Septischer Schock

Septischer Schock bedeutet Kreislaufzusammenbruch durch Blutdruckabfall infolge einer bakteriellen Vergiftung. Er ist hochgradig lebensbedrohlich. Klinisch ist er gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Hypotonie mit dem hohen Risiko eines Multiorganversagens.


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der
Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Das Wichtigste verständlich

Kurzgefasst
Schock bedeutet dramatischer Abfall des Blutdrucks; septisch bedeutet, dass er infektiös bedingt ist. Wenn eine bakterielle Blutvergiftung zu hohem Fieber mit Fieberzacken führt, ist höchste Aufmerksamkeit geboten.

Relativ häufige Ursachen sind eine bakterielle Entzündung der Harnwege, wenn der Urin nicht abfließen kann, (Urosepsis) oder der Gallenblase und der Gallenwege. Wenn eine Abwehrschwäche des Immunsystems vorliegt, ist die Gefahr besonders hoch. Dies kann der Fall sein bei eine Blut- oder Tumorkrankheit (z. B. bei einer Lymphomkrankheit) oder durch Medikamente (Immunsuppressiva, Chemotherapeutika) bedingt.

Der septische Schock ist vom hypovolämischen Schock (Schock durch Volumenmangel im Blutgefäßsystem), bei dem die Blutgefäße der Haut sich stark verengen, so dass die Haut weiß aussieht, durch eine warme, rötlich-livide Haut rasch unterscheidbar. Er verläuft selbst unter Bedingungen einer Intensivmedizin in etwa 1/5 der Fälle tödlich; daran hat auch eine Protokoll-basierte sehr frühzeitig einsetzende Behandlung bisher nichts geändert. Entscheidend ist ganz offensichtlich, wie früh der behandelnde Arzt an die Möglichkeit der Entwicklung einer Sepsis mit Organversagen denkt.

Ein Schock mit Erweiterung der Blutgefäße (Gefäßdilatation), der nicht auf gefäßverengende Maßnahmen anspricht, hat eine besonders hohe Todesrate von über 50%. Sie kann durch den Einsatz von Angiotensin II, welches den Blutdruck dann oft immer noch anzuheben vermag, etwas gesenkt werden.

→ Allgemeines zum Schock siehe hier.

Entstehung

Keime, die aufgrund ihrer invasiven Fähigkeiten das Abwehrsystem des Körpers leicht überwinden und eindringen können, sind bezüglich einer Infektion und Sepsis besonders gefährlich. Bei reduzierter Immunabwehr des Körpers ist das Risiko einer bakteriellen Invasion besonders erhöht. Reichen die Abwehrreaktionen durch Rekrutierung der Zellen des Abwehrsystems (wie Leukozyten, Lymphozyten und Makrophagen) nicht aus, kommt es zu einer fatalen Entwicklung mit nicht oder kaum therapierbarem Blutdruckabfall, Multiorganversagen (insbesondere von Herz, Nieren und Lungen), einer Funktionsstörung des Gehirns (Enzephalopathie, Somnolenz bis zur Bewusstlosigkeit) und hoher Letalität (Todesrate).

Zu einem septischen Schock kommt es bei Überwiegen einer Infektion über die Körperabwehr. Die wirksamen Waffen der Bakterien sind ihre Endotoxine. Dies sind toxische bakterielle Stoffe, auf die der Körper mit Entzündungsreaktionen und auch einer Erweiterung der Blutgefäße reagiert. Ist die Erweiterung der Blutgefäße nicht lokal sondern systemisch, versackt das Blut und es kommt zum Blutdruckabfall (dazu siehe hier).

Zur Sepsis siehe hier.
Zum Schock siehe hier.

Diagnostik

Die Diagnostik zielt auf die Erkennung der Sepsis und einer bereits eingetretenden Schädigung von Organen.

  • Klinische Zeichen: Fieber, Blutdruckabfall und Tachykardie bei warmer Haut sind klinische Zeichen, die in die Richtung einer Sepsis oder – differenzialdiagnostisch – eines allergischen Schocks weisen.
  • Laborwerte: Unter den Laborwerten sind die Leukozytenzahlen meist stark erhöht; eine Leukozytose kann jedoch bei einer Bildungsstörung im Knochenmark fehlen. Die Entzündungsparametern sind in unterschiedlicher Weise erhöht, wobei die frühe und starke Erhöhung von IL-6, IL-8 und IL-10 mit einer deutlich erhöhten Letalität assoziiert sind. (1)Cytokine. 2008 Mar;41(3):263-7 Die Thrombozytenzahl kann eine Verbrauchskoagulopathie erkennen lassen.
  • Untersuchung der Organsysteme: Nierenwerte geben Auskunft über eine vorbestehende oder im Rahmen der Sepsis eingetretenden Nierenschädigung, EKG und Herzecho über eine Herzbeteiligung, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung des Blut über die Lungenfunktion (siehe hier), die Leberwerte und die Sonographie des Oberbauchs über den Zustand der Leber. Die regelmäßige Untersuchung der Haut und der Bindehaut der Augen auf “septische Herdchen” (siehe hier) gehört zur Verlaufskontrolle.

