Yersiniose

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Das Wichtigste verständlich

Die Yersiniose ist eine zoonotische Durchfallerkrankung mit Beteiligung des Dünn- und Dickdarms.

Sie wird durch den Keim Yersinia enterocolitica ausgelöst und verläuft häufig nach 1 – 2 Wochen selbstlimitierend. Antibiotika sind meist nicht erforderlich, können aber in schweren Fällen oder bei verlängertem Verlauf (über 2 Wochen) erforderlich werden. In diesen Fällen wird häufig auf Fluochinolone oder Cephalosporine der dritten Generation zurückgegriffen.

In einigen Fällen treten vielfältige Symptome außerhalb des Darms auf (extraintestinale Manifestationen). Sie sind durch eine besonders starke und fehlgeleitete Immunantwort der Patienten bedingt und führen manchmal zu schwierigen Differenzialdiagnosen. 1 2 Sie können Hautrötung (Erythema nodosum), Gelenkbeschwerden, Herzrhythmusstörungen und Nierenschäden (Glomerulonephritis) umfassen und bei Kindern eine „Blinddarmentzündung“ vortäuschen.

Bakterium und Infektionsquellen

Yersinia enterocolitica ist ein Gram-negativer Keim, der in vielen Stämmen (6 Biogruppen, 57 O-Stämme) auftritt. Für den Menschen krankheitserregend sind vor allem die Serogruppen O:3, O:5,27, O:8 und O:9.Er lässt sich durch Kulturen nachweisen, wächst allerdings langsam, sodass andere kontaminierende Bakterien („background flora“) ihn überwuchern können.

Der Keim wird über kontaminierte Nahrungsmittel, wie Milch, Fleisch oder mit Viehdung gedüngtem Gemüse, und Wasser aufgenommen. In einer Untersuchung von Milch (Proben in Malaysia über 2 Jahre) wurden folgende Yersinienstämme gefunden: Yersinia enterocolitica (65.5 %), Yersinia frederiksenii (31 %), Yersinia kristensenii (3.4 %).

Hauptreservoire sind hierzulande wahrscheinlich Schweine; rohes Schweinehack (Hackepeter) ist eine der Hauptquellen einer Infektion. 1 Es muss eine relativ große Inokulationsdosis aufgenommen werden, damit es zu einer Infektion kommt.

Entstehung

Die Yersiniose ist eine Zoonose, d. h. eine Erkrankung, deren Erreger von Tieren auf den Menschen übergehen. Sie entsteht durch Krankheitserreger, die über kontamilierte Nahrungsmittel  (s. o.) oral aufgenommen werden. Da sie über Tiere verbreitet wird, gehört sie zu den Zoonosen.

Es sind 6 Biotypen (1A, 1B, 2, 3, 4, 5) und mehr als 70 Serotypen des Keims bekannt. Verschiedene Virulenzmarker, wie YadA ( Yersinien-Adhäsin) oder Yops (Yersinia outer membrane proteins) oder  Yst (Yersinia-stable toxin) bestimmen ihre Pathogenität. 3 Bestimmte Stämme des Keims bilden über das Ail-Gen ein Membranprotein, welches seine Zellbindung und -invasion fördert; sie sind hochpathogen. 4

Die Keime gelangen im unteren Dünndarm, dem terminalen Ileum, in die Schleimhaut und dort insbesondere in die Peyerschen Plaques (Ansammlung von Immunzellen), wo sie sich vermehren. Von dort breiten sie sich in mesenteriale Lymphknoten aus. Diese können so anschwellen, dass sie ein Tumorgeschehen imitieren.

Y. enterocolitica bildet ein Enterotoxin, welches dem von E. coli-Bakterien ähnelt; es ist für den Durchfall (Diarrhö) verantwortlich.

Im Abstand von 1-2 Wochen können sich pathologische (krankhaft fehlgeleitete) Immunreaktionen entwickeln, so eine reaktive Gelenkentzündung (Arthritis) und ein Erythema nodosum. 5

Symptomatik und Verlauf

Die Hauptmanifestation ist mehr oder weniger heftiger Durchfall, bedingt durch eine Kolitis, Enterokolitis und/oder terminalen Ileitis. Sie kann 1 – 2 Wochen, aber selten auch mehrere Monate dauern.

