Granulozyten

Granulozyten sind weiße Blutkörperchen (Leukozyten), die aus dem Knochenmark stammen. Sie spielen eine bedeutende Rolle im Abwehrsystem des Körpers. Der Name rührt von der feingranulären Struktur des Zellplasmas her. Im Differenzialblutbild sind sie an ihrem unregelmäßigen, nicht runden Kern leicht erkennbar sind („Kernpolymorphie“). Sie sind mit ca. 12-15 µm größer als die Lymphozyten, der zweiten großen Gruppe der Leukozyten, die zudem einen runden Kern besitzen und von Granulozyten damit gut unterscheidbar sind. Granulozyten können die Blutbahn verlassen und in Gewebe einwandern, in denen ihre Abwehrfunktion benötigt wird.

Die Granulozyten lassen sich entsprechend ihrem Färbeverhalten in Neutrophile, Eosinophile und Basophile einteilen. Sie weisen unterschiedliche Funktionalität auf.

Differenzialblutbild

Normalwerte

Normbereich: zwischen 4000/µl und 10000/µl

Abnorme Werte

  • Werte unter der Untergrenze sind Indikator für Leukopenie, die mit einer Abwehrschwäche des Immunsystems assoziiert ist. Zu den Ursachen gehören folgende: 
    • Virusinfektionen,
    • Nebenwirkungen auf Medikamente und
    • Knochenmarksinfiltationen durch Tumorzellen (siehe hier).
  • Werte über der Obergrenze (Granulozytose) können auf eine erhöhte Entzündungsreaktion hinweisen. (1)BMC Public Health. 2018; 18: 1232. doi: 10.1186/s12889-018-6073-6 (Siehe auch unter Leukozytose.) Sie kommt unter folgenden Bedingungen zustande:
    • bakterielle Infektionen,
    • Stress (körperlich und seelisch),
    • Wirkung von Glukokortikoiden,
    • paraneoplastisch (Tumornachweis, negative Entzündungsmarker, erhöhte G-CSF > 39 pg/ml) (2)Melanoma Res. 2010 Aug;20(4):326-9. DOI: 10.1097/CMR.0b013e328339da1e

Verhältnis zu Lymphozyten

Um die Bedeutung der Granulozyten abzuschätzen, wird ihr Verhältnis zu der Zahl der Lymphozyten berücksichtigt.

  • Das normale Verhältnis der Granulozyten zu Lymphozyten im Blut liegt laut einer Untersuchung bei Erwachsenen gesunden Menschen zwischen 0.78 and 3.53. (3)BMC Res Notes. 2017 Jan 3;10(1):12. doi: 10.1186/s13104-016-2335-5. PMID: 28057051; PMCID: … Continue reading

Ein höheres Verhältnis spricht für eine akute bakterielle Infektion. Eine Untersuchung findet beispielsweise bei einer akuten Appendizitis typischerweise Werte über 6,35. (4)Dig Surg. 2015;32(6):459-63. doi: 10.1159/000440818. Epub 2015 Oct 22. PMID: 26488396.

Differenzierung der Granulozyten

Im Differenzialblutbild lassen sich die Granulozyten nach ihrer Anfärbbarkeit in folgende Untergruppen einteilen:

  • Neutrophile (etwa 90 % der Granulozyten oder 55 % der Gesamtleukozyten): sie dienen der unspezifischen Abwehr von Bakterien, Pilzen und Viren, die durch Phagozytose aufgenommen und zersetzt werden (Funktion einer Fresszelle). Mehr dazu siehe hier.
  • Basophile (unter 1 % der Gesamtleukozyten): ihre Funktion ist nicht gut bekannt; sie ist offenbar mit der von Immunglobulin E (IgE) gekoppelt, für das sie einen Fc-Rezeptor besitzen. Basophile sind wie Mastzellen an der Auslösung allergischer Reaktionen beteiligt. Sie spielen zudem in der Abwehr von Parasiten eine Rolle. Durch IgE-Vermittlung degranulieren die Mastzellen und entlassen Histamin sowie weitere Mediatorstoffe, und sie steigern die Thrombozytenaggregation. Mehr dazu siehe hier.
  • Eosinophile (1 – 5 % der Gesamtleukozyten): sie spielen bei der Parasitenabwehr und bei der Entstehung von Allergien eine Rolle (siehe hier).

Regulation der Bildung

Die Bildung der Granulozyten im Knochenmark unterliegt einer Regulation, bei der Zytokine und Mikro-RNA eine regulierende Rolle spielen. Beispielsweise wirken microRNA-223 (miR-223) hemmend auf ihre Proliferation (Vermehrung), Differenzierung und Aktivierung . (5)Nature. 2008 Feb 28;451(7182):1125-9. DOI: 10.1038/nature06607. Epub 2008 Feb 17. PMID: 18278031. Umgekehrt wirkt der Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierende Faktor (GM-CSF) als ein hämatopoetischer (blutbildender) Wachstumsfaktor, der ihre Bildung anregt. (6)Front Immunol. 2019 Jun 4;10:1265. DOI: 10.3389/fimmu.2019.01265. PMID: 31275302; PMCID: … Continue reading

Kernveränderungen mit dem Alter

Die Lebensdauer der Granulozyten beträgt 2 – 4 Tage. Im „jungen“ Stadium haben die Zellen einen gestreckten, stab- oder erdnussförmigen Kern; mit zunehmendem Alter segmentiert sich ihr Kern zunehmend und endet mit starken Untergliederungen (Kernsegmenten). Entsprechend werden die Zellen folgendermaßen eingeteilt:

  • Stabförmige“ (2 – 4 % der Leukozyten),
  • Segmentierte“ (45 -75 %) und
  • Hypersegmentierte“ (ab 5 Segmenten, bis 4 %).

Am prozentualen Anteil kann sich die Altersverteilung ablesen lassen.

Linksverschiebung – Rechtsverschiebung

Wenn eine Reihe der Granulozyten aufgestellt wird, bei der die jugendlichen Formen links und die alten rechts angeordnet werden, können die Häufigkeiten der verschieden alten Formen (Stabkernige, Segmentkernige, Hypersegmentierte) in einer Verteilungskurve dargestellt werden. Normal sind 3 – 5 % Stabkernige und 45 – 75 % Segmentkernige. Linksverschiebung bedeutet viele junge, Rechtsverschiebung bedeutet viele alte, hypersegmentierte Granulozyten.

  • Linksverschiebung: Sie liegt vor, wenn die Zahl der Stabkernigen 5 % der Neutrophilen übersteigt (> 400/µl). Sie ist Zeichen einer erhöhten Nachbildung. Eine reaktive Granulozytose (bei Entzündungen) ist in der Regel mit einer Linksverschiebung im Differenzialblutbild assoziiert. Bei besonders starker Nachbildung findet man Vorstufen aus dem Knochenmark (Myelozyten) im peripheren Blut. Dies kann bei einer starken bakteriellen Infektion und einer Sepsis (bakterielle Blutvergiftung) vorkommen. Sind auch Promyelozyten und Myeloblasten (Ursprungszellen der Granulozyten im Knochenmark) im Blut nachweisbar, so ist eine Leukämie differenzialdiagnostisch zu erwägen.
    Linksverschiebung

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Verweise

Zum Inhaltsverzeichnis

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