Allgemeines
Das Antisynthetase-Syndrom (engl.:anti-synthetase syndrome, ASSD oder ASyS) wird als Subtyp der „idiopathischen entzündlichen Myopathie“, einer chronisch entzündlichen Muskelerkrankung, aufgefasst und ist mit einer interstitiellen Lungenerkrankung assoziiert. Der Diagnose beruht auf der Trias:
- Myopathie (Muskelentzündung),
- Arthritis (Gelenkentzündung) und
- interstitielle Lungenerkrankung (ILD).
Zur Diagnosestellung gehört zudem
- der Nachweis von Antisynthetase-Antikörpern (Aminoacyl-tRNA-Synthetase-Antikörpern).
Behandlung und Prognose unterscheiden sich zwischen Antisynthetase-Syndrom und idiopathischer interstitieller Lungenerkrankung. Beide sind daher diagnostisch zu unterscheiden. 1
Das Wichtigste verständlich
Das Das Antisynthetase-Syndrom ist ein Untertyp einer nicht infektiös bedingten Muskelentzündung (idiopathische entzündliche Myopathie) und mit einer ebenfalls nicht infektiös bedingten Lungenerkrankung assoziiert. Die Erkrankung betrifft verschiedene Organe und Strukturen des Körpers, vor allem Lungen, Gelenke und Muskeln.
Ursächlich ist ein abnorm reagierendes Immunsystem. Symptome: Typisch ist der Beginn mit einer der 3 Hauptsymptome (Trias): Muskelentzündung (Myositis), Gelenkentzündung (Arthritis) und Lungenkrankheit mit Atemnot und Husten. Die Lungenkrankheit ist eine interstitielle Pneumonitis mit der Tendenz zur Entwicklung einer Lungenfibrose (diffuse Lungenvernarbung). Frühzeitige Diagnostik erforderlich: Wenn bereits bei Vorliegen eines der Hauptsymptome Antisynthetase-Antikörper überprüft werden, kann in einem frühen Stadium bereits ein Antisynthetase-Syndrom wahrscheinlich gemacht und ihr Verlauf therapeutisch verlangsamt werden. Ohne frühzeitige Behandlung bezieht die Krankheit allmählich fortschreitend die anderen Symptome der Trias ein. Der Verlauf kann Schübe aufweisen und ist mit einer hohen Sterblichkeit (Mortalität) verbunden. Die Behandlung zielt auf das Immunsystem und beinhaltet meist Prednisolon und Azathioprin, bei unzureichendem Ansprechen auch Cyclophosphamid, Tacrolimus und Rituximab. |
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Entstehung, Untertypen
Die Ätiopathogenese ist nicht völlig geklärt. Das Zielantigen des Antisynthetase-Antikörpers, die Aminoacyl-tRNA-Synthetase, spielt bei der Übersetzung von mRNA in Protein eine Rolle. Ob sie eine Bedeutung für die Krankheitsentstehung hat, ist nicht bekannt.
Es lassen sich verschiedene Aminoacyl-tRNA-Synthetasen (ARS) differenzieren. Ihre Häufigkeit bei ASyS ist laut einer Publikation folgende: 2 Anti-Jo1 (Myositis-spezifischer Antikörper, bei bis zu 88 % der ASyS-Patienten), Anti-PL7, Anti-PL12, Anti-OJ, Anti-EJ, Anti-KS, Anti -Zo und Anti-SC. In einer weiteren Untersuchung an 828 ASSD-Patienten hatten 593 Anti-Jo1-, 95 Anti-PL7-, 84 Anti-PL12-, 38 Anti-EJ- und 18 Anti-OJ-Antikörper. 3
Die Erkrankung beginnt meist mit nur einem der Symptome der o.g. Symptomtrias. Laut der AENEAS-Studie ist es häufig eine isolierte ILD (interstitielle Lungenkrankheit), eine Myopathie (Muskelerkrankung) oder eine Arthritis (Gelenkentzündung). 4
Bedeutung von Antikörper-Untertypen
Laut bisheriger Studien besteht kein wesentlicher Zusammenhang zwischen den klinischen Erscheinungsformen und verschiedenen Antikörperkonstellationen. Tendenzielle Zusammenhänge sind die folgenden: 5
- Anti-Jo-1-, Anti-PL-7- und Anti-EJ-Antikörpern: mehr unspezifische interstitielle Pneumonie, mehr Myositis
- Anti-Jo-1: mehr Arthritis als bei Anti-PL-12- und Anti-EJ-Positivität
- Anti-PL-12: mehr organisierende Pneumonie und
- Anti-OJ-Antikörper: mehr gewöhnliche interstitielle Pneumonie; besonders schwere Muskelbeteiligung 6.
