Medikamenten-induzierte Pankreatitis

Eine Medikamenten-induzierte Pankreatitis (drug-induced acute pancreatitis, DIP) rückt als Ursache einer Bauchspeicheldrüsenentzündung dann in den Vordergrund, wenn Alkohol und Gallensteine als Ursachen unwahrscheinlich sind. Medikamente werden als Auslöser einer akuten Pankreatitis gelegentlich übersehen. 1 2

Akute Pankreatitis

Häufigkeit

Etwa 3,4 % der Fälle einer akuten Pankreatitis sind laut einer Studie auf Routinemedikamente zurückzuführen; betroffen waren überwiegend Frauen. 3 In einer anderen Zusammenstellung wurde die Auslösung einer akuten Pankreatitiden in 5,3% Medikamenten zugeschrieben 4, hier waren Männer und Frauen annähernd gleich häufig betroffen. Medikamente als auslösende Ursache sind nicht zu vernachlässigen. Dies ist wegen der therapeutischen Konsequenz, das verantwortliche Medikament frühestmöglich abzusetzen, unabdingbar.

Begleitkrankheiten / Risiken

Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Gleichzeitig vorliegende Krankheiten waren laut einer Studienzusammenstellung vorwiegend Morbus Crohn, Diabetes, HIV/AIDS, Zustand nach Cholezystektomie (Gallenblasenoperation), und Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung), seltener eine Hepatitis und eine Krankheit des Immunsystems. 2

Diagnosestellung

Die Diagnose einer medikamenteninduzierte Pankreatitis wird gestellt, wenn

  • das Auftreten einer akuten Pankreatitis nicht mit Alkohol oder Gallensteinen bzw. Gallegries erklärt werden kann,
  • assoziiert ist mit der Verordnung eines neuen Medikaments,
  • die Aktivität der Pankreatitis nach Absetzen des angeschuldigten Medikaments nachlässt und wenn
  • die Pankreatitis bei einer Reexposition (neuerliche Behandlung) mit dem Medikament erneut auftritt.

Eine diagnostische Reexposition muss bezüglich Nutzen-Risiko-Abwägung gut bedacht sein.

Fokale Pankreatitis – Tumor als Differenzialdiagnose: Eine Schwierigkeit bei der Diagnosestellung ist der gelegentlich auftretende tumoröse Aspekt der medikamenteninduzierten entzündlichen Verdichtung, wenn sie lokal auftritt („focal DIP“), die in bildgebenden Verfahren (beispielsweise bei einer Ultraschalluntersuchung) ein Pankreaskarzinom vortäuscht 5 6.

Differenzialdiagnosen

Sie umfassen

Medikamente, die relativ häufig eine Pankreatitis auslösen

Klasse 1: Zu den laut einer Zusammenstellung 7 häufiger eine akute Pankreatitis auslösenden Medikamenten gehören folgende:

  • Asparaginase,
  • Azathioprin,
  • Valproinsäure,
  • Pentamidin,
  • Mercaptopurin,
  • Mesalamine,
  • Östrogene,
  • Opiate,
  • Tetracycline,
  • Cytarabin,
  • Steroidhormone,
  • Trimethoprim/Sulfamethoxazol,
  • Sulfasalazin,
  • Furosemid,
  • Sulindac

Klasse 2: Seltener sind folgende Medikamente Auslöser einer akuten Pankreatitis:

Weitere Medikamente als mögliche Pankreatits-Auslöser

Zudem gibt es sporadische Mitteilungen über weitere Medikamente, die eine Pankreatitis auslösen können, wie beispielsweise die Folgenden:

  • Methimazol 8 (Medikament zur Therapie der Schilddrüsenüberfunktion),
  • Bortezomib 9 (Velcade® zur Therapie des multiplen Myeloms),
  • Calciumkarbonat-enthaltende Antazida 10 (Medikament zur Therapie der Übersäuerung des Magens),
  • Inkretine 11 wie
    • Sitagliptin 12 (DPP4-Hemmer zur Therapie des Diabetes mellitus),
  • Vemurafenib 13, (BRAF-Kinase-Inhibitor zur Therapie des metastasierenden Melanoms),
  • Cannabis (Tetrahydrocannabinol,THC, und Cannabidiol, CBD) 14 15 (medizinisch verwendet bei Übelkeit und Kachexie),
  • Gadolinium (Gadobenatdimeglumin) 16. (Medikament zur Kontrastierung beim MRT),
  • Telaprevir 17 (Medikament zur antiviralen Therapie der chronischen Hepatitis C),

Neuere Medikamente, wie sie zunehmend in der Immuntherapie und in der Tumortherapie verwendet werden (z. B. Checkpoint-Inhibitoren), können ebenfalls als Auslöser einer DIP infrage kommen 18 19 20.

Therapie

Die entscheidende Maßnahme liegt im Absetzen des angeschuldigten Medikaments. Ansonsten gelten die Therapieprinzipien der akuten Pankreatitis.


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Verweise

Referenzen

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  2. PLoS One. 2020 Apr 17;15(4):e0231883. DOI: 10.1371/journal.pone.0231883[][]
  3. JOP. 2011 Nov 9;12(6):581-5[]
  4. Dig Dis Sci. 2010 Oct;55(10):2977-81[]
  5. Tomography. 2022 Aug 19;8(4):2073-2082. doi: 10.3390/tomography8040174[]
  6. Eur J Radiol. 2020 Oct;131:109250. doi: 10.1016/j.ejrad.2020.109250[]
  7. J Clin Gastroenterol. 2005 Sep;39(8):709-16[]
  8. Case Rep Gastroenterol. 2012 May;6(2):223-31[]
  9. Pancreatology. 2013 Mar-Apr;13(2):189-90[]
  10. Consult Pharm. 2013 Apr;28(4):247-51[]
  11. Intern Med. 2012;51(21):3045-9[]
  12. Clin Med Insights Case Rep. 2013;6:23-7[]
  13. Pharmacotherapy. 2013 Apr;33(4):e43-4. doi: 10.1002/phar.1208[]
  14. Acta Gastroenterol Belg. 2012 Dec;75(4):446-7[]
  15. Pancreas. 2017 Sep;46(8):1035-1038. DOI: 10.1097/MPA.0000000000000873[]
  16. Pancreatology. 2013 Jan-Feb;13(1):88-9. doi: 10.1016/j.pan.2012.12.002[]
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  18. Tomography. 2022 Aug 19;8(4):2073-2082[]
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