Müdigkeit und Abgeschlagenheit

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Müdigkeit und Abgeschlagenheit (engl.: fatigue) sind nach körperlicher oder geistiger Arbeit und einem langen Tag natürlich und bedeuten das Verlangen des Körpers nach Erholung und Regeneration. Eine abnorme Müdigkeit und Abgeschlagenheit (engl.: fatigue) ist ein Zeichen, das oft erst sehr spät in seiner Bedeutung als Krankheitssymptom wahrgenommen wird. Weil eine unerklärliche und länger andauernde Abgeschlagenheit und Erschöpfung Zeichen einer körperlichen oder psychischen Krankheit sein können, sollten sie auf ihre Ursache hin untersucht werden. 1

Entstehung

Je nach Krankheitszusammenhang stehen verschiedene Entstehungsmechanismen im Vordergrund. Pathophysiologisch werden in vielen Fällen hormonelle Störungen, eine Dysregulation des 5-HT(Hydroxytryptophan)-Neurotransmitters und erhöhte Aktivität verschiedener Zytokine wie Interleukin-1 (IL-1), IL-6 und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α) in unterschiedlicher Wichtung verantwortlich gemacht. 2 Beim Sjögren-Syndrom werden nicht so sehr Entzündungsmediatoren für die Abgeschlagenheit verantwortlich gemacht, sondern Mechanismen der zellulären Stressabwehr und/oder Funktionen im Zentralnervensystem 3.

Häufige Ursachen

  • Energiemangel bei Erschöpfung und Hunger,
  • niedriger Blutdruck (Hypotonie), z. B. bei Flüssigkeitsmangel oder einer Herzkreislauferkrankung,
  • Herzleistungsschwäche (Herzinsuffizienz) mit niedrigem Blutdruck,
  • Blutarmut (Anämie),
  • Elektrolytstörung (z. B. Kochsalzmangel, Kaliummangel),
  • Hormonstörung (Krankheit der Hirnanhangsdrüse 4, Hypopituitarismus 5, der Nebenniere oder der Schilddrüse),
  • Erkrankungen des Gehirns mit Dysregulation von Neurotransmittern, auch Miterkrankung des Gehirns im Rahmen von Infektionskrankheiten und rheumatischen Erkrankungen,
  • Störungen der Zusammenarbeit von Gehirn mit Hypophyse und Nebenniere (Conn-Syndrom, Addison-Syndrom),
  • Malignom (bösartiger Tumor),
  • chronische Erkrankungen 6,
  • Psychische Ausnahmesituation (Burn-out-Syndrom, Depression).

Abnorme Müdigkeit bei Sportlern

Übertraining führt zu mangelnder morgendlicher Müdigkeit und Abnahme der Leistungsfähigkeit. Die morgens gemessenen Bewertungen von Müdigkeit und Schlafqualität können einen Hinweis auf die angemessene Trainingsintensität geben, damit z. B. ein Fußballspieler für ein kommendes piel in Topform ist. 7 8

Energiemangel

Ist anfangs noch das Gefühl einer guten Leistungsfähigkeit vorhanden, das aber inadäquat rasch einer Müdigkeit und Abgeschlagenheit weicht, so können die Reserven des Körpers geringer als normal sein. Dies kann durch z. B. einen Mangel an Glykogen, aus dem der Blutzucker regeneriert wird, oder einen Mangel an Sauerstoff in Muskulatur und Gehirn erklärbar sein.

