Chronische Nierenkrankheiten (chronic kidney disease, CKD) sind dadurch definiert, dass sie mehr als 3 Monate anhalten, und dass organische bzw. histologische Veränderungen und eine Fehlfunktion nachweisbar sind 1.
→ Zur Niereninsuffizienz siehe hier.
Häufigkeit
Die Häufigkeit (Prävalenz) in der westlichen Bevölkerung hat zusammen mit dem Diabetes Typ 2 und der Adipositas erheblich zugenommen; die Prävalenz in den USA lag 2008 bei 13% 2.
Ursachen
Zu den chronischen Nierenkrankheiten gehören
- die chronische Glomerulonephritis inkl. der autoimmunologische bedingten Nierenkrankheiten beim Morbus Wegener und dem Lupus erythematodes,
- die chronische Pyelonephritis,
- die Amyloidose der Nieren,
- seltene angeborene Erkrankungen der Nieren, wie
- Zystennieren bzw. polyzystische Nierenkrankheit,
- das Alport-Syndrom,
- seltene Stoffwechselkrankheiten, die sich an den Nieren manifestieren, wie das De-Toni-Fanconi-Syndrom oder der Phosphatdiabetes mit Nephrokalzinose.
Die häufigsten Ursachen sind
- der Typ-2-Diabetes, der zu einer diabetischen Nephropathie führt, und
- der Bluthochdruck (Hypertonie), die zu einer hypertensiven Nephropathie führt.
- die mit einer chronischen infektiösen Hepatitis assoziierte Nephritis in Ländern mit hoher Prävalenz solch einer Leberkrankheit (z. B. Ostasien).
Komplikationen
Chronische Nierenkrankheiten führen zu einer renalen Funktionsstörung und in der Regel zur Niereninsuffizienz und Dialysepflichtigkeit. Sie sind zudem mit einer Dyslipidämie (speziell einer Hypertriglyceridämie, nicht einer Hypercholesterinämie 3 ) und einem erhöhten Risiko einer Hypertonie und einer koronaren Herzkrankheit verbunden. Insofern sollten chronische Nierenkrankheiten frühzeitig diagnostiziert, behandelt und regelmäßig kontrolliert werden.
Stadien
Die Stadien der chronischen Nierenkrankheiten werden unabhängig von ihrer Ursache durch die glomeruläre Filtrationsrate (GFR, z. B. gemessen als Kreatinin-Clearance) festgelegt 4.
Stadium der chronischen Nierenkrankheit |
Glomeruläre Filtrationsrate (GFR in ml/min/1.73 m2) |
Beurteilung der Filtrationsrate |
---|---|---|
1 | ≥90 | Normal oder hoch |
2 | 60–89 | Gering erniedrigt |
3a | 45–59 | gering bis mäßig erniedrigt |
3b | 30–44 | mäßig bis stark erniedrigt |
4 | 15–29 | stark erniedrigt |
5 | <15 | Nierenversagen |
Diagnostik
Chronische Nierenkrankheiten werden meist erkannt durch eine
- Urinuntersuchung: Entdeckung einer Proteinurie (vermehrte Ausscheidung von Eiweiß) z. B. im Rahmen einer Routineuntersuchung des Urins, durch eine Nachkontrolle des Urins nach akutem Harnwegsinfekt, oder durch auffällig schäumenden Urin, der daraufhin gezielt untersucht wird,
- Sonographie (Ultraschalluntersuchung) der Nieren: z. B. im Rahmen einer Routineuntersuchung, zur Abklärung eines auffälligen Urinbefundes oder von Flankenschmerzen oder bei einer Tumorsuche etc: Nachweis einer Verschmälerung des Nierenparenchyms und/oder einer Verkleinerung der Nieren.
Die Differenzierung der chronischen Nierenkrankheit erfolgt durch Spezialuntersuchungen (siehe hier).
Früherkennung
Wegen der Zunahme der Häufigkeit wird empfohlen, in der hausärztlichen Ambulanz Menschen folgender Risikogruppen regelmäßig auf eine chronische Nierenkrankheit hin zu untersuchen 5:
- Hypertonie
- Diabetes mellitus
- koronare Herzkrankheit
- chronische Nierenkrankheit in der engeren Familie
Zum Screening wird empfohlen 5:
- die glomeruläre Filtrationsrate (Kreatinin-Clearance)
- die Ausscheidung von Eiweiß im Urin sowie das Verhältnis von Albumin zu Kreatinin im Urin
Therapie
Chronischen Nierenkrankheit in den Stadien 1-3 profitieren am ehesten von ACE-Hemmern und Angiotensin II-Rezeptor-Blockern 6.
