Die Purpura Schönlein-Henoch ist eine allergische Entzündung kleinster Blutgefäße (Vaskulitis) in der Haut und in inneren Organen, vorzugsweise bei Kindern. Diagnoseweisend sind punktförmige Blutungen der Haut und Schleimhäute, Bauchschmerzen und Gelenkschmerzen. Als Komplikation tritt häufig eine Nierenentzündung (Glomerulonephritis, IgA-Nephritis) auf. (1)Ter Arkh. 2018 Nov 22;90(10):109-114. (2)Curr Pediatr Rev. 2020;16(4):265-276 DOI: 10.2174/1573396316666200508104708
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Die Purpura Schönlein-Henoch ist eine systemische, allergische Reaktion an den kleinsten Blutgefäßen mit guter Prognose. Immunhistologisch zeigen sich IgA-Ablagerungen an den Wänden der kleinsten Gefäße. Die Immunglobuline A sind abnorm glykosyliert und werden daher von der Leber nicht ausreichend entsorgt. Es bilden sich vermehrt IgA-Makroaggregate, die sich an den kleinsten Blutgefäßen ablagern, so auch denen der Haut und der Glomerula der Nieren (IgA-Nephropathie), was deren Symptome erklärt. (3)Eur J Pediatr. 2001 Dec;160(12):689-95 Durch Schädigung der Glomerula tritt eine Proteinurie und Erythrozyturie auf.
Auslösung: Meist entsteht die Purpura nach
- einem Infekt oder
- der Einnahme bestimmter Medikamente.
Dabei spielt eine überschießende Immunantwort eine auslösende Rolle. In der Regel heilt sie folgenlos aus, allerdings können bei entsprechender Reaktionsbereitschaft des Immunsystems Rezidive auftreten.
Die immunvermittelte Vaskulitis kann zu größeren Hauteinblutungen führen und verschiedene Organe einbeziehen, so in der Mehrzahl der Fälle
- die Nieren,
- das Herz (Rhythmusstörungen, Leistungsschwäche) und
- das Gehirn (intrazerebrale petechiale Blutungen, Somnolenz).
Ein ähnliches Krankheitsbild entsteht im Rahmen einer leukozytoklastischen Vaskulitis.
Diagnostik
Stecknadelkopfgroße Blutpunkte in der Haut (Petechien) sind immer Anlass für eine sofortige Untersuchung auf eine schwerwiegende Erkrankung, bei der vor allem zwei Ursachen infrage kommen: eine Verminderung der Blutplättchen (Thrombopenie) oder eine Entzündung der kleinsten Blutgefäße (Vaskulitis). Im Fall der Purpura Schönlein-Henoch liegt eine Vaskulitis vor und primär keine Verminderung der Blutplättchen.
Typisch ist die Kombination
- von petechialen Blutungen in der Haut und
- einer Nephropathie im Sinne einer gomerulären Erythrozyturie und Proteinurie (in etwa 40 % vorhanden)
- bei Kindern, die gerade einen Infekt durchgemacht oder ein neues Medikament verordnet bekommen haben und
- ein Abstand von über 8 Tagen (innerhalb von 4 – 6 Wochen) nach dem Infekt oder der neuen Medikation.
Diese Kombination alleine lässt eine Purpura Schönlein-Henoch sehr wahrscheinlich werden. Im Zweifelsfall klärt eine Hautbiopsie. In ihr lassen sich IgA-Aggregate an der Kapillaren der Haut immunhistologisch nachweisen.
Eine Nierenbeteiligung ist nicht in jedem Fall im Vordergrund. In einer chinesischen Zusammenstellung war sie nur in 35,6 % der Fälle nachweisbar. Bei Kindern ist die Nephritis bei Henoch-Schönlein-Nephritis die häufigste Ursache für eine sekundäre glomeruläre Erkrankung. Im Urin finden sich Erythrozyten und Erythrozytenzylinder. Eine Nierenbiopsie ist selten erforderlich. (4)Medicine (Baltimore). 2018 Sep;97(38):e12520. DOI: 10.1097/MD.0000000000012520 (5)Ultrastruct Pathol. 2013;37:83–92
Eine Herzmuskelbeteiligung macht sich oftmals zuerst über Herzrhythmusstörungen bemerkbar. Sie müssen anamnestisch eruiert und durch ein EKG und ggf. auch durch ein Speicher-EKG gesichert werden. Es folgt eine weitere kardiale Diagnostik, u. a. durch eine Echokardiographie. Eine histologische Abklärung durch Herzmuskelbiopsie ist i. A. nicht erforderlich.
