Prostaglandine

Prostaglandine sind Mediatorstoffe im Körper: Sie vermitteln eine Reihe wichtiger Funktionen, insbesondere der Blutplättchen (Thrombozyten), Mastzellen, Gefäßendothelien, der glatten Muskulatur der Blutgefäße sowie der Uterusmuskulatur. Zuerst wurden sie im Prostatasekret entdeckt, was zum Namen geführt hat.

Allgemeines

Prostaglandine sind physiologisch aktive Lipide, die als Eicosanoide zusammengefasst werden. Sie entfalten hormonähnliche Wirkungen, werden jedoch im Gegensatz zu Hormonen nicht zentral an einem Ort produziert und wirken auch nicht über die Blutbahn an entfernten Organen und Geweben. Vielmehr werden sie an verschiedensten Stellen im Körper produziert und wirken jeweils dort in direkter Umgebung (parakrine Wirkung) oder in derselben Zelle (autokrine Wirkung). Sie werden oft als Gewebshormone bezeichnet. Hauptwirkungen sind eine starke, lokale Gefäßerweiterung und eine Hemmung der Blutplättchenaggregation.

In der Gruppe der Prostaglandine gibt es spezifische Verbindungen mit besonderen Wirkungen und Funktionen (s. u.). Sie werden mit einem Buchstaben (Art der Ringstruktur) und einer Zahl (Anzahl der Doppelbindungen) bezeichnet, so beispielsweise PGE2, PGD2 und PGI2.

Aspirin und analoge Medikamente hemmen die Synthese von Prostaglandinen.

Struktur und Synthese

Die Prostaglandine sind Abkömmlinge der Arachidonsäure, einer Omega-6-Fettsäure, die von Linolsäure, einer essenziellen Fettsäure, abstammt. Sie enthalten 20 C-Atome mit einem Ring aus 5 C-Atomen in der Mitte. Ihre Synthese im Körper ist damit mittelbar von der Nahrung abhängig. Das Reservoir, aus dem Prostaglandine gebildet werden, sind Phoshpolipide, die in den Membranen jeder Zelle vorkommen. aus ihnen werden sie durch Wirkung der Phospholipase 2 (PLA2) abgespalten. Durch anschließende Wirkung der Cyclooxigenasen 1 und 2 (COX-1 und COX-2) werden aus ihnen Prostaglandine gebildet. Dieser Schritt kann durch Cyclooxigenase-Hemmer (COX-Hemmer: nichtsteroidale antientzündliche Medikamente, NSAID) unterbunden werden.

Verschiedene Prostaglandine und ihre Wirkungen

Das durch die Wirkung der Cyclooxigenase zuerst entstehende Prostaglandin (PG) ist PGG2s, aus dem durch weitere Umwandlung PGH2 entsteht. Dies ist das Ausgangsprodukt für eine Vielzahl biologisch aktiver Substanzen. Hier die wichtigsten PG und ihre Wirkungen:

  • PGE2, Bildung in Gefäßendothelzellen, in Makrophagen und Monozyten (nicht in Lymphozyten und Mastzellen), in der Magenschleimhaut: Fieber (Wirkung im Hypothalamus (1)Neuroscientist. 2018 Aug;24(4):381-399. doi: 10.1177/1073858418760481), Uteruskontraktionen, Bildung von Magenschleim (Magenschutz), Nierendurchblutung und damit Steigerung der Primärharnbildung, Förderung der Knochenresorption, Tumorförderung,
  • PGD2, Bildung vor allem in Mastzellen und Makrophagen: Wirkung als Mediator bei Entzündungen, Gefäßerweiterung (Vasodilatation), Wirksamkeit gegen Juckreiz (2)Eur. J. Pharmacol., 2004;505:229-235, Auslösung allergischer Reaktionen, Senkung der Körpertemperatur, Bronchokonstriktion, vermutlich Auslösung der androgenetischen Alopezie (zusammen mit Dihydrotestosteron),
  • PGI2 (Prostacyclin), Bildung in Gefäßendothelien: Gefäßerweiterung (Vasodilatation), Erhöhung der Gefäßpermeabilität (Folge: lokale Ödembildung), Verhinderung der Thrombozytenaktivierung,
  • Thromboxan (TXA2), Bildung vor allem in Thrombozyten, ausschließlich durch Wirkung von COX-1: Wirkungen als Gegenspieler von PGI2: Gefäßkontraktion (Vasokonstriktion), Aktivierung der Thrombozytenaggregation, Bronchokonstriktion
  • PGF2alpha, Bildung vor allem im Uterus: Uteruskontraktionen (zusammen mit PGE2), Sensibilisierung der Uterusmuskulatur für Oxytocin (Geburtseinleitung), Förderung von Haarwachstum (Behandlung einer Alopezie, Wimpernverlängerung), Bronchokonstriktion.

