Hyperkalzämie bedeutet zu hohe Kalziumkonzentration im Blut. Sie wurde als ein Kalziumspiegel von mehr als 3,5 mmol/l definiert. 1
Das Wichtigste verständlich
Eine Hyperkalzämie ist ein diagnostisch wichtiges Zeichen für eine häufig schwerwiegende Krankheit, so beispielsweise für eine Vitamin-D-Intoxikation, Störungen des Hormonhaushalts, Entzündungen, Knochenkrankheiten und Tumore.
Klinisch kann sich ein zu hoher Kalziumspiegel je nach Ausprägung durch Nierensteine, Verstopfung und Muskelschwäche, Bauchschmerzen und Erbrechen, Herzrhythmusstörungen sowie durch neurologische Symptome inkl. einer Trübung des Bewusstseins bemerkbar machen. Eine Hyperkalzämie kann schließlich zu Nierenversagen, Herzversagen und Tod führen. Als Ursachen kommen in erster Linie
Daneben gibt es seltene Ursachen, wie z. B. eine Schilddrüsenüberfunktion oder eine Sarkoidose (s. u.). Die Behandlung bei einer schweren symptomatischen Hyperkalzämie erfolgt unter klinischer Kontrolle (s. u.), wobei die Ursache mitbehandelt werden muss. |
Definition
Eine zu hohe Kalziumkonzentration im Blut von > 10,4 mg/dl (2,6 mmol/l) wird als Hyperkalzämie bezeichnet. Ein anderer oberer Grenzwert wird in der Literatur mit 3,5 mmol/l angegeben 2. Wesentlich für die Beurteilung der Bedeutung einer Hyperkalzämie ist nicht das Gesamtkalzium, sondern das freie, nicht an Albumin gebundene Kalzium. Werte des freien Kalziums von über den Grenzwert von 5,2 mg/dl (1,30 mmol/l) können zu Symptomen führen.
Entstehung
Der Kalziumspiegel im Blut wird durch das Parathormon (Hormon der Nebenschilddrüsen) und Vitamin D (D-Hormon) konstant gehalten. Wesentlich an der Kalziumhomöostase des Körpers beteiligt sind der Darm, die Nieren und die Knochen.
Eine Tumor-Hyperkalzämie entsteht in der Regel durch eine tumorassoziierte Produktion von „Parathyroidhormon-verwandtem Protein“ oder durch Zytokine, welche die Osteoklasten des Knochens aktivieren, sowie durch Knochen-abbauende Metastasen. 3
Differenzialdiagnosen
Hauptursachen einer Hyperkalzämie:
- Vitamin-D-Überdosierung (Intoxikation mit Cholecalciferol),
- Hyperparathyreoidismus
- Malignom-assoziierte Hyperkalzämie
- Paraneoplasie: Malignom ohne erkennbare Knochenmetastasen (u. a. beim Mammakarzinom, Ovarialkarzinom)
- Knochenmetastasen (z. B. beim Prostatakarzinom oder Magenkarzinom)
- Multiples Myelom (Plasmozytom)
Seltenere Ursachen:
- Morbus Boeck: Es besteht eine Korrelation zwischen der 1-Alpha-Hydroxylase-Genexpression in alveolären Makrophagen mit der Aktivität der Sarkoidose. Durch sie wird die Störung im Kalciumstoffwechsel begründet 4 5.
- Hyperthyreose: Sie soll bei etwa 20 % mit einer leichten bis mittelschweren Hyperkalzämie verbunden sein 6. Ursache ist die Knochenaktivität der Schilddrüsenhormone.
- Medikamente (z. B. Thiazid-Diuretika, Lithium, Theophyllin). Sie wirken in der Regel über eine Einschränkung der vorwiegend renalen Kalziumregulation.
- Milch-Alkali-Syndrom: Es besteht aus einer Hyperkalzämie, einer Einschränkung der Nierenleistung (Niereninsuffizienz) und einer metabolischen Alkalose aufgrund der Aufnahme großer Mengen an Kalzium und alkalischen Valenzen 7.
Pseudohyperkalzämie
Von einer echten Hyperkalzämie ist die Pseudohyperkalzämie zu trennen, bei der nur das gebundene Kalzium erhöht ist, das freie Kalzium aber im Normbereich liegt. Sie ist durch einen erhöhten Anteil an Bluteiweiß gebundenen Kalziums bedingt. Dies kann bei einer hohen Konzentration von Albumin im Blut auftreten, aber auch bei einer Kalziumverschiebung von freien zum gebundenen Status, was bei einer Azidose eintritt.
