Lithium in der Medizin

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Allgemeines

Lithium ist ein chemisches Element (ein hochreaktives Alkalimetall), das als Salz, insbesondere als Lithiumkarbonat eine stabilisierende Wirkung auf die Stimmung aufweist und in der Psychiatrie verwendet wird. Es wirkt bei der manisch-depressiven Psychose sowohl im akuten Schub als auch nach einem Schub zur Sekundärprophylaxe (Vorbeugung eines neuen Schubs). Als eines der wenigen wirksamen Substanzen senkt es die Selbstmordrate. 1 2 Lithium-Disilikat wird wegen seiner mechanischen Eigenschaften in der Zahnprothetik verwendet.


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Lithiumtherapie

Lithium ist ein Medikament zur Behandlung der Depression und der Manie im Rahmen einer bipolaren Krankheit mit einer schmalen therapeutischen Breite. Wenn der obere Grenzwert des empfohlenen therapeutischen Lithiumspiegels im Blut überschritten wird, überwiegen toxische Wirkungen. 2

  • Therapeutischer Bereich der Lithium-Plasmakonzentration: 0.5 – 1.2 mmol/l
  • Empfohlene Spiegel: Bei einer Behandlung in einer akuten Phase wird i. d. R. „einschleichend“ begonnen, sodass 0,8 mmol/l nicht überschritten werden. Bei erneutem Schub wird meist der Plasmaspiegel bis 1,0 mmol/l erhöht. Zur Aufrechterhaltung bei einem Ansprechen werden Plasmaspiegel um 0,4-0,6 mmol/l, je nach Effekt bis 0,8 mmol/l empfohlen. Zur Vorbeugung bei überwiegender Depression werden oft etwas niedrigere Blutspiegel erfordert (0,4 – 0,8 mmol/l) als bei überwiegend manischen Phasen (0,6 – 1,0 mmol/l). 3

Voraussetzungen für eine Indikation

Die Indikation für eine Lithiumtherapie ist individuell zu stellen. Zu berücksichtigen sind die Schwere des Suizidrisikos, die Compliance (Therapietreue, auch bzgl. Einhaltung von Kontrollterminen), internistische Erkrankungen (z. B. Nierenkankheit, Hyperparathyreoidismus und andere endokrine Krankheiten, Elektrolytstörungen …). 4

Warnung vor unkontrolliertem Absetzen

Lithium senkt einer Assoziationsstudie zufolge bei einer bipolaren Krankheit das Suizidrisiko um 14 %. 5 Die mittlere Überlebenszeit für Patienten, die Lithium abgesetzt haben, betrug in einer Zusammenstellung von Daten 1,33 Jahre. Die mittlere Zeit bis zum Wiederauftreten der Krankheit für Patienten, die weiterhin Lithium erhielten, betrug dagegen 7,33 Jahre. „Das Absetzen von Lithium bei BD (bipolarer Krankheit) nach erfolgreicher Erhaltungsmonotherapie ist nicht ratsam.“ 6

Selbstmordgedanken – ein medizinischer Notfall

Wirksamkeit

Eine große Metaanalyse bisheriger Studien (17 Studien mit insgesamt 1545 Patienten, darunter 676, die Lithium erhielten.) bestätigt die Wirksamkeit von Lithium bei der Behandlung einer bipolaren Krankheit. Allerdings übersteigt der Effekt „nur bescheiden“ den von Placebo. Er erwies sich dem neuerer Psychopharmaka als unterlegen. Langzeitwirkungen werden in Studien bisher unzureichend abgebildet. 7

Toxizität

Bei Plasmaspiegeln im toxischen Bereich treten eine Reihe von Symptomen auf, die bei Kontrolluntersuchungen geprüft bzw. erfragt werden: 2 8 9

Nichtsteroidale Antirheumatika können den Lithiumspiegel im Serum erhöhen, die renale Lithiumclearance verringern und möglicherweise eine Lithiumtoxizität hervorrufen. 11

Behandlung einer Lithium-Intoxikation

Die EXTRIP-Arbeitsgruppe empfiehlt den Einsatz einer extrakorporalen Blutwäsche (Dialysebehandlung) bei schwerer Lithiumvergiftung. 12

Wirkungsweise von Lithium

Signalwege: Lithium beeinflusst multiple Signalwege, vor allem im Stoffwechsels des Gehirns. 13 Darunter befunden sich solche, die bei einer bipolaren Erkrankung (manisch-depressive Erkrankung) gestört sind. Der GSK-3-Signalweg (Glykogen-Synthase-Kinase 3), der die Apoptose und die synaptische Plastizität der Neuronen des Gehirns beeinflusst, ist bei dieser Erkrankung vermehrt aktiv. Lithium vermindert diese Aktivität (durch Eingriff in die Signalwege, die durch Phosphorylierung von GSK3ß zu seiner Hemmung führen). 14 Die Expression von GRIN2A (beeinflusst die synaptischen Plastizität) wurde im Tierexperiment durch Lithium signifikant erhöht; sie wird als Teil seiner therapeutischen Wirkung angesehen. 13 Lithium hat antioxidative Wirkungen und wirkt neuroprotektiv. 15

Weiße Substanz: Bildgebende Verfahren zeigen, dass Lithium über längere Zeit einen stabilisierenden Einfluss auf das Volumen der weißen Substanz des Gehirns ausübt. 16

Erhöhte Kalziumwerte: Lithium kann eine Hyperkalzämie hervorrufen. Akut wirkt es auf den Calcium-Sensing-Rezeptor-Weg und die Glykogen-Synthase-Kinase 3 (GSK3). Langfristig führt es zu dauerhaften Veränderungen an den Nebenschilddrüsen und ruft einen Hyperparathyreoidismus hervor, indem es ein subklinisches Nebenschilddrüsenadenom demaskieren und möglicherweise einen multiglandulärer Hyperparathyreoidismus initiieren kann. 17

Verweise

 

Referenzen

  1. Bipolar Disord. 2006;8:625–639. doi: 10.1111/j.1399-5618.2006.00344.x.[]
  2. Int J Mol Sci. 2017 Dec 11;18(12):2679. doi: 10.3390/ijms18122679[][][]
  3. Affect. Disord. 2009;115:466–470. doi: 10.1016/j.jad.2008.10.009.[]
  4. J Psychiatr Pract. 2023 Jan 1;29(1):51-57. doi: 10.1097/PRA.0000000000000680[]
  5. Am J Psychiatry. 2017 Aug 1;174(8):795-802. DOI: 10.1176/appi.ajp.2017.16050542[]
  6. Bipolar Disord. 2007 Aug;9(5):435-42. DOI: 10.1111/j.1399-5618.2007.00389.x[]
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  9. J Intensive Care Med. 2017 May;32(4):249-263. doi: 10.1177/0885066616651582.[]
  10. J Clin Med. 2022 Oct 8;11(19):5941. DOI: 3390/jcm11195941[]
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  17. Br J Hosp Med (Lond). 2020 Nov 2;81(11):1-9. DOI: 10.12968/hmed.2020.0457[]