Appetitlosigkeit

Veröffentlicht von

Appetitlosigkeit wird auch als Inappetenz bezeichnet. Sie ist ein vieldeutiges Symptom und tritt bei vielen Erkrankungen als führendes Symptom oder Begleitsymptom auf. Ursachen sind akute und chronische Erkrankungen sowie bösartige Tumore.

  • Bei akuten Erkrankungen verschwindet die Appetitlosigkeit nach Gesundung wieder.
  • Bei chronischen Erkrankungen hält die Inappetenz lange an und führt zu einer Gewichtsabnahme.
  • Bei einem malignen Erkrankung kann die Inappetenz schon früh auftreten. Mangelnder Appetit und Gewichtsabnahme sind häufig Ursache einer Tumorsuche.

Da der Appetit im Körper dazu dient, das Körpergewicht konstant zu halten, wird er sehr fein reguliert. Dies geschieht ganz überwiegend über den Magendarmkanal und das Stammhirn. Insbesondere sind der ventrale Hippocampus und mediale septale Neurone in die Regulation eingebunden 1 2. Appetitlosigkeit spricht für eine Störung dieser Regulation, wobei der Magen und der Darmkanal als Signalgeber und das Stammhirn als regulierendes Organ eine besondere Rolle spielen.

Akut auftretende Appetitlosigkeit

Bei vielen akuten Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts findet sich eine ausgeprägte Appetitlosigkeit, vorwiegend bei akuten Erkrankungen des Magens, der Bauchspeicheldrüse und der Leber. Differenzialdiagnostisch kommen in Betracht:

Die akute Appetitlosigkeit ist oft mit anderen, weit hervorstechenderen Symptomen, wie Übelkeit, Brechreiz, Bauchschmerzen oder manchmal auch Diarrhö verbunden.

Lang anhaltende Appetitlosigkeit

Eine lang anhaltende Appetitlosigkeit führt immer auch zu einer Gewichtsabnahme.

Wenn das Körpergewicht nicht abnimmt, ist davon auszugehen, dass die geklagte Appetitstörung nicht sehr ausgeprägt ist oder sich nur auf bestimmte Situationen oder Speisen bezieht.

Eine anhaltende Appetitlosigkeit mit Gewichtsabnahme kann auf eine chronische Erkrankung des Magendarmkanals hinweisen, aber auch auf eine schwerwiegende sonstige Störung der körperlichen oder psychischen Gesundheit. Sie sollte daher immer genau abgeklärt werden.

Differenzialdiagnosen

Folgende Ursachen einer lang anhaltenden Inappetenz können infrage kommen:

Tumor bedingte Inappetenz

Inappetenz ist neben Mediatorstoffen (proinflammatorise Zytokine) ein wesentlicher Grund für den Muskelabbau und den Gewichtsverlust bei Krebs. 5 Tumorzellen fördern aktiv Gewebeuntergang durch Produktion von Mediatoren und spezifischen Faktoren. Von Bedeutung ist insbesondere ein Parathormon-verwandtes Protein, welches eine Anorexie fördert. 6

Mikro-RNAs sind ebenfalls in die Auslösung einer Tumor-assoziierten Inappetenz einbezogen. 7.

Semaphorin 3D ist ein von Tumoren ausgehender Mediatorstoff, der die Krebskachexie durch die Regulierung hypothalamischer Pro-Opiomelanocortin-Neuronen fördert. 8

Das Verständnis der molekularen und metabolischen Mediatoren der tumorbedingten Kachexie ist noch lückenhaft. Ein Verständnis der Zusammenhänge wird sowohl die Behandlung der Inappetenz voranbringen, als auch die Lebensqualität der Patienten verbessern. 9

Therapie

Die Behandlung des Appetitverlusts richtet sich nach seiner Ursache. Die Behandlung der Grunderkrankung führt meistens zu einer Normalisierung des Appetits.

Besonders schwierig ist der Appetitmangel bei einer fortgeschrittenen Tumorkrankheit zu therapieren. Die Ursache ist komplex. Im Stadium einer schweren Tumorkachexie ist individuell die Frage zu klären, ob eine palliative Behandlung sinnvoll und gewünscht ist. 10

  • Studien mit Megestrolacetat sprechen den Versuch einer Behandlung. Megestrolacetat führte in einer frühen Studie zu etwas Gewichtsanstieg und deutlich weniger Übelkeit (13 % vs. 38 %) und Erbrechen (8 % vs. 25 %) 11
  • Eine Behandlung mit in Entwicklung befindlichen Melanocortin-Receptor-Antagonisten und Ghrelin-Mimetica scheint neue Perspektiven zu eröffnen 12.
  • Eine Verstärkung des Ghrelin-Signalwegs vermindert die Appetitlosigkeit und verbessert die Lebensqualität bei Krebs. 13 Anamorelin (ein Ghrelin-Rezeptor-Agonist) fördert die GH-Sekretion und steigert den Appetit, was zu einer Zunahme der Muskelmasse und des Gewichts führt. 14 Laut einer Metaanalyse von Studien zeigten Krebspatienten, die Anamorelin zur Behandlung erhielten, einen signifikanten Anstieg des Körpergewichts, der Muskelmasse, der Fettmasse und von Laborparametern. 15

→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Verweise

Patienteninfos

Referenzen

  1. Nat Commun. 2015 Dec 15;6:10188. doi: 10.1038/ncomms10188.[]
  2. Proc Natl Acad Sci U S A. 2017 Dec 26;114(52):13816-13821. doi: 10.1073/pnas.1707228114. Epub 2017 Dec 11.[]
  3. Curr Opin Clin Nutr Metab Care. 2004 Jul;7(4):427-34[]
  4. Interdiscip Top Gerontol. 2010;37:37-50[]
  5. Life Sci. 2017 Feb 1;170:56-63. DOI: 10.1016/j.lfs.2016.11.033. Epub 2016 Dec 3. PMID: 27919820.[]
  6. Psychoneuroendocrinology. 2010 Sep;35(8):1178-86. doi: 10.1016/j.psyneuen.2010.02.003. Epub 2010 Feb 25.[]
  7. Mediators Inflamm. 2015;2015:367561. doi: 10.1155/2015/367561. Epub 2015 Oct 4.[]
  8. FASEB J. 2023 Jun;37(6):e22980. doi: 10.1096/fj.202300265RR.[]
  9. Oncogenesis. 2016 Feb 22;5:e200. doi: 10.1038/oncsis.2016.3.[]
  10. Curr Treat Options Oncol. 2021 Feb 27;22(4):31. doi: 10.1007/s11864-021-00829-0[]
  11. J Natl Cancer Inst. 1990 Jul 4;82(13):1127-32[]
  12. Curr Opin Support Palliat Care. 2010 Dec;4(4):266-71. doi: 10.1097/SPC.0b013e32833e48e7.[]
  13. Transl Psychiatry. 2011 Jul 26;1:e23. doi: 10.1038/tp.2011.25.[]
  14. Drugs Today (Barc). 2022 Mar;58(3):97-104. doi: 10.1358/dot.2022.58.3.3381585[]
  15. J Oncol Pharm Pract. 2023 Oct;29(7):1725-1735. doi: 10.1177/10781552231189864[]