Die rheumatoide Arthritis (RA), auch als chronische Polyarthritis (cP) bezeichnet, ist eine chronische Erkrankung von Gelenken und Bindegewebe auf autoimmunologischer Grundlage, oft unter Mitbeteiligung innerer Organe.
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Inhaltsverzeichnis
Ursache und Entstehung
Die rheumatoide Arthritis beruht auf einer Veränderung des adaptiven Immunsystems in der Weise, dass eigene Bindegewebssubstanzen als fremd angesehen und von Zellen des körpereigenen Abwehrsystems (Lymphozyten, Makrophagen) “bekämpft” werden. Sie gehört damit zu den Autoimmunkrankheiten. Durch immunologischen Angriff werden Gelenke destruiert und chronische Entzündungen in Bindegewebe und Organen ausgelöst.
Genetik und Epigenetik
Verschiedene Mutationen spielen dabei eine Rolle. Inzwischen sind über 30 Risikoloci im Genom bekannt, wovon die meisten allerdings in nicht-Protein-kodierenden Regionen liegen. Da eineiige Zwillinge nur zu etwa 15% in der Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis übereinstimmen (1)Br J Rheumatol. 1993 Oct; 32(10):903-7, ist der direkte genetische Einfluss beschränkt, und es sind Umwelteinflüsse anzunehmen, die über epigenetische Mechanismen zur Entstehung und Unterhaltung der Erkrankung führen.
Untersuchungen zeigen, dass epigenetische Faktoren das adaptive Immunsystem in abnormer Weise beeinflussen, wobei bei der rheumatoiden Arthritis vor Aurorakinasen (A und B) besonders hochreguliert sind. Entsprechend fand man experimentell, dass Hemmstoffe der Aurorakinasen zu einer Besserung der Symptome und einer vermehrten B-Zell-Apoptose führten (2)Best Pract Res Clin Rheumatol. 2011 Aug; 25(4):535-48 (3)BMC Med. 2014 Feb 26;12:35. doi: 10.1186/1741-7015-12-35.
Mikrobiota
Zu den Faktoren, die das Immunsystem epigenetisch beeinflussen, gehören in vorderer Linie die Darmbakterien. Es wurde festgestellt, dass das ”Mikrobiom” des Darms, des Mundes und des Tracheobronchialsystems bei Patienten mit rheumatoider Arthritis verändert ist (4)Curr Opin Rheumatol. 2014 Jan;26(1):101-7.
Die Zusammensetzung der Darmflora bei Patienten mit unbehandelter rheumatoider Arthritis ist im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen verändert (Dysbiose). Die Dysbiose hat krankheitsfördernde Auswirkungen. Eine Behandlung mit Etanercept führt laut einer neuen Untersuchung zu einer Wiederherstellung einer günstigeren Keimbesiedlung. Die Studie bestätigt, dass die Darmdysbiose ein Kennzeichen der Krankheit ist. Und sie zeigt, dass eine wirksame Behandlung auch eine Wiederbesiedlung des Darms mit nützlichen Keimen bewirkt und damit die schädigende Wirkung durch die krankheitsassoziierte Dysbiose unterbricht. (5)Int J Mol Sci. 2018 Sep 27;19(10). pii: E2938. doi: 10.3390/ijms19102938.
Dass das Mikrobiom des Mundes auch eine Rolle spielt, lässt sich daran ablesen, dass die rheumatoide Arthritis bei einer Peridontitis gehäuft vorkommt und sich unter der Behandlung der Peridontitis laut Beobachtungen bessert (6)Semin Arthritis Rheum. 2014 Oct;44(2):113-22. Haemophilus-Spezies wurden deutlich reduziert, Lactobacillus salivarius bei aktiver RA dagegen erheblich vemehrt gefunden. Das Mikrobiom normalisierte sich partiell unter wirksamer RA-Therapie (7)Nat Med. 2015 Aug;21(8):895-905.
Klinik und Symptomatik
- Gelenke (Synovialmembran, Sehnenansätze, Schleimbeutel): symmetrischer Befall, Schmerzen, Schwellung, Erguss, Deformierungen, zuerst kleine Gelenke betroffen (typisch die ulnare Deviation der Finger)
- Muskulatur: Muskelbeschwerden
- Gefäße: Entzündung (Vaskulitis), Schmerzhaftigkeit, Durchblutungsstörungen mit je nach Gefäßgebiet unterschiedlichen Folgen
- Herz: Entzündung (Myokarditis), Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen,
- Lunge: Entzündung (fibrosierende Alveolitis), restriktive Ventilationsstörung, Luftnot, Gasaustauschstörung,
- Haut: Rheumaknötchen (Verdickungen in der Unterhaut, Subkutis),
- Auge: Entzündung (Uveitis, Skleritis, Keratokonjunktivitis sicca). Als Folge der chronischen entzündlichen Veränderungen kann sich eine Amyloidose entwickeln.
