Sjögren Syndrom

Das Sjögren Syndrom ist eine chronische Erkrankung, die vorwiegend Frauenbefällt, und die vor allem durch eine Trockenheit der Schleimhäute (trockener Mund, trockene Augen) definiert ist. Die Behandlung konzentriert sich auf eine Milderung der Symptome. Eine neue Perspektive ist die Stammzelltherapie. 1

Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Das Sjögren-Syndrom („Trockene-Augen-Syndrom“, in Frankreich: Gougerot-Sjögren-Syndrom) ist eine chronische Systemerkrankung mit zunehmendem Funktionsausfall insbesondere der Tränen- und Speicheldrüsen, aber auch von Bauchspeicheldrüse (Pankreas), Schweißdrüsen und anderen sekretorischen Drüsen. Betroffen sind vor allem Frauen mittleren Alters (f:m = 9:1).

Folge ist ein Trockenheitssyndrom (Siccasyndrom). Es besteht hauptsächlich aus trockenem Mund, trockener Nasenschleimhaut und trockenen Augen mit dem Gefühl von Sandreiben. Eine mangelhafte Bildung von Sekreten führt zudem zu einer erhöhten Neigung zu Entzündungen der Bronchien, der Bauchspeicheldrüse und der Gelenke. Auch andere Organe wie Nieren, Leber und Schilddrüse können betroffen sein.

Assoziierte Krankheiten: Häufig sind mit dem Sjögren-Syndrom andere Autoimmunkrankheiten verbunden. Besonderes Augenmerk ist auf das erheblich erhöhte Risiko bösartiger Lymphknotenerkrankungen (maligne Lymphome) zu richten.

Die Entstehung ist weitgehend ungeklärt.

Die Therapie ist schwierig; im Zentrum steht eine Behandlung der Symptome mit künstlichem Speichel und künstlicher Tränenflüssigkeit. Neue Perspektiven bieten Erfolge bei einer Stammzelltherapie.


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Allgemeines

Das Sjögren-Syndrom kommt relativ häufig vor (0.5-1%) und gehört zu den häufigsten autoimmunen Rheumaerkrankungen. 2 3 Als eigenes Krankheitsbild wird das Syndrom erst seit 1933 durch den Schwedischen Augenarzt Henrik Sjögren geführt, der Fälle einer Keratokonjunktivitis sicca (trockene Augenentzündung) mit Gelenkscherzen und trockenem Mund verband. 4

Entstehung

Die auslösende Ursache des primären Sjögren-Syndroms (pSS) ist unbekannt (Infektiöse Prinzipien, z. B. Viren?). Coxsackieviren werden mit der Auslösung des Sjögren-Syndroms in Zusammenhang gebracht 5. Eine autoimmunologische Pathogenese ist wahrscheinlich. Es finden sich Infiltrationen von Lymphozyten in die Drüsen; sie führen zu autoaggressiven Reaktionen mit einem zunehmenden Abbau von Drüsengewebe (Atrophie).

Es lassen sich typischerweise Autoantigene nachweisen, insbesondere „Sjögren’s syndrome type A (Ro)-“ and „Sjögren’s syndrome type B (La)-Antigene“. Ein auslösendes Antigen ist nicht bekannt. Eine Hypothese besagt, dass eine immunvermittelte Schädigung der muskarinischen Rezeptoren des Parasympathicus zur Funktionsstörung der exokrinen Drüsen (nach außen abgebende Drüsen) führt 6.

Symptomatik

Betroffen sind überwiegend Frauen mittleren Alters. Die Trockenheit der Schleimhäute (Sicca-Symptomatik) im Mund- und Nasenbereich und der Augen fällt den Betroffenen meist zuerst auf. Später können weitere Symptome hinzukommen.

Sicca-typische Symptome

  • trockene Augen (Ceratoconjunctivitis sicca, Xerophthalmie)
  • trockener Mund (Xerostomie) mit Geschmacksstörungen und Problemen beim Kauen und Schlucken, Neigung zu Schleimhautdefekten im Mund, 7
  • Probleme mit Zähnen: Parodontitis,
  • Konkremente in den Speichelgängen, dadurch Neigung zu wiederholten Entzündungen der Speicheldrüsen (typisch: die häufige Parotitis)
  • chronisch atrophische Rhinitis mit Geruchsstörungen
  • Verdauungsstörungen, bedingt durch Verminderung der Sekrete innerer Organe,
  • Gelenkbeschwerden, bedingt durch Mangel an Synovialflüssigkeit,
  • Vulvatrockenheit, daher Schmerzen bei Intimkontakten
  • Schwerhörigkeit, bedingt durch Mangel an Endolymphe.

