Azathioprin

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Azathioprin ist ein Medikament, das insbesondere bei Autoimmunkrankheiten zur Ergänzung und zur Einsparung von Kortisonpräparaten eingesetzt wird.

Bioverfügbarkeit

Azathioprin ist ein Prodrug (Medikamentenvorstufe) und wird in der Leber zu 6-Mercaptopurin metabolisiert. Dieses wirkt hemmend auf die Bildung von Kernmaterial (Nukleotide, DNA und RNA) als Purinantagonist.

  • Bioverfügbarkeit: Sie liegt nach oraler Applikation bei 50 %.
  • Elimination: überwiegend hepatisch, nur 1 – 2 % unverändert über die Nieren.

Biochemie

Azathioprin wird im Körper zu über 80 % nichtenzymatisch in 6-Mercaptopurin (6-MP) umgewandelt. Dieses wird über 3 Stoffwechselwege metabolisiert, wovon einer zum aktiven Metaboliten (6-Thioganinnukleotide, 6-TGN), zwei zu inaktiven Metaboliten (Thioharnsäure und 6-Methylmercaptopurin) führen.

Bei der Verstoffwechselung spielt das Enzym Thiopurin S-Methyltransferase (TPMT, Aktivität durch Labormethoden messbar) eine zentrale Rolle; seine Aktivität ist bei ca. 90 % der Bevölkerung hoch; bei ca. 10 % ist sie mäßig oder stark herabgesetzt. Entsprechend wird Azathioprin von einigen Menschen schlecht verstoffwechselt. Dies hat die Folge einer unzuverlässigen Wirkung und starken Nebenwirkungen z. B. einer Panzytopenie 1 2 3. Es soll eine Dosisreduktion auf 1/10 der normalen Dosis angestrebt werden, die bei gleicher Wirksamkeit die Nebenwirkungen vermeidet 4 oder Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin ganz vermieden werden 5. Sicherheitshalber sollte jedoch die Indikation überprüft und ggf. auf ein alternatives Therapieprinzip übergegangen werden. Eine TPMT-Defizienz geht mit starker Myelodepression einher; wegen ihrer Seltenheit 6 ist eine TPMT-Genanalyse jedoch nicht routinemäßig vor Beginn einer Azathioprin-Therapie indiziert.

Die aktiven Metabolite wirken als falsche Bausteine bei der DNA- und RNA-Synthese. Sie hemmen die Replikation von Chromosomen, DNA-Reparaturmechanismen und die RNA-vermittelte Proteinbiosynthese. Zudem soll die Bildung einiger Zytokine gehemmt werden (IFN-gamma, TNF). Über komplexe Zusammenhänge sollen T-Lymphozyten beeinflusst werden.

Die Homöostase einer gleichbleibenden 6-TGN-Konzentration ist erst nach 2 bis 6 Monaten erreicht. Eine i.v.-Aufsättigung ist nicht vorteilhaft. Das Verhältnis dieser metabolischen Wege zueinander bestimmt das Verhältnis von Dosis zu Toxizität und Wirkung.

Metabolische Interferenzen

Erhöhte Wirkung/Toxizität von Azathioprin 7:

  • Der Weg zu Thioharnstoff wird durch Allopurinol gehemmt. Damit wird mehr über die beiden anderen Wege verstoffwechselt, was zu einer vermehrten Wirkung und Toxizität von Azathioprin führen kann. Bei unvermeidlicher Allopurinol-Medikation wird für Azathioprin eine Dosisreduktion auf 25 % angeraten. Eine optimierte Kombination von Allopurinol und Low-Dose-Azathioprin wurde zur Abstoßungsprophylaxe nach Nierentransplantation verwendet 8. Auch bei einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit kann die
  • Der Weg zu 6-Methylmercaptopurin kann aus genetischen Gründen (Schnell- und Langsam-Metabolisierer) unterschiedlich schnell gehen: 90 % der Bevölkerung metabolisieren rasch (kein langsames Allel), etwa 10 % mäßig verlangsamt (ein langsames Allel). Bei ihnen findet sich gehäuft eine arzneimitteltoxische Hepatopathie. Bei 0,3 % findet sich (zwei langsame Allele, Homozygotie) eine langsame Metabolisierung über diesen und eine vermehrte Metabolisierung über die beiden anderen Wege.