COX-Hemmer

Die Synthese von Prostaglandinen geschieht im Körper durch Wirkung von 2 verschiedenen Cyclooxigenasen (COX-1 und COX-2). COX-1 findet sich konstitutiv in verschiedenen Organen; sie ist überwiegend an basalen Funktionen des Körpers beteiligt, so z. B. am Schleimhautschutz des Magendarmkanals und an der Funktion der Blutplättchen (Thrombozyten). COX-2 dagegen wird überwiegend nach Bedarf aktiv; sie wird durch verschiedene Stimuli induziert, so auch speziell auch durch Entzündungsmediatoren. Während sowohl COX-1 als auch COX-2 von ASS und NSAR gehemmt werden, sind für die Hemmung von COX-2 spezifische Hemmstoffe entwickelt worden, die keine wesentliche Wirkung auf COX-1 mehr ausüben und damit kaum noch Nebenwirkungen durch ihre Hemmung aufweisen. (3)Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2001 Oct;15(5):801-20

COX-1 wird bei verschiedenen malignen Tumoren (4)Pharmaceuticals (Basel). 2018 Oct 11;11(4):101. doi: 10.3390/ph11040101, so beim Ovarialkarzinom, überexprimiert und bietet sich möglicherweise als Ziel einer Therapie an. Eine fluoreszierende Probe (Verbindung des selektive COX-1-Hemmers Mofezolac) kann als Biomarker verwendet werden. (5)Eur J Med Chem. 2019 Oct 1;179:16-25. DOI: 10.1016/j.ejmech.2019.06.039   (6)ACS Med Chem Lett. 2021 Apr 8;12(5):798-804. doi: 10.1021/acsmedchemlett.1c00065.

COX-1-Hemmung

Spezifische COX-1-Hemmer stehen derzeit kaum zur Verfügung. Mofezolac ist ein selektiver Hemmer, der analgetische Eigenschaften aufweist. (7)Prostaglandins Other Lipid Mediat. 1998 Jul;56(4):245-54. doi: 10.1016/s0090-6980(98)00054-9 Relativ selektiv wirkt niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin).

Thrombozyten: Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) bindet irreversibel an COX-1 der Thrombozyten und hemmt dauerhaft seine Wirkung und damit die Plättchen-bedingte Blutgerinnung. Eine Nachsynthese ist in den kernlosen Blutplättchen nicht möglich. Eine Verbesserung der thrombozytären Funktion bezüglich Gerinnbarkeit des Bluts kann nur durch ihre Nachbildung im Knochenmark erfolgen. Nichtsteroidale Antiphlogistika wie Ibuprofen dagegen binden reversibel an COX-1 und hemmen es nur vorübergehend.

Nieren: COX-1 ist auch in den Nieren das hauptsächlich Prostaglandine-bildende Enzym. Seine Hemmung führt zur verminderten Bildung des dort wirksamen PGE2 und damit zur verminderten Nierendurchblutung. Eine Hemmung der COX-1 durch NSAID führt damit zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion.

Magendarmtrakt: Eine COX-1-Hemmung verursacht eine Schädigung der Schleimhaut des gesamten Magendarmkanals, so dass gehäuft Erosionen und Ulcera auftreten, so z. B. eine erosive Gastritis, Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre sowie Ulcera und Erosionen im Kolon.

Dazu siehe hier.