Symptome und Folgen
Eine Hyperkalzämie macht sich bei gering erhöhten Werten selten oder kaum bemerkbar. Bei höheren Konzentrationen treten folgende typische, aber per se vieldeutige Symptome in unterschiedlicher Ausprägung auf:
- Obstipation (Verstopfung),
- Übelkeit, Erbrechen,
- Bauchschmerzen,
- Polyurie und Polydipsie,
- Enzephalopathie mit psychischen Veränderungen (bis hin zu Verwirrtheit, Psychose, Koma),
- Muskelschwäche (Myopathie),
- Herzrhythmusstörungen.
Diagnostik
Eine Hyperkalzämie ist meist ein Zufallsbefund bei Laboruntersuchungen, zu denen die Elektrolyte meist routinemäßig hinzugehören. Bei der Diagnostik einer Obstipation, unerwarteter und unerklärter psychischer Auffälligkeiten und von Herzrhythmusstörungen mit verkürztem QT-Intervall im EKG sollte Kalzium im Serum mitbestimmt werden.
Diagnostik der Ursache
- Abklärung eines Hyperparathyreoidismus (Parathormon-Bestimmung, Phosphat- und Kalzium-Ausscheidung mit dem Urin). Suche eines Nebenschilddrüsenadenoms.
- Tumorsuche: Blutsenkung (Sturzsenkung?), alkalische Phosphatase (erhöhte osteoklastische Aktivität?), Röntgenuntersuchung der Knochen auf Osteolysen (z. B. Pariser Schema bei Plasmozytom), spezielle Untersuchung auf Tumore, die häufig Knochenmetastasen hervorrufen (wie Prostatakarzinom, Mammakarzinom, Magenkarzinom, Bronchialkarzinom),
- Bestimmung von Vitamin D,
- TSH-Bestimmung zur Diagnostik einer Hyperthyreose.
Diagnostik möglicher Risiken und Folgen
- Herzrhythmusstörung durch Verkürzung der QT-Zeit im EKG, ggf. Speicher-EKG
- Nephrokalzinose: Verkalkungen im Nierenparenchym (in der Sonographie manchmal gute erkennbar) durch Auskristallisation von Kalziumsalzen, Niereninsuffizienz (akutes Nierenversagen oder chronisches Nierenversagen),
- Darmmotilität (Anamnese: Obstipation? Subileus?),
- Enzephalopathie (z. B. psychische Auffälligkeit? Rechenleistung?),
- muskuläre Schwäche (Anamnese, Gang, Treppensteigen)
- Hypovolämie (Exsikkose bei Polyurie: Halsvenen leer? Blutdruck erniedrigt?).
Therapie
Bei einer geringen Erhöhung der Kalziumkonzentration im Serum braucht i. d. R. keine akute Senkung des Kalziumspiegels zu erfolgen; die Behandlung der Grundkrankheit führt zur Normalisierung.
Bei symptomatischer Hyperkalzämie (meistens über 11,5 mg/dl (≥ 2,9 mmol/l)) sollte der Kalziumspiegel im Blut gesenkt werden. Dazu können folgende Maßnahmen dienen:
- Verminderung der Kalziumaufnahme im Darm durch Phosphat-Gabe,
- Erhöhung der Kalziumausscheidung mit dem Urin durch isotonische Kochsalz-Infusion plus Schleifendiuretika,
- Verminderung der Knochenresorption (Senkung der Osteoklastenaktivität) z. B. durch Bisphosphonate oder Calcitonin (das aber eine kurze Halbwertszeit hat),
- Bei tumorassoziierter Hyperkalzämie wirken manchmal zusätzlich verabreichte Glukokortikoide.
Beim Hyperparathyreoidismus durch ein Adenom der Nebenschilddrüse wird eine operative Therapie angestrebt.
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Verweise
Referenzen
- Am Fam Physician. 2003 May 1;67(9):1959-66. PMID: 12751658.[↩]
- Medicine (Baltimore). 2017 Jan;96(4):e6017. doi: 10.1097/MD.0000000000006017[↩]
- CA Cancer J Clin. 2018 Sep;68(5):377-386. doi: 10.3322/caac.21489.[↩]
- Am J Med. 2001 Jun 15;110(9):687-93. doi: 10.1016/s0002-9343(01)00724-0[↩]
- Am J Med. 2020 Dec;133(12):e727-e728. doi: 10.1016/j.amjmed.2020.05.031[↩]
- Ann Intern Med 1966;65:429–42[↩]
- Mayo Clin Proc. 2009 Mar;84(3):261-7. doi: 10.4065/84.3.261[↩]