Indikationen

Azathioprin wird zur Immunsuppression und Kortikoideinsparung eingesetzt. Im gastroenterologischen Bereich haben sich folgende Indikationen ergeben:

  • Autoimmune Hepatitis: Azathioprin ist zwar wirksam und reduziert die Krankheitsaktivität (zusammen mit Prednisolon), ist aber gegenüber Mycophenolat Mofetil in Kombination mit Prednisolon nach 24 Wochen unterlegen. 9. Um eine AIH-Remission aufrecht zu erhalten, ist eine Azathioprin-Monotherapie gleich wirksam, wie eine duale Therapie mit Prednisolon 10.
  • Primär sklerosierende Cholangitis: Laut Fallberichten haben Patienten mit einer PSC auf Azathioprin günstig reagiert, selbst wenn keine Überlappung mit einer Autoimmunhepatitis vorlag 11 12.
  • Morbus Crohn[5]
    • Remissionsinduktion: Behandlungsdauer: Bei einer Therapiedauer von > 17 Wochen lag die Ansprechrate bei 53 %, die mittlere Latenz bis zum Ansprechen meist bei 3,1 Monaten. Bei 20 % lag sie bei 4 bis 7 Monaten. Die optimale Dosis liegt bei 2 bis 2,5 mg / kg KG.
    • Remissionserhaltung, wobei eine Studie eine Mindestbehandlungsdauer von 42 Monaten vorschlägt 13. Kortikoide und 5-ASA sind dagegen zur Remissionserhaltung nicht geeignet.
    • Steroideinsparung (guter Effekt)
    • Fistelbildung (mäßig guter Effekt) 14
  • Colitis ulcerosa
    • Akuter Schub: Eine Studie zeigt einen Effekt, eine weitere nicht. Damit ist eine Indikation nicht gegeben.
    • Chronischer Verlauf: guter Effekt und Steroideinsparung 15. Eine Remissionstherapie von mindestens 2 Jahren wurde vorgeschlagen 15.

Behandlungsdauer

Ein metabolisches steady-state bei der Therapie mit Azathioprin tritt erst nach 4 bis 6 Monaten ein (s. o.), sodass eine kürzere Therapiedauer bis zur Beurteilung des Erfolges wenig sinnvoll ist. Als erstrebenswerte mindeste Therapiedauer nach Remission einer IBD (CED) sind 4 Jahre vorgeschlagen worden 16.

Nebenwirkungen

Bei 10 bis 15 % finden sich folgende Nebenwirkungen:

  • Infektionsrisiko 7 – 8 % 18,
  • Eine Impfung unter Azathioprinbehandlung kann zu einer Exacerbation (Wiederaufflammen) der z. B. autoimmunen Grundkrankheit führen 19. Eine Impfung ist generell unter Immunsuppression häufig weniger effektiv 20.

Arzneimittelinteraktionen

Allopurinol erhöht die Bioverfügbarkeit von 6-Mercaptopurin bis auf das 5-fache. Daher werden eine Dosisreduktion von Azathioprin auf 1/4 und Blutbildkontrollen empfohlen. Eine optimierte Kombination von Allopurinol und Low-Dose-Azathioprin wurde für die Immunsuppression nach Organtransplantationen 21 und zur Behandlung von chronisch entzündlichen Darmkrankheiten vorgeschlagen 21.

Sulfasalazin erhöht die 6-TGN-Spiegel und führt wahrscheinlich über diesen Weg bei einer Azathioprin-Therapie häufiger zu einer Leukopenie 22.

Krebsrisiko

Nach einer Organtransplantation besteht unter einer Immunsuppression laut einige Studien ein 10-fach erhöhtes Malignomrisiko, insbesondere für Non-Hodgkin-Lymphome 23. Allerdings finden viele Studien keinen eindeutigen Zusammenhang [16], sodass das Risiko als minimal angesehen wird 16 24 25.

Die Immunsuppression bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen führt offenbar nicht zu einer erhöhten Malignomgefährdung. Unabhängig von der Azathioprinbehandlung ist in dieser Studie jedoch das Risiko bei einer Colitis ulcerosa für kolorektale Tumore erhöht gefunden worden (sodass eine indizierte Kolektomie bei Therapie mit Azathioprin nicht verzögert werden sollte) 26.

Teratogenität

Im Tierversuch wurden embryonale Fehlentwicklungen nachgewiesen, aber beim Menschen sind sie dagegen nicht gesichert. Die meisten Immunsuppressiva, darunter auch Azathioprin, gelten während der Schwangerschaft und Stillzeit sicher. Nur Mycophenolsäure sollte in der Schwangerschaft vermieden werden 27.

Verweise

Referenzen

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  2. Gastroenterology 2001; 121: 498-499[]
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