Herzinsuffizienz bedeutet Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Herzens. Der Begriff ist relativ zu sehen, da die Anforderungen, die man dem Herzen zumutet, zu berücksichtigen sind. Auch gesunde Menschen kommen bei starken Leistungsanforderungen an die Grenze der Leistungsfähigkeit des Herzen. Gemeint ist bei “Herzinsuffizienz” jedoch eine so niedrige Schwelle, dass Alltagsanforderungen nicht bewältigt werden können und eine Krankheit als Ursache zu vermuten ist. Typische Symptome sind Luftnot schon bei geringer Anstrenung, starkes Herzklopfen, Schwindel, Ödeme, blaue Lippen (Zyanose) und Versagen der Beine. (1)J Am Coll Cardiol. 2019 Jun 4;73(21):2756-2768. doi: 10.1016/j.jacc.2019.03.478
Inhaltsverzeichnis
Einteilung
Die Herzinsuffizienz (heart failure, HF) wird eingeteilt in HFrEF (Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion) und HFpEF (Herzinsuffizienz mit “preserved” Ejektionsfraktion). Die HFrEF wird definiert durch eine klinische Symptomatik plus LVEF (linksventrikuläre Ejektionsfraktion) ≤40%. Die HFpEF weist eine LVEF ≥50% auf.
Die Herzleistungsschwäche lässt sich unterteilen in eine
- Insuffizienz des rechten Herzens, Rechtsherzinsuffizienz,
- Insuffizienz des linken Herzens, Linksherzinsuffizienz, die in den meisten Fällen die Herzinsuffizienz betimmt,
- globale Herzinsuffizienz: Insuffizienz beider Herzhälften.
Ursachen
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Ursachen einer Herzinsuffizienz, die jedoch vielfach kombiniert auftreten. Häufige Ursachen sind:
- Koronarinsuffizienz (ischämische Herzinsuffizienz): Eine Mangeldurchblutung des Herzmuskels bedeutet eine mangelhafte Kraftreserve; sie macht sich zunächst bei Abforderung einer körperlichen Leistung (z. B. durch Kranftlosigkeit und Atemnot) bemerkbar (Belastungsinsuffizienz), später auch bereits in Ruhe (Atemnot in Ruhe, Ruhedyspnoe). Ursachen sind am häufigsten Rauchen, erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen, metabolisches Syndrom und Diabetes mellitus (siehe unter koronare Risikofaktoren). Die so bedingte Herzinsuffizienz kommt durch eine Muskelschwäche zustande: HFrEF (heart failure with reduced election fraction).
- Insuffizienz von Herzklappen: bei einer geringfügigen Klappenstörung, sei es einer Stenose oder einer Insuffizienz, kann das Herz die durch sie bedingte Mehrarbeit gut kompensieren. Bei höhergradigen Klappenschäden kommt es an seine Leistungsgrenze und kann dekompensieren (beispielsweise bei der Aorteninsuffizienz, Aortenstenose, Mitralinsuffizienz, Mitralstenose). Die Mitralinsuffizienz und die Pulmonalinsuffizienz können jedoch selbst auch Auswirkungen einer Herzinsuffizienz sein und diese verstärken. Eine Mitralinsuffizienz führt dabei zu einer Lungenstauung und zum Lungenödem. Eine Pulmonalinsuffizienz manifestiert sich an einer vermehrten Füllung der Halsvenen (bei gestörtem Abfluss: “Halsvenenstauung“).
- Herzrhythmusstörungen: Verschiedene Rhythmusstörungen des Herzens sind mit einer Minderung der Auswurfleistung (forward failure) verbunden. Eine Kammertachykardie kann beispielsweise zu einer so starken Verkürzung der Diastole, d. h. Verminderung der Füllungszeit, führen, dass das Auswurfvolumen und damit der Blutdruck stark sinken. Auch können multiple Extrasystolen in rascher Folge zu einer Abnahme des Herzminutenvolumens führen, ebenso eine starke Verlangsamung der Herzfrequenz (Bradykardie). Rhythmusstörungen können auch bei Herzen, deren Muskulatur kräftig genug ist, zu einer Insuffizienz führen: HFpEF (heart failure with preserved ejection fraction).
- Erkrankung des Herzmuskels, z. B.
- Myokarditis: Entzündung der Herzmuskulatur mit Leistungsverlust,
- Herzinfarkt: Ausfall eines mehr oder weniger großen Areals der Herzmuskulatur durch fehlende Blutversorgung, Ausbildung eines Herzwandaneurysmas.