Eine Metaanalyse mit 3.487 Patienten zeigte eine etwas höhere Prävalenz einer ILD bei Nicht-Anti-Jo1- und einer Myositis bei Anti-Jo1-Patienten auf. 7
Anti-Jo1 ist der am häufigsten positive Antikörper. 8 Anti-Jo1-positive Patienten zeigten in der AENEAS-Studie anfangs 21 % isolierte pulmonale Symptome; nach durchschnittlich 72 Monaten wurden bei 82 % der Anti-Jo1-positiven Patienten eine ILD (interstitielle Lungenkrankheit) festgestellt, von denen 20,8 % keine Symptome aufwiesen. 9
Symptomatik

Die Symptomatik ist variabel und kann folgende Auswirkungen umfassen: 4
Lungenkrankheit: Eine interstitielle Lungenentzündung hat eine Prävalenz von 67 bis 100 %. Die häufigsten Symptome sind Husten und Dyspnoe. In einer Untersuchung hatten 42,2 % Pleuraergüsse. 10
Myopathie: In 91% der Fälle wird eine Muskelschwäche mit unterschiedlicher Ausprägung beobachtet 11, die auch Schwierigkeiten beim Aufstehen oder Treppensteigen bewirken kann. Umgekehrt wurden bei 22 % der Patienten mit einer autoimmunen Myopathie Autoantikörper gegen Aminoacyl-tRNA-Synthetasen (ARSs) nachgewiesen. 12 Anti-OJ-Antikörper waren in einer Untersuchung mit einer schweren Muskelstörung verbunden. 13 Es kann selten zu Muskelzellzerfall (Rhabdomyolyse) kommen, bei der besonders hohes Myoglobin und LDH im Blut nachweisbar sind und eine Nierenfunktionsstörung auftritt. 14
Arthritis: betroffen sind vor allem kleine Gelenke der Hände und Füße, unspezifisches Symptom in 18 bis 55 % der Fälle. Sie kann seronegative entzündliche, rheumatoide und CTD-assoziierter Arthritiden imitieren.
Raynaud-Phänomen: in 51% der Fälle im EuroMyositis-Register treten weiße Finger durch spastische Gefäßveränderungen an den Händen auf (siehe hier). Die Vaskulopathie kann auch zu schweren und anhaltenden Durchblutungsstörungen führen kann (s.u.).
Schwere digitale Ischämie: Solch eine Komplikation an den kleinen Blutgefäßen mit digitalen Ulzera kann in seltenen Fällen bei Patienten mit Antisynthetase-Antikörpern und mit dem Phänotyp einer systemischem Sklerose festgestellt werden. In diesen Fällen können systemischen Sklerose-spezifische Autoantikörper fehlen. 15 Zugrunde liegt eine okklusive Vaskulopathie. 16
Diagnostik
Wenn entzündliche Schwielenbildungen an Fingern, Muskelschwäche bzw. -schmerzen, Fieber, eine Gelenkentzündung (Arthritis), Symptome einer interstitiellen Lungenkrankheit und „abgestorbene Finger“ im Sinne eines Raynaud-Phänomens zusammenkommen, ist an das seltene Antisynthetase-Syndrom zu denken. Die Diagnostik umfasst hauptsächlich serologische Tests und bildgebende Verfahren. Diagnoseweisend sind Autoantikörper gegen eine Aminoacyl-tRNA-Synthetase. 1 4
Lungenkrankheit: Funktionsprüfung (Leistungsabnahme), Hochauflösende Computertomographie (HRCT): Nachweis einer unspezifischen interstitiellen Pneumonitis, (organisierende bzw. karnefizierende Pneumonitis, abakterielle toxisch bedingte Entzündung), bronchoalveoläre Lavage, ggf. Lungenbiopsie.