Begleitende Komplikationen und Miterkrankungen anderer Organsysteme führen oft zu komplexen Therapieüberlegungen:
Beta-Blocker und Statine können die Mortalität und das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Placebo reduzieren; die Risiken für Mortalität, Niereninsuffizienz im Endstadium und anderen klinischen Ereignissen unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen der üblichen und besonders strengen Blutdruckkontrolle 6.
Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes verbessert eine besonders intensive Blutzuckereinstellung und Senkung der Blutfette nicht das klinische Outcome (Überleben);
→ Zur Therapie höhergradiger Stadien von chronischen Nierenkrankheiten siehe unter Niereninsuffizienz.
→ Zur Therapie spezieller chronischer Nierenkrankheiten siehe hier.
Vorbeugung einer Verschlechterung der Nierenfunktion
Zigarettenrauchen ist ein herausragender Faktor für die Verschlechterung einer diabetischen Nephropathie. Zu den wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen gehört es daher, Rauchen vollständig sein zu lassen 7, was jedoch wegen der vielfach zugrunde liegenden Nikotinsucht auf praktische Probleme stößt. 8
Eine Verbesserung der Albuminurie, die sich therapeutisch erreichen lässt, führt nicht sicher auch zu einer klinischen Verbesserung und Lebensverlängerung 9. Von protektiven Maßnahmen wird eine Verlangsamung des Abfalls der glomerulären Filtrationsrate (unabhängig von der Reduktion der Albuminurie) erwartet. Ein besonderes Problem stellt die diabetische Nephropathie dar, die häufigste Ursache einer Dialysepflichtigkeit. Bisher wurde den Medikamenten, die am RAAS angreifen, die beste vorbeugende Wirkung zugesprochen. Neuere Medikamentengruppen
GLP-1-Rezeptor-Agonisten (Medikamente zur Behandlung eines Diabetes Typ 2) beispielsweise haben sich bezüglich einer Reduktion einer Albuminausscheidung nicht jedoch bezüglich einer Verschlechterung der Nierenfunktion als protektiv erwiesen. 10 Auch die neueren Natrium-Glucose-Cotransporter-2-Inhibitoren, Inkretin-Mimetika und Endothelin-1-Rezeptor-Antagonisten werden auf ihren nephroprotektiven Effekt untersucht. 11
Soja als nephroprotektive Diät?
Soja-haltige Kost hat sich in bisherigen Untersuchungen als protektiv bezüglich einer Nierenschädigung bei verschiedenen Nierenkrankheiten erwiesen. Dafür werden Sojaproteine, insbesondere Genistein und andere Isoflavone, verantwortlich gemacht 12, die das Plasma-Cholesterin (LDL-Cholesterin) und die Neutralfette (Triglyceride) senken, den Antioxidationsstatus erhöhen und systemische Entzündungsmediatoren hemmen 1 13. Wenn Fleischprotein durch Protein aus Soja ersetzt wird, reduziert sich die Protein-bedingte Hyperfiltration und die Albuminausscheidung im Urin 14. Allerdings haben nicht alle Studien einen positiven nephroprotektiven Effekt gezeigt 15, so dass zur Klärung weitere Untersuchungen erforderlich sind.
→ Zu Nierenersatzverfahren siehe hier.
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Verweise
- Untersuchung der Nieren
- Glomeruläre Filtrationsrate
- Die Nieren
- Dialyse
- Urinuntersuchung – Urinbefund
Referenzen
- World J Nephrol. 2016 May 6; 5(3): 233–257[↩][↩]
- Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6. doi: 10.3810/pgm.2008.07.1798.[↩]
- Med Arch. 2016 Jun; 70(3): 191–192.[↩]
- Clin Pharmacol. 2016; 8: 61–81[↩]
- Postgrad Med. 2008 Jul 31;120(2):E01-6[↩][↩]
- Ann Intern Med. 2012 Apr 17;156(8):570-81[↩][↩]
- Int Urol Nephrol. 2017 Oct;49(10):1801-1807. DOI: 10.1007/s11255-017-1638-3[↩]
- Diabetol Metab Syndr. 2019 Oct 24;11:85. DOI: 10.1186/s13098-019-0482-2[↩]
- Am J Kidney Dis. 2012 Nov;60(5):747-69[↩]
- Curr Opin Pharmacol. 2020 Oct;54:91-101. DOI: 10.1016/j.coph.2020.08.018[↩]
- Int J Mol Sci. 2022 Sep 17;23(18):10882. DOI: 10.3390/ijms231810882[↩]
- Mediators Inflamm. 2013; 2013: 510212. Published online 2013 Apr 29. doi: 10.1155/2013/510212[↩]
- Eur J Clin Nutr. 2014 Sep; 68(9):987-93[↩]
- Asia Pac J Clin Nutr. 2008;17 Suppl 1:324-8[↩]
- Am J Clin Nutr. 1998 Dec;68(6 Suppl):1347S-1353S[↩]