  • Unzureichende Bereitstellung von Glukose:
    • Hungerzustände: Hunger tritt bei Nahrungsmangel (z. B. in Gebieten mit Hungersnot) auf, aber auch bei Inappetenz, z. B. bei einer Tumorkachexie oder einer Anorexia nervosa.
    • Diabetes mellitus: Bei mangelhafter Einstellung des Blutzuckers beim Diabetes kommt es zu einem Glukosemangel in Muskulatur und Gehirn mit Abnahme der Leistungsfähigkeit und einem frühzeitigen Müdigkeitsgefühl.
  • Unzureichende Bereitstellung von Sauerstoff:
    • Herzinsuffizienz: Bei mangelhafter Herzleistung kommt es früh zur muskulären und geistigen Erschöpfung.
    • Hypotonie: jede Krankheit, die mit einer Hypotonie einhergeht, führt zu vermehrtem Ruhebedürfnis und zur Abgeschlagenheit.
    • Lungenkrankheiten: Bei unzureichender Sauerstoffaufnahme in den Lungen kommt es ebenfalls früh zur muskulären und geistigen Ermüdung, so z. B. bei einer COPD oder einem Lungenemphysem.
    • Anämie: Jede ausgeprägte Blutarmut (Anämie) führt zu einer frühzeitigen Ermüdung und Abnahme der Leistungsfähigkeit mit Drang zu einer verlängerten Erholungszeit.

Hormonelle Störungen

Hormonelle Störungen können auf verschiedenen Wegen zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit führen. Sie sind oft mit Erkrankungen der Leber assoziiert, welche durch ihre Stoffwechelleistung (inkl. Ab- und Umbau von Hormonen) im Hormonhaushalt eine bedeutende Rolle spielt.

Beispiele:

  • Hypokaliämie: Alle Bedingungen, in denen eine Hypokaliämie auftreten können, können auch eine Rolle bei Abgeschlagenheit und Adynamie spielen. Beispiele sind das Conn-Syndrom und die Leberzirrhose.
  • Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose): Die Hypothyreose ist ein Beispiel für eine stoffwechselbedingte allgemeine Müdigkeit und Abgeschlagenheit, die sich je nach Ausprägung bereits in Ruhe durch ungewöhnliche Trägheit bemerkbar machen kann.
  • Morbus Addison: Sowohl der zentrale, wie der periphere Morbus Addison führen über Elekrolytverschiebungen auch zu Adynamie und Müdigkeit.

Einfluss von Mediatorstoffen

  • Entzündungen: Jede Entzündung verursacht mehr oder weniger ausgeprägte Fernwirkungen auf Konzentrationsfähigkeit (Vigilanz) und Leistungsfähigkeit. Je nach individueller Empfindlichkeit kann eine für den Patienten ungewohnte Leistungsabnahme und Abgeschlagenheit resultieren.
  • Tumore: Eine zunehmende Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind vielfach ein Frühzeichen für Krebs. Die von ihm ausgehenden Mediatorsubstanzen können zu ausgeprägter Abgeschlagenheit führen. Dabei spielt eine Beeinflussung auch des Hormonsystems (Schilddrüsenhormone und Dehydroepiandrosteronsulphate, DHEAS) eine Rolle. Tritt Abgeschlagenheit zusammen mit weiteren indirekten Tumorsymptomen, z. B. einer Gewichtsabnahme auf, so sollte ab dem mittleren Lebensalter auch an eine Paraneoplasie bei einem Malignom gedacht werden 9.

Medikamente

Einige Medikamente können zu Abgeschlagenheit und reduzierter Leistungsfähigkeit führen, so beispielsweise Beta-Blocker, Antihistaminika, Psychopharmaka und Interferon-alpha.

Schlafmangel

Schlaf führt zur Regeneration des Körpers sowohl in geistiger als auch in körperlicher Hinsicht, Schlafmangel dagegen zu vermehrter Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Störung der Aufmerksamkeit (Vigilanzstörung), oft auch zur Depression. Zu einem Schlafmangel kann es durch Lebensumstände sowie durch Krankheiten kommen.

  • Schlafapnoe-Syndrom: Während des Schlafs kommt es zu Schlafunterbrechungen durch Atemstörungen, die zu einem Aufwachen oder Beinaheaufwachen führen. Am nächsten Morgen ist der Patient unausgeschlafen und leidet unter Müdigkeit und Abgeschlagenheit, die depressive Züge annehmen können.
  • Infektionskrankheiten: Sie können im Rahmen von Fieber zu Herzklopfen und innerer Unruhe führen, die das Einschlafen behindern. Dies kann die allgemeine Abgeschlagenheit, die durch Entzündungsmediatoren bedingt ist, noch verstärken.
  • Psychiatrische Erkrankungen: insbesondere Angststörungen können mit Schlafstörungen und vermehrter Müdigkeit und Abgeschlagenheit einhergehen.
  • Jetlag: Beim Flug über verschiedene Zeitzonen kommt es zu einer Zeitumstellung, an die sich der Körper mit seiner inneren Uhr nur langsam anpasst. Zu Tageszeiten in der neuen Zeitzone kann daher physiologische Müdigkeit überwiegen.
  • Schichtarbeit, Nachtarbeit: Hier kommt es zu einer Verwirrung der körpereigenen inneren Uhr mit Schlafstörungen, die zu vielfachen Symptomen, inklusive Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Aufmerksamkeitsstörung, Depression und Kopfschmerzen, führen können.

