Naltrexon ist ein Opiodrezeptor-Antagonist (MORA), der zum Opiatentzug verwendet wird und auch effektiv Heroineffekte blockiert. Günstige Effekte werden auch beim Alkoholentzug, in der Krebstherapie und bei diabetischen Geschwüren der Cornea des Auges beobachtet, so dass potenziell eine vielfältige Anwendung möglich ist. Es kann oral und parenteral und zudem in Depot-Form verabreicht werden. Depot-Präparate (inkl. Implantate) finden bei Drogenabhängigen zur Vermeidung einer Nonkompliance wegen Nebenwirkungen bei oraler Applikation Verwendung. Naltrexon ist achtmal aktiver und wirkt dreimal länger als Naloxon. 1
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Hormonelle Auswirkungen
Naltrexon (NTX) aktiviert durch Blockade der zentralen Opioidrezeptoren die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse und ruft eine erhöhte Kortisol-Produktion hervor. 2 Auch Adrenocorticotropin, beta-Endorphin und Prolactin steigen an. 3
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen von NTX sind nicht selten. Im Vordergrund stehen Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen, gesteigerte Erregbarkeit und Angstzustände.
Wenn Naltrexon bei Patienten angewendet wird, die aktuell noch unter Opiatwirkung stehen, können ein akutes Entzugssyndrom und Atemstörungen eintreten.
Unter Naltrexon kann es zu einer Erhöhung der Transaminasen und Einschränkung der Nierenwerte (Kreatinin, Kreatinin-Clearance) kommen.
Bei einer low-dose-Medikation, wie sie beispielsweise zur Behandlung des Ovarialkarzinoms oder zur Unterstützung des Alkoholentzugs eingesetzt wurde 4 (s.u.), werden jedoch keine wesentlichen Nebenwirkungen beschrieben.
Unter Naltrexon wirken Codein als Hustenmittel (Antitussivum) und Loperamid als Durchfallmittel (Antidiarrhoikum) nicht oder nicht zuverlässig; eine gleichzeitige Einnahme ist kontraindiziert.
Wirkungen
Wirkung beim Opiatentzug
NTX führt zu einem signifikant verringerten Heroinverbrauch. Die Studien dazu sind allerdings nur klein. Wegen hoher Ausfälle bei der Behandlung mit unretardiertem Präparat durch Nebenwirkungen wurden Depotpräparate auf ihre Wirksamkeit geprüft. Sie reduzieren signifikant den Opioid-Verbrauch besonders wenn sie mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern oder GABA-Agonisten kombiniert werden. 5 Naltrexon soll nach erfolgreichem Entzug bei lang dauernder Applikation zu anhaltender Abstinenz beitragen, aber der Effekt sei gering. 6
Wirkung beim Alkoholentzug
NTX wirkt in gewisser Weise auch beim akuten Alkoholentzug. Insbesondere die Gruppe schwerer regelmäßiger Trinker profitieren von Naltrexon. 7 8 Eine mangelhafte Compliance schränkt die Wirksamkeit allerdings ein. 9
Therapie von Juckreiz
Anhaltender Juckreiz (Pruritus) kann die Lebensqualität erheblich einschränken. Naltrexon vermag ihn in vielen Fällen zu lindern. 10 Es kann als Option dann in Betracht kommen, wenn Antihistaminika nicht wirken. Beispiele: Der Juckreiz bei der chronischen Cholestase (z. B. bei der PBC, der Urämie, der Systemsklerose und auch bei unklarer Ursache) sprechen vielfach an. Mehr dazu siehe hier.
Therapie der Fibromyalgie
NTX in niedriger Dosierung reduziert die Symptomatik bei der Fibromyalgie; daran beteiligt ist möglicherweise die Unterdrückung zentralnervöser Entzündungsmechanismen. 11
Therapie bei Multipler Sklerose
NTX in niedriger Dosierung ist ein relativ breit angewendetes Medikament bei Patienten mit Multipler Sklerose. Es verbessert die Lebensqualität und spastische Symptome. 12
Therapie bei Krebs
NTX wirkt bei verschiedenen Krebsarten unterschiedlich. Günstige Effekte auf eine Tumorbeherrschung sind beim Astrozytom, Nierenzellkarzinom, Darmkrebs und Ovarialkarzinom mit Unterdrückung der Zellproliferation und der Tumorprogression festgestellt worden. Beim Mammakarzinom dagegen ist im Tiermodell ein Effekt, aber beim Menschen nur beschränkt nachweisbar. 13
Therapie von Cornealulcera
Zu den diabetischen Komplikationen gehören schlecht heilende Cornealdefekte, die zur Blindheit führen. Die lokale Applikation von Naltrexon führt zu einer beschleunigten DNA-Synthese und Reepithelialisierung und fördert damit die Heilung des Hornhautulkus. 14 Die Wirkung liegt in der Blockade der Interaktion des Opioid-Wachsumsfaktors (OGF) mit seinem Rezeptor (OGFr) begründet. 15 Inzwischen zeigten Tierexperimente, dass topisches (lokal aufgetragenes) NTX eine diabetisch geschädigte Hornhaut bei Mäusen zur Heilung bringen kann. 16 Dies eröffnet neue Therapieoptionen. 17
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Verweise
Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)
Referenzen
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