Differenzialdiagnosen:

Während des Verlaufs einer Yersiniose können unterschiedlich ausgeprägte Symptome entstehen, die verschiedene diagnostische Überlegungen veranlassen:

Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt über eine Stuhlkultur auf Spezialagar. 7

Ein ELISA-Test (enzyme-linked immunosorbent assay) kann Antikörper gegen das Bakterium im Serum nachweisen. 8

Therapie

Da die Erkrankung in der Regel selbstlimitierend verläuft, braucht meist kein Antibiotikum verabreicht zu werden.

Antibiotika (Fluochinolone wie Ciprofloxacin oder Delafloxacin 9, Aminoglykoside oder 3.Generations-Cephalosporine) können bei immungeschwächten und älteren Menschen und bei schwerem oder verlängertem Verlauf erforderlich werden. Resistenzen können auftreten. 10 11 Eine therapiebedingte Diarrhö kann das Krankheitsbild verwischen.

Bakteriophagen zur Vorbeugung

Yersinia-Bakteriophagen können dazu beitragen, Nahrungsmittel frei von Yersinien zu halten. 12 So wurden der Phage ϕ80-18 bereits als ein vielversprechender Kandidat für die Biokontrolle des amerikanischen Biotyps 1B Y. enterocolitica identifiziert. 13 Der Phage X1 zeigte in einer Untersuchung eine breite Effektivität gegen verschiedene Y. enterocolitica-Stämme und wird als Kandidat einer Infektion in vivo angesehen. 14 Ein Cocktail von zwei anderen Phagen wird ebenfalls als wirksam beschrieben. 15

Meldepflicht

Der Nachweis einer Infektion mit Yersinia enterocolitica ist meldepflichtig.


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Verweise

Referenzen

  1. Epidemiologisches Bulletin Nr. 6/2012 des RKI[][]
  2. Enferm Infecc Microbiol Clin. 2012 Jan;30(1):24-32. DOI: 10.1016/j.eimc.2011.07.017. Epub 2011 Oct 22. PMID: 22019131.[]
  3. Genes (Basel). 2018 May 3;9(5):235. doi: 10.3390/genes9050235. PMID: 29751540; PMCID: PMC5977175.[]
  4. Int J Food Microbiol. 2018 Mar 23;269:46-51. doi: 10.1016/j.ijfoodmicro.2018.01.016. Epub 2018 Feb 2. PMID: 29421357.[]
  5. Intern Med. 2017;56(10):1239-1242. doi: 10.2169/internalmedicine.56.7888. Epub 2017 May 15. PMID: 28502944; PMCID: PMC5491824.[]
  6. Pediatr Surg Int. 2006 Jul;22(7):589-92. DOI: 10.1007/s00383-006-1703-y. Epub 2006 Jun 13. PMID: 16770604.[]
  7. Food Microbiol. 2020 Dec;92:103593. DOI: 10.1016/j.fm.2020.103593. Epub 2020 Jul 5. PMID: 32950135.[]
  8. BMC Microbiol. 2017 May 25;17(1):125. doi: 10.1186/s12866-017-1035-1. PMID: 28545413; PMCID: PMC5445397.[]
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  10. Int J Med Microbiol. 2010 Nov;300(7):457-63. DOI: 10.1016/j.ijmm.2010.02.003. Epub 2010 May 26. PMID: 20510648.[]
  11. J Dairy Sci. 2015 Feb;98(2):798-803. DOI: 10.3168/jds.2014-8853. Epub 2014 Dec 12. PMID: 25497824.[]
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  13. Front Microbiol. 2020 Jun 19;11:1356. DOI: 10.3389/fmicb.2020.01356. PMID: 32636826; PMCID: PMC7316996.[]
  14. Front Microbiol . 2020 Mar 6;11:351. DOI: 10.3389/fmicb.2020.00351 .[]
  15. Int J Mol Sci . 2021 Oct 21;22(21):11381. DOI: 10.3390/ijms222111381[]