Laborwerte: Serologische Bestimmung von Antisynthetase-Antikörpern, ANA, Troponin T (cTnT), Laktatdehydrogenase (LDH) und Alanintransferase (ALT). Diese Werte können während einer Skelettmuskelentzündung (Myositis) erhöht sein.
82 % der ANA-negativen ASyS-Patienten hatten in einer Untersuchung eine positive zytoplasmatische Immunfluoreszenzfärbung, was auf das Vorhandensein von Antisynthetase-Antikörpern deutet. 17
Muskelschwäche: Quantifizierung über einen MMT8-Score durch manuelles Muskeltesten von acht Muskelgruppen; Elektromyographie. Eine Rhabdomyolyse (Muskelzerfall) lässt sich durch stark erhöhte Werte für Myoglobin und LDH im Serum nachweisen; sie sollten Anlass sein, die Nierenwerte zu bestimmen, da eine Crush-Niere durch verstopfte Nierenkörperchen auftreten kann.
Differenzialdiagnosen
Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) unterscheiden sich von Patienten mit ASyS, da sie überwiegend Männer in höherem Alter betrifft. 18 Es gibt jedoch Überschneidungen von ASyS und IPF.
Die Muskelentzündung (Myositis) und die Arthritis im Rahmen eines ASSD haben jeweils eine Reihe von Differenzialdiagnosen, die geklärt werden müssen (s.u.). Bei Muskelsymptomen kommen verschiedene Formen aus der Gruppe der idiopathischen entzündlichen Myopathien (IIM) in Betracht. 19
Therapie
Die Behandlung von Patienten mit Anti-Synthetase-Syndrom beinhaltet häufig eine multimodale immunsuppressive Therapie. 20 Zu den Therapieoptionen gehören Mycophenolatmofetil, Azathioprin, Rituximab und Calcineurin-Inhibitoren. 21
Lungenerkrankung: Die interstitielle Lungenerkrankung (ILD), spricht auf Kortikosteroide, Mycophenolat, Cyclophosphamid und Azathioprin an. Azathioprin kann die Kortikoiddosis reduzieren helfen. 22 23 In einem Fall hat eine zu Prednisolon zusätzliche Applikation von Tacrolimus eine entscheidende Verbesserung ergeben. 24
In einem Fall einer lebensbedrohlichen interstitiellen Lungenkrankheit bei ASSD wurde Rituximab (RTX) eingesetzt und führte zu einer deutlichen Verbesserung. 25 Eine Studie, bei der RTX verwendet wurde, wenn die Krankheit trotz Kortikosteroiden fortschritt oder wiederkam, zeigte in 79-88% eine Verbesserung der funktionellen Lungenparameter inkl. der Lungentotalkapazität. 26
Muskelerkrankung: Die Behandlung entzündlicher Myopathien basiert auf individuellen Erfahrungen und nicht auf Studien. 27
Im Fall einer schweren Myopathie mit Rhabdomyolyse ist eine systemische Behandlung mit Kortikosteroiden und Rituximab erfolgreich gewesen. 14
Verlauf und Prognose
Die Erkrankung neigt zu chronischem Verlauf mit allmählicher Verschlechterung und Schüben.
- Eine Langzeitstudie an 47 ASyS-Patienten mit Lungenbefunden zeigte, dass anfängliche nicht-fibrotische radiologische Veränderungen der Lungen bei 23,3 % verschwanden (n = 7), sich aber bei 6,7 % (n = 2) weiterentwickelten, bei 13,3 % (n = 4) bestehen blieben und bei 56,7 % (n = 17) fortschritten. Anfängliche fibrotische Muster im Röntgenbild blieben bei 82,4 % (n = 14) bestehen und schritten bei 17,6 % (n = 3) fort. 28
- Eine retrospektive Studie an 62 Patienten mit interstitieller Lungenkrankheit im Rahmen eines ASyS besagt, dass Rituximab (+ Steroide) einen etwas besseren Langzeiterfolg nach 2 Jahren bewirkte als Cyclophosphamid (+Steroide). 29
Verweise
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