Diagnostik
Die Diagnose wird nach den ARA-Kriterien (Kriterien der American Rheumatism Association) gestellt :
- Morgensteifigkeit
- arthitische Schwellung von > 3 Gelenken
- Beteiligung der Gelenke an den Händen
- symmetrischer Befall
- Rheumaknötchen
- Rheumafaktor positiv
- typische Röntgenbefunde (gelenknahe Destruktionen).
Wenn mindestens 4 dieser Kriterien über 6 Wochen bestehen, liegt höchstwahrscheinlich eine rheumatoide Arthritis vor.
Therapie
Physikalische Therapie als Grundlage
In jedem Fall ist eine individuell angepasste physikalische Therapie indiziert.
Frühere Therapieoptionen
Früher wurde meist folgendes Schema befolgt:
- Basistherapie: Chloroquin, Gold, D-Penicillamin, Salazosulfapyridin.
- bei Versagen niedrig dosiertes Methotrexat, bei dessen Versagen Azathioprin,
- Symptomatische Therapie:
- nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR);
- bei akuten Schüben Glukokortikoide.
- Bei schweren, sonst nicht beeinflussbaren Verläufen: Cyclophosphamid oder Cyclosporin.
Neuere Therapieoptionen
Die Therapieoptionen sind inzwischen wesentlich erweitert worden. Die ersten Durchbrüche verzeichneten die TNF-alpha-Antikörper (wie Infliximab oder Adalimumab) und bei Versagen oder Unverträglichkeit der Anti-TNF-alpha-Therapie: Tocilizumab und schließlich Tofacitinib.
Upadacitinib ist eine neu entwickelte Substanz (ein JAK1-Hemmer) zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Es zeigte gute Wirksamkeit bei Patienten, die unzureichend auf die bisherige Therapie ansprachen. Bei 64% der Patienten, die 15 mg einmal pro Tag oral erhielten, wurde eine 20%ige Verbesserung (ARC20) erreicht (vs. 36% unter Placebo). Als Nebenwirkungen traten vor allem gehäufte Infektionen (29% vs. 21% unter Placebo) auf. Ob die Krebsgefahr steigt, ist noch unbeantwortet; immerhin wurden 2 Malignome in der 30mg-Gruppe (219 Patienten) konstatiert. (8)The Lancet June 13, 2018 DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31115-2
Behandlungsoptionen in Sonderfällen
In Fällen schwerer rheumatoider Arthritis, die medikamentös unzureichend anspricht, kann eine Synovektomie diskutiert werden. Sie kann in vielen Fällen arthroskopisch durchgeführt werden und führt zu einer lang anhaltenden Senkung von Schmerz und Entzündungsmarkern (9)J Orthop Surg (Hong Kong). 2012 Aug;20(2):219-23. (10)J Clin Orthop Trauma. 2016 Oct-Dec;7(Suppl 2):230-235. doi: 10.1016/j.jcot.2016.05.011. Epub 2016 … Continue reading
Eine Radionuklidbehandlung mit Yttrium 90 (Instillation in die befallenen Gelenke) führt zu einem analogen Ergebnis. In einer Mitteilung wird von einer über 1 Jahr anhaltenden Verbesserung der Beschwerden bei einer schweren rheumatoiden Arhritis des Knies von 76% berichtet. (11)World J Nucl Med. 2018 Jan-Mar;17(1):3-5. doi: 10.4103/1450-1147.222289.
Therapie-Empfehlungen der EULAR
Die Therapie-Empfehlungen sind von der Europäischen Liga zur medikamentösen Behandlung der rheumatoiden Arthritis 2014 aktualisiert worden:
→ EULAR-Empfehlungen zur Therapie der rheumatoiden Arthritis
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Verweise
- Therapie der rheumatoiden Arthritis
- NSAR
- Infliximab
- Tocilizumab
- Autoimmunkrankheit
- Progressive Systemsklerose
Autor der Seite ist Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (siehe Impressum).
Literatur