Diagnostik

Zur Diagnostik einer ungewöhnlichen Müdigkeit und Abgeschlagenheit werden je nach Ursache eine Reihe von Untersuchungen erforderlich. Eine ausführliche Anamnese (inkl. Sozial- und Medikamentenanamnese) führt häufig bereits zu einer Verdachtsdiagnose.

Abklärung organischer Ursachen

Zu den häufigeren organischen Ursachen gehören folgende organische Erkrankungen:

Krankheiten dieser Gruppen können durch Laborkontrollen und bildgebende Verfahren eingeengt werden:

  • Bildgebende Verfahren:
    • Sonographie: Dies ist das verbreitetste Verfahren am Beginn der Diagnostik zur Sichtbarmachung von Krebs oder sonstigen Raumforderungen.
    • Computertomographie: Darstellung von Raumforderungen.
    • Magnetresonanztomographie (MRT): Darstellung von Raumforderungen.
    • Weitere Bildgebung durch z. B. Szintigraphie oder PET bzw. PET-CT.
  • Tumorkrankheiten werden durch eine systematische Tumorsuche entdeckt.

Abklärung nicht-organischer Ursachen

  • Psychiatrische Krankheiten und psychische Derangiertheit (Stressreaktionen, Burn-out) bedürfen zunächst eines weitgehenden Ausschlusses einer organischen Ursache (s. o.). Nichtorganische Ursachen zu differenzieren, ist dann Aufgabe der Psychologen und Psychiater.

Therapie

Die Therapie von ungewöhnlicher Müdigkeit und Abgeschlagenheit richtet sich nach der Ursache (siehe jeweils dort, z. B. unter chronische Nierenkrankheit, chronische Leberkrankheit, Anämie).

Melatonin: Melatonin ist ein Medikament, welches die innere Uhr adaptiert und bei nicht-krankheitsbedingter Abgeschlagenheit nützlich sein kann. Es wird oft zur Überwindung des Jetlags verwendet.

Modafinil: Modafinil ist ein Medikament zur Steigerung der Aufmerksamkeit bei ungewöhnlicher Müdigkeit und Abgeschlagenheit, wie sie beispielsweise bei der PBC oder bei Krebserkrankungen auftreten können.


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Verweise

Referenzen

  1. Indian J Med Res. 2023 Apr;157(4):358-362. doi: 10.4103/ijmr.IJMR_2989_20. PMID: 37282398[]
  2. Indian J Med Res. 2023 Apr;157(4):358-362.[]
  3. Front Immunol. 2021 Jun 25;12:703079. doi: 10.3389/fimmu.2021.703079[]
  4. Neuropsychol Rehabil. 2017 Oct;27(7):1031-1046. doi: 10.1080/09602011.2016.1215999[]
  5. Neuropsychol Rehabil. 2017 Oct;27(7):1071-1079[]
  6. Clin Sci (Lond). 2000 Jul;99(1):1-8. PMID: 10887052.[]
  7. Physiol Behav. 2017 Nov 1;181:86-94. doi: 10.1016/j.physbeh.2017.09.004. Epub 2017 Sep 5. Erratum in: Physiol Behav. 2018 Oct 1;194:589. []
  8. Front Psychol. 2017 Jun 6;8:878. doi: 10.3389/fpsyg.2017.00878[]
  9. Indian J Med Res. 2023 Apr;157(4):358-362. doi: 10.4103/ijmr.IJMR_2989_20.[]