Als Churg-Strauss-Syndrom (CSS) ist eine seltene Krankheit, die durch Asthma, Lungeninfiltrationen und Eosinophilie im Blutbild charakterisiert ist. Es wird jetzt meist als „Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis“ (EGPA) bezeichnet. Die Erkrankung gehört zu den ANCA-assoziierten Erkrankungen der Blutgefäße (Vaskulitiden) und ist eine Systemkrankheit, d. h. sie bezieht viele Organe und Gewebe ein. Die Erkrankung wurde nach den Pathologen Jacob Churg und Lotte Strauss benannt, die 1951 das Bild beschrieben. 1
Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Beim Churg-Strauss-Syndrom handelt es sich um eine Entzündung kleiner und mittelgroßer arterieller Blutgefäße (Vaskulitis). Typisch sind ein Bronchialasthma, eine Lungenbeteiligung im Röntgenbild (mit Infiltrationen) und Blutbildveränderungen (typische Eosinophilie). Die Ursache ist unbekannt.
Die Beschwerden und Symptome sind durch eine Minderdurchblutung der betroffenen Organe bedingt. Eine fast immer vorhandene Lungenbeteiligung führt zu asthmaartiger Atemnot. Nerven sind häufig betroffen, was sich durch Empfindungsstörungen manifestiert 2. Das Gehirn kann ebenfalls einbezogen sein und verschiedene Symptome hervorrufen, beispielsweise auch eine Halbseitenlähmung. Am Herzen kann sich eine Herzleistungsschwäche (Herzinsuffizienz) entwickeln 3. Eine Nierenbeteiligung kann zu rascher Nierenfunktionsstörung (Niereninsuffizienz) führen. 4 Den verschiedenen Organmanifestationen liegt jeweils eine eosinophile Entzündung der kleinen Blutgefäße zugrunde. In Gewebeproben findet man unter dem Mikroskop eine nekrotisierende Entzündung (mit Untergängen von Gefäßabschnitten), Anhäufungen von Entzündungszellen (Granulome) und viele rötlich gefärbte Entzündungszellen (Eosinophilie). Kortisonpräparate (Glukokortikoide) führen meist zu rascher Beschwerdefreiheit und Besserung der Befunde an den Organen. |
Prävalenz
Die Krankheit ist selten: in Europa liegt sie bei 10.7 bis 14 pro 1 Million. 5 Das mittlere Alter liegt bei 55 Jahren. 6
Entstehung
Ursache und Entstehung sind weitgehend unbekannt. Eine genomweite Assoziationsstudie lässt ANCA-positive und ANCA-negative Risikogruppen erkennen; der ANCA-Status scheint mit bestimmten Organmanifestationen zusammenzuhängen.
IL-5 (Interleukin-5), welches von Th2-Zellen und unreifen lymphoiden Zellen gebildet wird, scheint eine zentrale Funkion in der Entstehung auszuüben. Es löst die Hypereosinophilie aus, indem es die Selbstzerstörung der eosinophilen Leukozyten (Apoptose) hemmt und damit ihre Lebenszeit verlängert. Sie wirken zellschädigend und entzündungsfördernd.
ANCA sind in der großen Mehrzahl der Churg-Strauss-Fälle positiv. Sie sind nicht nur Marker der Erkrankung, sondern auch Teilnehmer am Entzündungsprozess, indem sie neutrophile Granulozyten aktivieren. 7
Symptome und Befunde
Charakteristisch sind:
- allergische Symptome (allergischer Schnupfen, allergisches Asthma),
- Lungeninfiltrationen im Röntgenbild,
- Entzündungsreaktionen an weiteren Organen (Herz, Nerven, Verdauungstrakt, Nieren, Herz) und
- einer starken Eosinophilie im Differenzialblutbild.
Die pathologischen Kriterien umfassen extravaskuläre Granulome, eine Gewebseosinophilie und eine nekrotisierende Vaskulitis. 8
Unter den Laborwerten finden sich p-ANCA in ca 70 – 80 % und c-ANCA in 10 – 20 % positiv. Auch ist in der Regel IgE erhöht.
Je nach Organbefall können weitere Symptome hinzukommen, wie z. B. Zeichen einer Niereninsuffizienz oder Angina pectoris-artige kardiale Symptome. Manchmal können solche Symptome vorherrschen und die Lungensymptomatik nicht oder kaum ausgeprägt sein.
