Calprotectin

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Allgemeines

Calprotectin (CP) wird als Marker zum frühen Nachweis einer Darmentzündung und von Darmkrebs verwendet. Es ist ein Protein aus besonderen weißen Blutzellen, den neutrophiler Granulozyten, und gelangt bei Entzündungen der Darmwand und bei Blutungen aus Adenomen und Darmtumoren in das Darmlumen.

Biochemie: CP ist ein kleines Protein (ein Heterodimer der beiden Calcium-bindenden Proteine ​​S100A8 und S100A9, Molekulargewicht 36 kDa, kodiert auf Chromosom 1q21). Gebildet wird es in verschiedenen Körperzellen, vor allem in weißen Blutkörperchen und Abwehrzellen des Immunsystems (Neutrophile, Monozyten, Makrophagen) sowie in Schleimhautepithelien oder nach Stimulation auch in Keratinozyten der Haut. 1

Funktionen: CP besitzt antimikrobielle Eigenschaften. Diese beruhen auf der Fähigkeit, die von Krankheitserregern benötigten Metallionen zu binden (Chelatbindung). 2 Zudem hilft es, Immun- und Entzündungsreaktionen auszulösen, und ist in dieser Funktion ein Akute-Phase-Protein. Bei entzündlichen Erkrankungen steigt der CP-Spiegel im Blut an.

Fäkales CP eignet es sich als diagnostischer Marker für Entzündungen und Tumore des Darms, die Blut in geringen Mengen in das Darmlumen entlassen. Seine Bestimmung im Stuhl (fäkales Calprotectin, FC) zeigt verborgenes Blut empfindlicher an als andere Tests (siehe unter FOBT). 3 4

Fäkales CP: Normgrenzen

In der Praxis wird meist ein FC-Grenzwert von ≥ 100 µg/g verwendet. Werte darüber sprechen gegen ein Reizdarmsyndrom. 5

In Studien wird häufig ein FC-Wert von ≥ 50 µg/g als obere Grenze gewertet, ab der ein Tumorverdacht geäußert wird. 6 7

Die Normgrenzen der einzelnen Labors sind zu beachten.

Fäkales Calprotectin als Marker für IBD

Calprotectin (CP) ist ein kalziumbindendes Protein (S100-Proteinkomplex der Familie A8/A9), das im Zytoplasma von Granulozyten und Monozyten des Darmepithels vorkommt. 8

CP gelangt bei hoher entzündlicher Aktivität von chronisch entzündlichen Darmkrankheiten (inflammaroty bowel disease, IBD) ins Darmlumen und kann dort als Entzündungsmarker dienen. 9 Bei floriden Schüben einer Colitis ulcerosa und eines Morbus Crohn findet es sich im Stuhl relativ gleich verteilt, sodass aus dem Ergebnis einer Stuhlprobe auf den gesamten Stuhl geschlossen werden kann. 10 Fäkales CP kann selektiv Entzündungen des Darmtrakts nachweisen, nicht dagegen CP im Blut. Beim Reizdarm sind die Werte im Stuhl dagegen nicht erhöht, was zur Unterscheidung von entzündlichen Darmkrankheiten  dienen kann. 11

Empfindlichkeit bei der IBD-Diagnostik

Eine Metaanalyse von 30 prospektiven Studien ergibt bei floriden Schüben einer entzündlichen Darmkrankheit eine Sensitivität von bis zu 95% und eine Spezifität von bis zu 91%. 12

Verwendung zur IBD-Therapiekontrolle

Fäkales Calprotectin ist an die Präsenz weißer Blutkörperchen (Granulozyten) gebunden, die in das Darmlumen und damit in den Stuhl (Feces) gelangen. Wenn die fäkalen Calprotectinwerte in den Normbereich zurückgehen, kann von einer Schleimhautheilung (mukosale Normalisierung) der zuvor floriden Darmentzündung ausgegangen werden. Bei einer chronisch entzündlichen Darmkrankheit bedeutet dies eine Remission. Normwerte korrelieren mit einer völligen Normalisierung der Schleimhaut. 13 14

Calprotectin im Stuhl kann daher zur Kontrolle z. B. einer Infliximab-Therapie dienen 15 und Darmspiegelungen zur Therapiekontrolle (Kontrollkoloskopien) entbehrlich machen. 16

Die Bestimmung von Calprotectin reduziert die Notwendigkeit einer Endoskopie zur Sicherung einer IBD-Aktivität laut einer Studie um 67%. 17

Unterscheidung von IBD/CED und Reizdarmsyndrom

Das Reizdarmsyndrom, das ähnliche Beschwerden wie eine chronisch entzündliche Darmkrankheit (IBD/CED) hervorruft, ist eine wichtige Differenzialdiagnose. Bei einem „Cutoff“ von 30 mg/g Stuhl soll die Sensitivität beim Morbus Crohn bei 100% und die Spezifität bei 97% im Vergleich zum Reizdarmsyndrom liegen. 18 In einer anderen Metaanalyse wurde bei einem Cuttoff von 50 μg/g eine Sensitivität von 93% und eine Spezifität von 94% gefunden. 16

Bei einer nekrotisierenden Enterokolitis wurden

Fäkales Calprotectin zur Tumorsuche

Calprotectin bei Darmkrebs

Calprotectin wird bei Patienten mit kolorektalem Karzinom (Darmkrebs) erhöht gefunden. Die Höhe der fäkalen Calprotectinwerts (FC-Wert) hängt vom Ausmaß der Mikroblutungen im Tumorbereich ab.