Eine Beteiligung des Gehirns wird dann zu vermuten sein, wenn ungewöhnliche Schläfrigkeit und geistige Fehlleistungen auffallen. Bildgebende Verfahren helfen diagnostisch weiter.
Die leukozytoklastische Vaskulitis mit den zerfallenden Kernen der Neutrophilen in den Entzündungsherden der Kapillaren und Venolen ist in die möglichen Differenzialdiagnosen einzubeziehen (siehe hier).
IgA-Nephropathie als Differenzialdiagnose
Die Henoch-Schönlein-Purpura-Nephritis (HSPN) ist die häufigste sekundäre glomeruläre Erkrankung bei Kindern. Die IgA-Nephropathie (IgAN) ist dagegen eine primäre Glomerulonephritis, die bei Erwachsenen und Kindern vorkommt. Bei beiden Diagnosen finden sich IgA-Ablagerungen in den Mesangien der Glomerula und eine Hämaturie. Eine familiäre Bereitschaft sowohl für eine HSPN als auch zu einer IgA-Nephritis lässt auf eine Gemeinsamkeit schließen, die sich nur durch eine unterschiedliche Ausprägung der Organbeteiligungen und im Schweregrad der Nierenbeteiligung unterscheidet. Die IgA-Nephritis wäre demnach eine Form, die nur die Nieren betrifft, während die HSPN eine Multiorgankrankheit darstellt. (6)Int J Clin Exp Pathol. 2015 Mar 1;8(3):2334-42 PMCID: PMC4440049
Assoziationen mit anderen Erkrankungen
Es wird auch über eine Assoziation mit chronisch alkoholischer Leberkrankheit, Alpha-1-Antitrypsinmangel, Krebserkrankungen, monoklonale IgA-Gammopathie, dem Wiscott-Aldrich-Syndrom berichtet. (7)Eur J Pediatr. 2001;160:689–695
Auslöser
Die Auslöser können sehr unterschiedlich sein. Gemeinsam ist eine immunologische Reaktion, die sich an den kleinsten Blutgefäßen niederschlägt. Verschiedene Infektionen und auch Medikamente wurden als Ursachen beschrieben, so beispielsweise Atemwegsinfekte oder auch eine Brucellose. (8) Bratisl Lek Listy. 2012;113(8):506-7 Medikamente, die als Auslöser infrage kommen, sind z. B. Ciprofloxacin, Acetylsalicylsäure, Levodopa, Cocain, Carbamazepin, Streptokinase (9)Eur J Pediatr. 2001;160:689–695 oder Vancomycin. (10)J Med Case Rep. 2012 Apr 10;6:106
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung. Wichtig ist es, eine begleitende Nierenerkrankung rechtzeitig zu erkennen (Bestimmung des Kreatinin, Untersuchung des Urins auf Erythrozyten), um eine Niereninsuffizienz rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Ist eine IgA-Nephropathie nachweisbar, so wird empfohlen, eine Therapie mit Kortikosteroiden oder Kortikosteroiden plus zytotoxischen Medikamenten einzuleiten. (11)Eur J Pediatr. 2001 Dec;160(12):689-95 Zur Reduktion der Proteinurie werden ACE-Hemmer empfohlen. (12)Curr Opin Pediatr. 2008 Apr;20(2):163-70
Wenn eine begleitende Herzmuskelentzündung (Myokarditis) vorliegt, sollten Herzrhythmusstörungen rechtzeitig erkannt (EKG, Langzeit-EKG) und therapiert werden.
Prognose
Die Prognose der Purpura Schönlein-Henoch ist in der Regel gut. Eine selten begleitende rheumatische Karditis (Herzmuskelentzündung) kann jedoch unter Umständen durch Rhythmusstörungen lebensgefährlich sein, heilt aber meist aus. Auch die oft begleitende Erythrozyturie als Zeichen einer Glomerulonephritis ist meist spontan rückläufig. Allerdings tritt bei 20% der Betroffenen im Beobachtungszeitraum von 20 Jahren eine chronische Niereninsuffizienz ein. In einer größeren Studie wurde festgestellt, dass ein Viertel der Kinder mit HSPN-Klasse 2 proteinurisch blieben und das Risiko tragen, eine chronische Nierenerkrankung zu entwickeln. (13)Pediatr Nephrol. 2017 Jul;32(7):1193-1199. DOI: 10.1007/s00467-017-3604-9
Verweise
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Literatur