Eine typische Churg-Strauss-Präsentation wurde als Kasuistik folgendermaßen dargestellt: Ein 45 Jahre alter Mann stellt sich mit folgender Konstellation vor: Fieber seit 7 Tagen, Husten, Luftnot seit 4 Tagen, Kribbeln an Händen und Füßen sowie Schwäche seit 4 Tagen. In der Vorgeschichte bekanntes Asthma und rezidivierende Nasennebenhöhlenentzündungen. Die nachfolgenden technischen Untersuchungen bestätigten die Verdachtsdiagnose eines Churg-Strauss-Syndroms mit Asthma, Lungeninfiltrationen, Neuritis, kardialer Beteiligung und Gewebseosinophilie. 9
Eine andere Präsentation beschreibt eine 79 Jahre alte Frau, die schon seit 3 Jahren wegen einem Churg-Strauss-Syndrom (p-ANCA positiv) mit anfangs Prednisolon und später Azathioprin behandelt wurde und nun mit einer Halbseitenlähmung zur Vorstellung kam. Bei ihr fanden sich zusätzlich eine Niereninsuffizienz, ein erhöhter Blutdruck, eine Herzschwäche (ischämische Kardiomyopathie) und eine tiefe Beinvenenthrombose. Im MRT des Gehirns fanden sich lakunäre Infarkte. Die Autoren weisen darauf hin, dass selbst bei einer adäquaten Behandlung neue Komplikationen nicht auszuschließen sind, so dass eine gute Therapiekontrolle unerlässlich ist. 10
Eine weitere Präsentation beschreibt einen 28 Jahre alten Mann mit heftigen Bauchschmerzen seit 1 Woche, bei dem sich im MRT eine wandverdickte Dünndarmschlinge darstellt. Zudem fand sich Aszites als Zeichen einer Peritonitis (Bauchfellentzündung). In der Vorgeschichte war eine Sarkoidose (Morbus Boeck) festgestellt worden, deretwegen vorübergehend mit Methotrexat und Adalimumab worden war; aktuell bei der Vorstellung keine Medikation. Die Diagnose wurde durch Gewebeproben im Rahmen einer explorativen Laparotomie gestellt. Die Behandlung erfolgte mit Kortisonpräparaten und zur Remissionserhaltung mit monoklonalen Anti-Interleukin-5-Antikörpern (Mepolizumab) 11
Diagnostik
Ausgangspunkt der diagnostischen Überlegungen ist die immer vorhandene ausgeprägte Eosinophilie im Differenzialblutbild, für die das Churg-Strauss-Syndrom eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen ist. Die Anamnese weist meist ein allergisches Asthma und/oder eine Rhinosinusitis auf. Eine Röntgenuntersuchung der Lungen zeigt diffuse verwaschene Infiltrationen. Organbiopsien (z. B. eine Lungenbiopsie) zeigen eine ausgeprägte Gewebseosinophilie.
Die Diagnose wird nach den Kriterien der American College of Rheumatology Arthritis 12 gestellt, wenn mindestens 4 der folgenden 6 Kriterien vorliegen:
- Asthma,
- Blut-Eosinophilie von > 10 %,
- Neuropathie,
- wandernde Lungeninfiltrate,
- Nasennebenhöhlen-Anomalie (Polypen),
- Gewebseosinophilie.
Diese Kriterien führen zur richtigen Diagnose mit einer Spezifität von 99,7 % und einer Sensitivität von 85 %. Eine Aktualisierung des Kriterienkatalogs soll ebenfalls eine Sensitivität von 85 % und eine Spezifität von 99 % ermöglichen 13 14
Herzdiagnostik: Steht die Diagnose im Raum, sollte auch nach einer kardialen Beteiligung gesucht werden, da häufig eine koronare Vaskulitis der kleinen Gefäße (ggf. auch mit Angina pectoris-Symptomatik) sowie eine eosinophile Myokarditis vorliegt. 15 Es können im Herzecho Wandbewegungsstörungen imponieren.
Neurologische Diagnostik: Neuropathische Schmerzen und Missempfindungen können auf eine Mitbeteiligung des Nervensystems deuten. So finden sich Entzündungen im Sinne einer Mononeuritis oder Polyneuritis mit Polyneuropathie. 16 Seltener ist eine Beteiligung des Gehirns, die durch ein CCT (zerebrales MRT) nachweisbar ist.
Nierendiagnostik: Eine Bestimmung von Kreatinin und eine 2-Stunden-Kratininclearance geben eine rasche Auskunft über eine Nierenbeteiligung und das Ausmaß einer Niereninsuffizienz. Eine Nierenbiopsie kann zur genaueren Klärung der Nierenkrankheit (Typ der Glomerulonephritis) indiziert sein.
Therapie
Die Behandlung erfolgt mit Glukokortikoiden. In therapierefraktären Fällen kann zusätzlich Cyclophosphamid Erfolg versprechen. Bei Resistenz gegen die Standardtherapie und hoher Krankheitsaktivität wurde auch durch Rituximab noch eine relativ hohe Erfolgsquote erzielt. 17
Nach einer Induktionstherapie, für die weiterhin meist Kortikosteroide verwendet werden, wird zur Aufrechterhaltung des Therapieerfolgs inzwischen häufig eine Anti-Il-5-Antikörperterapie (Mepolizumab) eingesetzt.
Mepolizumab hat sich in einer Studie als wirksam zur Behandlung von EGPA herausgestellt. Ein vollständiger Response (keine Krankheitsaktivität) lag nach 3 Monaten bei 12,3%, nach 12 Monaten bei 30,4 % und nach 24 Monaten bei 35,7 %. 18
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Verweise
Referenzen
- Chakraborty RK, Aeddula NR. Churg Strauss Syndrome. 2022 Jan 4. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan–. PMID: 30725784.[↩]
- Intern Med. 2017;56:3003–3008.[↩]
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- Int J Clin Exp Pathol. 2016;9:2477–2481[↩]
- Rheumatology (Oxford) 2020 59:0–50[↩]
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- Allergol Int. 2019 Oct;68(4):430-436. DOI: 10.1016/j.alit.2019.06.004[↩]
- Arthritis Rheum. 1994;37:187–192[↩]
- J Clin Diagn Res. 2014 Jun;8(6):MD05-6[↩]
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- Rheum. 1990 Aug;33(8):1094-100[↩]
- Ann Rheum Dis. 2022;81:309–314. DOI: 10.1136/annrheumdis-2021-221794[↩]
- [↩]
- Medicine (Baltimore). 1999 Jan;78(1):26-37[↩]
- Clin Neuropathol. 2011 Jan-Feb;30(1):11-7[↩]
- Arthritis Res Ther. 2013 Sep 24;15(5):R133[↩]
- Arthritis Rheumatol. 2022 Feb;74(2):295-306. DOI: 10.1002/art.41943.[↩]