In einer Studie wird bei allen getesteten 62 Patienten mit Darmkrebs (bei einer Festlegung der Diskriminationsgrenze auf 10 mg/g Stuhl)

  • ein positiver Befund im Bereich von 57 bis 133 mg/g Stuhl

gefunden. Ein Teil von zufällig bei Koloskopien gefundenen Schleimhautpolypen des Darms (Adenome) bei sonst gesundem Darm war ebenfalls mit Calprotectin-Werten über 10 mg/Liter assoziiert. Calprotectin zeigt die bei Mikroblutungen in den Darm gelangten Granulozyten an. Es ist sensitiver als der fäkale okkulte Bluttest (Hämokkulttest, FOBT). 19 Nach Operation eines kolorektalen Karzinoms sinkt das fäkale Calprotectin signifikant. 20 In einer retrospektiven Studie waren die rechtsseitige Tumorlokalisation und das Tumorstadium signifikant mit einem Anstieg der fäkalen Calprotectin-Spiegel assoziiert. 21

Calprotectin bei juveniler Polyposis

In einer Studie wurden pädiatrische Patienten unter 19 Jahren mit Polyposis des Dickdarms untersucht. Nach Polypenentfernung (mittlere Polypengröße 14 mm) sank der FC-Spiegel von im Mittel 445,2 mg/kg auf 26,5 mg/kg. 22

Calprotectin beim Multiplen Myelom

In einer iranischen Studie an Patienten mit einem Multiplen Myelom, bei der als FC-Werte über 50 µg pro g Stuhl als positiv gewertet wurden, fanden sich in der Behandlungsgruppe Werte um im Mittel  301,3 µg/g, bei den Kontrollen um 36,9 µg/g. Als Begründung der erhöhten fäkalen Werte wird vermutet, dass die von den Myelomzellen produzierten Entzündungszytokine, insbesondere IL-6, eine Entzündungsreaktion im Darm anregen, bei der CP ins Darmlumen gerät. 23

Serum-CP

Im Blut zirkulierendes CLP (cCLP) kann zur Verfolgung entzündlicher Krankheiten im natürlichen Verlauf und unter Therapie dienen.

Kehlkopfkarzinom

In einer Untersuchung lagen die Serum-CP-Werte bei Patienten mit Larynxkarzinom deutlich höher als bei Kontrollen (2179,6 μg L-1 vs. 733,73 μg L-1). 24

Endometriumkarzinom

Eine Untersuchung wies bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom (ein Gebärmutterkrebs) signifikant höhere Serum-CP-Werte auf als bei Kontrollen (3415 µg/l vs. 868 µg/l). 25

Präeklampsie

Serum-Calprotectin war in einer Studie bei einer Präeklampsie erhöht gefunden worden (1081 µg/l vs. 552 µg/l). In der Umbilikalvene waren die Werte nicht erhöht, sodass CP die Placentaschranke nicht passiert und nicht in das kindliche Blut übergeht. 26 27 Der Befund wird in einer Metaanalyse von Untersuchungen bestätigt. 28

Rheumatoide Arthritis

Bei der rheumatoiden Arthritis fördert CP Entzündungsreaktionen inklusive Chemotaxis, Phagozytenaktivierung und Modulierung von Makrophagenfunktionen. In einer Untersuchung erwies sich CP als guter Biomarker des Krankheitsverlaufs unter Therapie. Unter Infliximab, aber nicht Placebo, verringerte sich der Calprotectin-Spiegel signifikant. 29 Das wird in einem Revew-Artikel unterstrichen. Calprotectin kann zur Voraussage eines radiologischen Fortschreitens herangezogen werden.30 Auch bei der aktiven systemischen juvenilen Arthritis ist Serum-CP höher als bei Kontrollen. 31 In einer Untersuchung an Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis waren die Serum-CP-Werte erhöht und lagen im Mittel bei 45.375 ng/ml. 32 In einer anderen Untersuchung lagen die höchsten Calprotectinspiegel im Blut bei Patienten mit neu diagnostizierter sJIA im Mittel bei 32.500 ng/ml (Bereich: 13.800–177.000 ng/ml). 33

Sepsis

Bei einer Sepsis steigen die Calprotectinwerte an.  P-Calprotectin war wegen seiner Empfindlichkeit herkömmlichen Biomarkern bezüglich der Indikationsstellung für eine Verlegung auf die Intensivstation überlegen. Als bester p-Calprotectin-Cut-off erwies sich 4,0 mg/l, bei dem eine Sensitivität von 42,5 % und eine Spezifität von 83 % für diese Indikation bestand. 34


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Verweise

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Referenzen

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  2. Cell host & microbe. 2011;10(2):158–64[]
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