Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Der Ablauf einer körperlichen Untersuchung erfolgt schematisch. Dies verhindert, dass Wichtiges übersehen wird. Der folgende Leitfaden orientiert sich nicht primär an Organen oder Körperteilen, sondern an der Praxis im Alltag. Jeder Arzt erarbeitet sich sein eigenes Untersuchungsschema; dennoch ähneln sie sich alle. Am besten ändert man sein Schema nicht, um nichts zu vergessen.
Die körperliche Untersuchung folgt der Anamnese.
Untersuchungsablauf
Beispiel eines praktikablen Ablaufschemas:
Nach der Anamnese wird der Patient gebeten, sich hinzulegen. Die Untersuchung beginnt mit dem Kopf, dann dem Hals; zur Untersuchung der Schilddrüse kann der Nacken etwas mit einem Kissen unterfüttert werden, damit der Kopf weiter rekliniert werden kann.
Es folgen dann die Untersuchung des Thorax mit Lungen und Herz. An dieser Stelle ist es sinnvoll, den Patienten aufsitzen zu lassen, damit die Lungen auch vom Rücken abgehört (auskultiert) und die Lungengrenzen durch Perkussion festgestellt werden können. Bei der Gelegenheit können die Wirbelsäure inkl. Kreuzbein begutachtet und abgeklopft und die Rückenmuskulatur auf Hartspann untersucht werden. Dabei schaut man auch auf die Halsvenen, ob sie gestaut sind; ggf. lässt man den Patienten sich in eine 45-Grad Schräglage zurücklegen.
Anschließend wird die körperliche Untersuchung wieder im Liegen vervollständigt. Die Extremitäten inkl. der Gelenke werden untersucht. Die Pulse werden an den Armen, am Hals, in den Leisten und an den Füßen palpiert und die Carotiden (Halsschlagadern) am Hals auch auskultiert. Dann werden die Lymphknotenstationen alle abgesucht: am Hals, an den Axillen und den Leisten.
Zum Schluss erfolgt eine orientierende neurologische Untersuchung der Eigen- und Fremdreflexe: wenn kein Anhalt für eine neurologische Krankheit vorliegt, wird man sich auf den Achillessehnenreflex, den Patellarsehnenreflex, Bicepssehnenreflex und ggf. Unterarmperiostreflex sowie die Bauchdeckenreflexe in 3 Etagen beschränken. Die Untersuchung der Nerven des Kopfes (inkl. Druckschmerz der Trigeminusaustrittspunkte) wird am besten bereits bei der anfänglichen Kopfuntersuchung durchgeführt.
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Messgrößen
Größe und Gewicht, Puls, Temperatur und Blutdruck
Kopf / Hals
Kalottenklopfschmerz, Trigeminusdruckpunkte (Schmerz: Hinweis auf Sinusitis), Mimik (Symmetrie?, Ausfälle?, ggf. auch zusammen mit der neurologischen Untersuchung, s.u.)
Augen
Visus (Fingerperimetrie), Pupillenreflexe auf Licht und Konvergenz, Nystagmus bei Seitwärtssehen …, ggf. Schilddrüsenzeichen an den Augen (seltener Lidschlag, Exophthalmus, Konvergenzschwäche, Zurückbleiben des Oberlids beim Abwärtssehen …)
Ohren
Hörvermögen (grob: Finger vor dem Ohr leicht reiben: Schwerhörigkeit?), Schwindel bei Drehung?
Mund / Rachen
Schleimhaut: Trockenheit? (wenn ja, auch nach Augentrockenheit fragen: Gefühl wie bei Sandreiben?) Aphten? Soor? …
Zähne, Zahnfleisch, Gaumen, Mandeln, Uvula mittig?
Schilddrüse
Struma, ggf. retrosternal? Hals nach hinten überstrecken, schlucken lassen (ggf. Finger leicht darüber legen)
Lymphknoten
Submandibuläre Lymphknoten, am Hals, supraklavikulär, ggf. gleich anschließend auch in den Axillae und den Leisten …
Halsvenenstauung
Ob sich Blut in den Halsvenen staut, wird geprüft bei 45 Grad Schräglagerung des Oberkörpers; einseitige Stauung (z. B. Abflussstörung durch Struma) oder beidseitige Stauung (Zeichen der Rechtsherzbelastung)?
