nov;12(5):3287-3293; oft lässt sich eine Besserung der Darmentzündung erst nach Therapie der Virusinfektion (z. B. mit Ganciclovir) erzielen. (Siehe hier.)

Toxisches Megakolon: Das toxische Megakolon kann sich aus einem akuten Schub entwickeln. Dabei kommt es zu einer Lähmung der Darmwand mit Ileus, das Darmlumen wird durch Darmgase gedehnt und erweitert sich maximal; es besteht Perforationsgefahr. Diese hochakute Komplikation lässt sich meist nur durch eine operative Entfernung des Dickdarms (Kolektomie) beherrschen. Dazu siehe hier.

Krebsrisiko: Bei schwerem Verlauf mit rezidivierenden Schüben steigt nach etwa 10-15 Jahren das Karzinomrisiko deutlich an, und zwar nicht nur für das kolorektale sondern auch für das cholangioläre Karzinom und für ein Dünndarmkarzinoid, das Pankreaskarzinom, den Brustkrebs und ein Non-Hodgkin-Lymphom. (37)Int J Cancer 2008: 123: 1417-1421 Patienten mit Colitis ulcerosa und PSC haben ein deutlich erhöhtes Karzinomrisiko, speziell für ein Gallengangskarzinom.

Verlauf nach Lebertransplantation: Die einer Colitis ulcerosa (C. u.) assoziierte PSC (primär sklerosierende Cholangitis) kann zur Leberzirrhose und einer Transplantationsindikation führen. Nach Lebertransplantation (LTX) kann die Colitis schwerer verlaufen. Bei einigen Patienten mit PSC und ohne C. u. entwickelt sich nach LTX und unter Immunsuppression eine Colitis ulcerosa neu. Die Colitis ulcerosa prädisponiert vor allem in Kombination mit einer PSC zu einem Knochenabbau (Osteopenie), aber in geringerem Maße als der Morbus Crohn.

Darmkrebsrisiko

In einer Metaanalyse 2001 von verschiedenen Studien zur Darmkrebshäufigkeit bei Colitis ulcerosa wurde eine kumulative Darmkrebsrate von 2% nach 10 Jahren, 8% nach 20 Jahren und 18% nach 30 Jahren gefunden (38)Gut. 2001 Apr; 48(4):526-35. Eine weniger ausgeprägte Erkrankung zeigte in einer anderen Studie ein geringeres Risiko (39)N Engl J Med. 1990 Nov 1;323(18):1228-33.

In einer Studie von 2006 wurde keine Assoziation gefunden außer in einer Subgruppe mit ausgeprägter Colitis. (40)Gastroenterology. 2006 Apr; 130(4):1039-46 Eine neuere Metaanalyse fand einen 2,4-fachen Anstieg des Risikos für Darmkrebs nach einer 14-jährigen Beobachtungszeit. Das absolute Risiko errechnete sich zu 1,15% nach 15 Jahren, 1,7% nach 20 Jahren und 2,6% nach 25 Jahren. (41)Clin Gastroenterol Hepatol. 2012 Jun; 10(6):639-45 Demnach scheint das Darmkrebsrisiko im Laufe der Jahre abgenommen zu haben.

Derzeit gilt besonders die Gruppe derjenigen Colitis-ulcerosa-Patienten als besonders Darmkrebs-gefährdet, die eine langdauernde Erkrankung mit unkontrollierter Entzündung durchlaufen. (42)World J Gastroenterol. 2013 Nov 21;19(43):7561-8

Die European Crohn´s and Colitis Foundation (ECCO) empfiehlt in ihrer Leitlinie 2008 zur Darmkrebsprophylaxe bzw. Früherkennung (43)Journal of Crohns and Colitis March 2008; 2: 1-23 eine Vorsorgekoloskopie bei subtotaler bis totaler Kolitis nach 8-10 Jahren Laufzeit, bei Linkskolitis 15 Jahre nach Diagnosestellung, anschließend alle 2 Jahre. Dabei werden nicht nur verdächtige Bezirke biopsiert, sondern auch in normal erscheinenden Schleimhautabschnitten Gewebeproben (Random-Biopsien) entnommen; alternativ kann die Chromoendoskopie mit Methylenblau angewendet werden. Eine Metaanalyse von Studien besagt, dass eine endoskopische Überwachung das Risiko von Darmkrebs bei Colitis ulcerosa und Crohn-Kolitis von 3,2% (Gruppen ohne Überwachung) auf 1,8% senkte. (44)Am J Gastroenterol. 2018 Dec;113(12):1801-1809. doi: 10.1038/s41395-018-0354-7

Um häufige Spiegelungen zu vermeiden, werden Tests ausgearbeitet, die über eine molekulargenetische Analyse des Stuhls Krebs im Anfangsstadium erkennen zu können. (45)Therap Adv Gastroenterol. 2013 Sep;6(5):371-80 (46)Clin Transl Med. 2022 Feb;12(2):e683. DOI: 10.1002/ctm2.683.

Manifestationen

Die häufigsten Mitbeteiligungen extraintestinaler Organe und Strukturen bei der Colitis ulcerosa sind: (47)Gastroenterol Hepatol (N Y). 2011 Apr;7(4):235-41

Es gibt eine Reihe weiterer Manifestationen oder Mitbeteiligungen, deren Assoziation weniger eng ist, wie beispielsweise solche

  • an den Lungen (z. B. karnifizierende Pneumonie) oder
  • an den Nieren (sekundäre Amyloidose, Nierensteine).

Die Behandlung dieser Manifestationen entspricht nicht immer der der floriden Colitis ulcerosa sondern bedarf gesonderter Maßnahmen.

Therapie

Therapieziel ist die Normalisierung der Schleimhaut.

Standardtherapie: Die Behandlung der Colitis ulcerosa hat die Beherrschung der Entzündung und ihrer Komplikationen zum Ziel. Zu den Medikamenten, die bei leichten und mittelschweren Verläufen zum Einsatz kommen, gehören Kortison-Präparate und Azathioprin. Mittelschwere und schwere Verläufe, die auf diese Medikation nicht ausreichend ansprechen, kommen für den Einsatz von Biologika, wie Infliximab oder Adalimumab, in Betracht.

Weitere Therapieoptionen: In schweren Fällen kommen weitere JAK-Hemmer, wie Tofacitinib oder Upadacitinib, in Betracht. (48)J Crohns Colitis. 2021 Dec 18;15(12):2022-2030. doi: 10.1093/ecco-jcc/jjab099

Diät: Die Behandlung in der Phase eines Schubs und auch die Remissionsphase sollte durch diätetische Maßnahmen unterstützt werden: mehr Ballaststoffe, weniger Kohlenhydrate, speziell weniger Zucker und Stärke, weniger tierisches Fett, kein rotes Fleisch, keine Milch.

Zur Therapie siehe hier.


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Verweise

Fachinfos

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