Neurologische Symptomatik

Mit der Sjögren-Krankheit kann eine distale sensorische und sensomotorische Neuropathie einhergehen. Seltener sind Manifestationen des zentralen Nervensystems. Sie beinhalten fokale zentrale Läsionen wie bei der Multiplen Sklerose, zerebelläre Syndrome mit Bewegungsstörungen, Probleme mit Gedächtnis und Kognition. Es kann sich eine Depression entwickeln. 8

Unspezifische Symptome

Komplikationen

Folgende Komplikationen treten gehäuft auf:

Diagnostik

Folgende Kriterien sind bei der Diagnosestellung zu berücksichtigen:

  • Geschlecht: 90 % Frauen
  • Alter: meist zwischen 20 und 60 Jahre
  • Anamnese (Mund- und Augentrockenheit)
  • Schirmer-Test (Löschpapierstreifen unter das Unterlid: soll >5 mm/5 min Flüssigkeitsproduktion)
  • Laboruntersuchungen:
    • ANA (nicht immer positiv), SS-A/Ro- und SS-B/La-Antikörper, pos. Rheumafaktor,
    •  Anti-MR3-Autoantikörper (Antikörper gegen Muscarinrezeptor Typ 3): Hohe Spezifität (95%), relativ geringe Sensitivität (43%). 10
    • Antikörper gegen Alpha-Fodrin (Anti α-Fodrin IgA sind bei 98 % unbehandelter Patienten positiv). 11 12: Hohe Spezifität, geringe Sensitivität für das Sjögren Syndrom. 13
    • Das Speichel-Metabolom wird als ein neuer nützlicher Marker für die Diagnostik angesehen. 14
  • Histologie aus einer Speicheldrüse (nicht immer erforderlich)

Klassifizierung

Die Klassifizierung einer primären Sjögren-Krankheit (pSS) erfordert 3 von 4 der folgenden objektiven Kriterien: 15

  • Okulare Zeichen: unbetäubter Schirmer-Test ≤5 mm in 5 Minuten
  • Beteiligung der Speicheldrüse durch Funktionstest: Unstimulierter gesamter Speichelfluss (≤1,5 ml in 15 Minuten), Parotisialographie, die das Vorhandensein einer diffusen Sialektase zeigt (punktförmiges, kavitäres oder destruktives Muster), ohne Anzeichen einer Obstruktion in den Hauptgängen
  • Vorhandensein von Autoantikörpern: Anti-Ro (SSA) oder Anti-La (SSB) oder beides.
  • Histopathologie: fokale lymphozytäre Sialadenitis

Eine HIV-Infektion und Hepatitis C sollten ausgeschlossen werden.

Differentialdiagnosen

Eine Sicca-Symptomatik kann auch bei der PBC vorkommen (ebenfalls Frauen mittleren Alters betroffen, aber bei der PBC hohe Cholestasewerte und positive AMA).

Gelegentlich ist ein andauerndes Sicca-Syndrom auch bei einer Sarkoidose zu gewärtigen. 16

Assoziierte Erkrankungen

Zusammen mit einem Sjögren-Syndrom können weitere Autoimmunkrankheiten und lymphatische Systemerkrankungen auftreten 17:

Therapie

Eine kausale Therapie steht nicht zur Verfügung. Unter Umständen kann eine immunsuppressive Therapie erwogen werden; bisher hat sie wenig Erfolgsaussichten gezeigt.

Rituximab wurde auf seine Effektivität untersucht. In einer Arbeit wurde eine nur geringe Verbesserung der Funktion der Tränendrüsen 18, in einer anderen dagegen keine gefunden 19.

Eine symptomatische Therapie kann besonders unangenehme Beschwerden lindern: z. B.

  • häufiges Trinken kleiner Schlucke zur Befeuchtung von Mund und Speiseröhre,
  • künstlicher Speichel, künstliche Tränen,  feuchtende Nasensprays / weiche Nasensalbe,
  • Behandlung der Komplikationen. 20
  • Eine weiche Kontaktlinse kann die Cornea des Auges vor Austrocknen schützen. 21

Perspektiven

Die Kombination einer vorübergehenden Depletion von CD4+ T-Zellen mit der Verabreichung des Autoantigen-spezifischen Peptids Ro480 erbrachte in einem Mausmodell eine Besserung des Verlaufs. Sie konnte die Interferon-γ-Produktion von CD4+-T-Zellen und die Entzündungsinfiltration in Speicheldrüsen unterdrücken. 22

Eine Stammzell-Therapie hat beim Menschen 23 24 und in Tierexperimenten gute Erfolge erzielt. 25 26


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Verweise

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Referenzen

  1. Front Immunol. 2023 Feb 2;14:1127417. doi: 10.3389/fimmu.2023.1127417[]
  2. 2013 Jan;19(1):46-58. doi: 10.1111/j.1601-0825.2012.01930.x.[]
  3. Med Oral Patol Oral Cir Bucal. 2018 Jul 1;23(4):e391-e400. doi: 10.4317/medoral.22286.[]
  4. Sjögren H. Zur Kenntnis der Keratoconjunctivitis sicca. Acta Ophthalomol. 1933; 11: 1-151[]
  5. Ann N Y Acad Sci. 2005; 1050: 389-96[]
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  13. Clin Biochem 2013 Oct;46(15):1372-6. doi: 10.1016/j.clinbiochem.2013.04.020.[]
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  15. Ann Rheum Dis. 2002; 61: 554-558[]
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