Thorax
Emphysemthorax mit großem Tiefendurchmesser und waagerecht stehenden Rippen? Supraklavikuläre Luftpolster (bei Lungenemphysem)? Asymmetrie? Rundrücken, Buckel, Gibbus? Atemexkursionen, Atemfrequenz? Gynäkomastie beim Mann?
Rücken
Wirbelsäulendruck- und -klopfschmerz, Muskelhartspann (Myogelosen)
Nierenklopfschmerz
Erst mit Druck in die Nierengegenden beginnen, Klopfen mit zunehmender Stärke je nach Schmerzempfinden (Nierenklopfschmerz bei Nephritis)
Lunge
- Perkussion der Lungen: sonorer, hypersonorer, gedämpfter Klopfschall, Schenkelschall?
- Auskultation der Lungen: normales bronchovesikuläres Atemgeräusch? Verschärftes oder abgeschwächtes Atemgeräusch? Nebengeräusche (Giemen, Brummen, Pfeifen, Rasselgeräusche)? (Hinweise auf Emphysem, Pneumonie, Bronchitis, Pleuraerguss] etc.)
- Stimmfremitus seitengleich?
Herz
Herzauskultation: Herztöne, Herzgeräusche, Fortleitung der Geräusche, Herzperkussion (Herzgrenzen: Verbreiterung?), Herzpalpation (hebender, verbreiterter Spitzenstoß?, Tapping?): Hinweise auf Herzvergrößerung, Herzbelastung, Klappenerkrankungen des Herzens.
Gefäßstatus
Pulsstatus: Die Pulse werden an den verschiedenen Prüfstellen aufgesucht: vorhanden? Zeichen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit? Untersuchung hinsichtlich ihrer Qualität. Genaueres dazu siehe hier. Pulsdefizit, geprüft durch gleichzeitige Messung der auskultatorischen Herzaktion und des peripher tastbaren Pulses.
Auskultation (bei Verdacht auf arterielle Verschlusskrankheit bzw. Arteriosklerose) über den Halsschlagadern, der Aorta, den Leisten: Strömungsgeräusche?
Abdomen
Palpation auf Resistenzen, Lebergröße, Milzgröße, Brüche (Nabelbruch, Narbenbruch, Leistenbruch), Umwegskreisläufe, Meteorismus, Aszites, Schmerzen …
Ggf. Beine anstellen lassen zur Lockerung der Bauchdecke: bessere Palpationsmöglichkeit. Auskultation der Darmperistaltik (spritzende, kräftige, heftige, klingende, plätschernde, seltene, fehlende Darmgeräusche).
Am besten gleich anschließend Prüfung der Bruchpforten (Leiste, Nabel)
Rektale Untersuchung
Bei älteren Menschen gehört sie zur Ganzkörperuntersuchung hinzu (Beurteilung des Sphinctertonus, Tumorsuche (Rektumkarzinom), bei Männern Prostata-Beurteilung).
Extremitäten
Beweglichkeit und Schmerzhaftigkeit der Wirbelsäule, der Iliosakralgelenke, der großen und kleinen Gelenke. Zeichen einer Mangeldurchblutung an den Füßen etc.
Haut
Psoriasis, Ekzeme, Urtikaria, Läsionen (offene Stellen, Dekubitus etc.), Stauungsdermatitis, Erysipel, Melanom, Leber-Haut-Zeichen …
Neurologische Untersuchung
Grobe Kraft, Eigen- und Fremdreflexe, Sensibilität, Sensorium, ggf. Meningismus, ggf. Finger-Finger-Versuch, Finger-Nase-Versuch etc., ggf. hier Untersuchung der mimischen Muskulatur (Facialisparese?)
Orientierung zeitlich, örtlich, zur Person.
Gangbild, Haltung, Gangabweichung, Schwindel …
Besonderheiten
Befunde bei Kindern
Tipps: Ohren und Mund werden zum Schluss untersucht. Bei Pseudokrupp keine Mundinspektion. Kinder unbedingt komplett ausziehen und ansehen.
Minimale, versteckte Petechien können der Auftakt für ein schon Stunden später einsetzendes Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom sein!