Vorgehen

Empfohlen wird laut internationaler Übereinstimmung: (2)Crit Care Med. 2008 Jan;36(1):296-327

  • Blutkulturen vor antibiotischer Therapie,
  • bildgebende Verfahren zur Suche eines Infektionsfokus (Sonographie, Computertomographie, MRT),
  • Breitspektrumantibiotika innerhalb der ersten Stunde nach Diagnose des septischen Schocks mit Überprüfung des Antibiotika-Erfolgs innerhalb kurzer Zeit; Dauer der Antibiose je nach Erfolg 7-10 Tage,
  • Volumenauffüllung bei Hypotonie,
  • zudem medikamentöse Gefäßverengung durch Vasopressoren (durch Adrenalin, Dopamin, neuerdings auch Empfehlung von Terlipressin (3)PLoS One. 2012; 7(2): e29693 ), Ziel ist ein Blutdruck über 65 mm Hg,
  • Dobutamin zur Steigerung der Herzkraft (positive Inotropie), wenn durch Volumensubstitution und medikamentöse Gefäßverengung (s.o.) kein adäquater Blutdruckanstieg zu erreichen ist,
  • Glukokortikoide als Stresshormone nur dann, wenn ein ausreichender Blutdruckanstieg durch die vorangegangenen Maßnahmen nicht erreichbar ist.

Zudem müssen die Nierenfunktion und die Lungenfunktion überwacht und ggf. unterstützt werden. Häufig ist eine Nierenersatztherapie erforderlich, für die jedoch zunächst ausreichende Blutdruckverhältnisse hergestellt werden müssen (zum Aufbau eines Filtrationdrucks).

Blutdruckanhebung in therapieresistenten Fällen

In den nicht seltenen Fällen, in denen die Blutdruck steigernden Maßnahmen (Katecholamine) unzureichend wirken, liegt die Todesrate mit über 50% besonders hoch. Eine Studie zeigt nun, dass sich in diesen Fällen eine leichte Verbesserung durch Angiotensin II erreichen lässt. Es hebt in etwa 70% den Blutdruck um über 10 mm Hg oder auf mindestens 75 mm Hg systolisch an und senkt die Todesrate innerhab der ersten 4 Wochen von 54% auf 46%. (4)N Engl J Med 2017; 377:419-430 doi: 10.1056/NEJMoa1704154

Erfolg der Behandlung

Alle Maßnahmen zur Verbesserung der Überlebenschance, die auf Intensivstationen ergriffen werden, kommen offenbar oft zu spät! Untersuchungen zur standardisierten und protokollbasierten Therapie mit häufigen oder kontinuierlicher Überprüfung der Entzündungs- und Vitalparameter, die in Leitlinien vorgeschlagen wurden (5)Crit Care Med. 2013 Feb;41(2):580-637, haben bisher zu keiner signifikanten Verbesserung des Ergebnisses gegenüber herkömmlicher Behandlung geführt. (6)Crit Care Med. 2012 Jul;40(7):2096-101

Eine große multizentrische Studie (7)N Engl J Med. 2014 May 1;370(18):1683-93, in der 1341 Patienten mit septischem Schock in 3 Behandlungsarme aufgeteilt worden waren, bestätigt dies. Sie ergab folgende Mortalitätsrisiken innerhalb eines 60-Tageszeitraums:

  • 439 Patienten wurden Protokoll-basiert besonders frühzeitig und intensiv nach einem 6-Stunden Protokoll einer “early goal-directed therapy” (EGDT) behandelt: 92 Todesfälle (21%),
  • 446 Patienten wurden mit einer Protokoll-basierten Standardtherapie behandelt: 81 Todesfälle (18,2%),
  • 456 Patienten wurden mit einer Standardtherapie (nicht nach Protokoll) behandelt: 86 Todesfälle (18,9%).

Die Früherkennung wird als entscheidend für die Prognose angesehen: “. . . the physicians say it happens in hectic fever, that in the beginning of the malady it is easy to cure but difficult to detect, but in the course of time, not having been either detected or treated in the beginning, it becomes easy to detect but difficult to cure.” (zitiert nach (8)N Engl J Med. 2014 Jul 24;371(4):386-7 ).

In einer Studie, die den Verlauf von insgesamt 1260 Patienten mit innerhalb 6 Stunden diagnostiziertem septischem Schock (EGDT-Protokoll) mit Nicht-EGDT-Patienten vergleicht, wird in einem 90-Tagezeitraum jedoch kein Unterschied in der Sterberate (jeweils etwa 29%) gefunden (9)N Engl J Med. 2015 Apr 2;372(14):1301-11. doi: 10.1056/NEJMoa1500896.


Über facebook informieren wir Sie über Neues auf unseren Seiten!


Verweise

 

 


Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)


 

Literatur[+]