COX-2-Hemmung

COX-2 kommt vor allem in Makrophagen und Gefäßendothelien verschiedenster Organe, so auch im Gehirn, sowie in einigen Tumoren vor. Die von ihr produzierten Prostaglandine sind wesentlich für Entzündungsprozesse verantwortlich. Ihre Hemmung durch NSAR wie auch durch spezifische COX-2-Hemmer (z.B. Celecoxib (Celebrex®) und Etoricoxib (Arcoxia ®) ) führt zur Unterdrückung von Entzündungen und entzündungsbedingtem Schmerz. Dazu siehe hier.

Wirkung von Kortisonderivaten

Glukokortikoide hemmen die Freisetzung von Arachidonsäure, der Ausgangssubstanz für die Bildung von Prostaglandinen, aus Zellmembranen durch Phospholipase A2. (8)Inflamm. Res., 2004;53:125-132 Sie unterdrücken damit nicht nur die Bildung von Prostaglandinen sondern auch die von Leukotrienen. Unter ihnen sinkt die Wirkung aller Prostaglandine. Ein abruptes Absetzen führt zu einem “Rebound”. Eine chronische Glukokortikoid-Applikation kann zur Entwicklung von Juckreiz führen (über eine reduzierte PGD2-Bildung in stimulierten Mastzellen).  (9)J Toxicol Sci. 2012;37(6):1127-34

Prostaglandine als Medikamente

Analoga von Prostaglandinen werden als Medikamente verwendet. Beispiele sind:

  • Aloprostadil (Prostavasin®), Prostaglandin-E1-Analogon, Erweiterung der peripheren Arterien bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK, Stadien III und IV),
  • Misoprostol (Cytotec®), Prostaglandin-E1-Analogon, Vorbeugung und Therapie des Ulkusleidens (Magengeschwür, Zwölffingerdarmgeschwür),
  • Dinoproston (z. B. Minprostin E2 ®), Prostaglandin-E2-Analogon, Förderung der Wehentätigkeit,
  • Sulproston (Nalador®), Prostaglandin-E2-Analogon, Förderung der Wehentätigkeit, Hemmung einer atonischen Uterusblutung durch Tonisierung der Uterusmuskulatur.

8-iso-PgF2α als Marker für oxidativen Stress

Demenz: Der Pg-Abkömmling 8-iso-Prostaglandin F ist ein Biomarker der Lipidoxidation, die wiederum als Zeichen von oxidativem Stress bei Demenzerkrankungen erhöht ist. Studienteilnehmer mit APOE ԑ4/ԑ4-Genotyp (ein Marker für das Demenzrisiko) hatten einen deutlich erhöhten Wert. (10)Alzheimers Dement. 2020 May;16(5):804-813. DOI: 10.1002/alz.12081

Traumatische Hirnschädigung: Der Plasmaspiegel von 8-iso-PGF2α war in einer Untersuchung eng assoziiert mit dem klinischen Verlauf innerhalb eines Jahres nach einer traumatischen Hirnschädigung. (11)Clin Chim Acta. 2013 Jun 5;421:7-11. DOI: 10.1016/j.cca.2013.02.030.

Koronare Herzkrankheit: Der 8-iso-PGF2α-Spiegel im Urin korrelierte in einer Untersuchung positiv mit der Größe “giftiger” arteriosklerotischer Plaques. Er wird als praktikabler Surrogatmarker für das Komplikationsrisiko bei einer koronaren Herzkrankheit angesehen (12)Prostaglandins Leukot Essent Fatty Acids. 2019 Jan;140:11-17. DOI: 10.1016/j.plefa.2018.11.008.

Abdominelles Fett und Diabetes: In einer anderen Untersuchung korrelierte er mit dem Nüchternblutzucker und der intraabdominellen Fettmasse. In beiden Fällen wird daher auf eine erhöhte Lipidperoxidation im Körper geschlossen. (13)BMC Endocr Disord. 2021 Oct 28;21(1):215. DOI: 10.1186/s12902-021-00879-3. Nach einer bariatrischen Operation sank der Spiegel bereits in der ersten Woche. (14)Obesity (Silver Spring). 2011 Aug;19(8):1663-8. DOI: 10.1038/oby.2011.58


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Verweise

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