Entstehung
Die Herzinsuffizienz ist am häufigsten durch eine Erkrankung der Herzmuskulatur (Myokard) und durch eine Minderversorgung des Myokards mit Blut, am häufigsten durch eine Koronarsklerose (koronare Herzkrankheit) bedingt. Sie ist mit einem erhöhten Risiko für Rhythmusstörungen verbunden. Die Mechanismen, die zur Entstehung und Verschlechterung einer Herzleistungsschwäche führen, sind komplex und beinhalten das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), eine Hypertonie und einen überaktiven Sympathikus. Für eine Koronarsklerose sind meistens ein metabolisches Syndrom, eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Rauchen und eine Fettstoffwechselstörung verantwortlich. Im Laufe der Zeit kommt es zu einer Umordnung der Myokardfasern (Remodeling) mit der Folge, dass die Herzkraft dauerhaft abnimmt.
→ Zur Entstehung einer Herzinsuffizienz siehe hier.
Symptomatik, Ausprägung
Einschränkung der Leistungsfähigkeit unter hohen / mittleren / geringen Belastungen (im Alltag an der Zahl der Etagen oder Treppenstufen ablesbar, die man hochsteigen kann) oder unter Ruhebedingungen. Reaktiv Pulsbeschleunigung (Tachykardie) bis zu heftigem Herzklopfen, klinisch als präkordiales Tapping nachweisbar.
- Vorwärtsfehler (“forward failure”): unzureichender Druckaufbau im großen Kreislauf (niedriger Blutdruck, mangelnder Blutdruckanstieg bei Belastung). Zittrigkeit, Versagen der Beine, Schwindel, Flimmern vor den Augen, Übelkeit, Gefühl, stehen bleiben oder sich gar hinlegen zu müssen.
- Rückwärtsfehler des Herzens (“backward failure”): Blut staut sich in den Lungen (Lungenstauung), Folge Atemnot bei Belastung oder bereits in Ruhe (Ruhedyspnoe).
Die Ausprägung einer Herzinsuffizienz wird in NYHA-Stadien eingeteilt (siehe dort).
Vergleich von Männern und Frauen mit Herzinsuffizienz: Frauen sind symptomatischer, haben aber einen ähnlich schlechten Verlauf. Die Behandlungsansätze sind in etwa gleich. Allerdings wurde bemerkt, dass diese Ergebnisse wegen einer Unterrepräsentation von Frauen in klinischen Studien überprüft werden müssten. (2)J. 2017 Oct-Dec;13(4):216-223. DOI: 10.14797/mdcj-13-4-216. Eine Meta-Analyse 2022 zeigte ebenfalls keine Unterschiede; die Behandlungswirkung für Beta-Blocker und RAAS-Hemmer waren etwa gleich. (3)ESC Heart Fail. 2022 Aug;9(4):2753-2761. DOI: 10.1002/ehf2.13974
Diagnostik
Die Beurteilung einer Herzinsuffizienz stützt sich im Wesentlichen auf
- die Erhebung der Anamnese und die körperliche Untersuchung zu Leistungsfähigkeit und klinischen Zeichen, wie gestauten Halsvenen, auskultatorischen Zeichen einer Lungenstauung, Ödemen,
- die klinischen Herzuntersuchung, wie Herzgröße, Beurteilung des Spitzenstoßes, präkordiales Tapping, Galopprhythmus) und
- technische Untersuchungen (Herzecho: Herzgröße, akinetische Zonen, Behinderung der Kammerfüllung, Klappenfehler, Ejektionsfraktion, endsystolisches Volumen …).
Das Kardio-MRT ermöglicht ähnliche Aussagen.
Laborwerte: Zur Abschätzung von Schweregrad und Prognose werden BNP und NT-proBNP (N-terminal fragment of proBNP) verwendet.
Invasive Techniken (Herzkatheter) können Detailfragen zur Ursache einer Herzinsuffizienz klären.
Therapie
Die Behandlung einer Herzinsuffizienz richtet sich nach Ursache und Entstehungsmechanismus.
Bei einer HFrEF (heart failure with reduced ejection fraction) stehen folgende Maßnahmen im Vordergrund: (4)Am J Cardiovasc Drugs. 2011 Jun 1;11(3):153-71
- eine Entlastung des Herzens von seiner Arbeit durch Reduzierung der zirkulierenden Flüssigkeit im Blutkreislauf (Reduktion der Trinkmenge, Diuretika),
- eine Regulierung der Herzfrequenz (z. B. Beta-Blocker, früher durch Digitalis-Präparate) und
- ein Schutz vor überschießenden hormonellen Gegenregulationen (RAAS-Beeinflussung z.B. durch ACE-Hemmer, Aldosteron-Antagonisten, Beta-Blocker).
Eine Dauertherapie der leichten bis mittelschweren Herzinsuffizienz mit Enalapril (ein ACE-Hemmer) senkt das Mortalitätsrisiko um 16 %. (5)N Engl J Med 1991;325:293-302 Eine zusätzliche Medikation eines Betablockers senkt das Risiko zu sterben um über 30 %. (6)N Engl J Med 2001;344:1651-1658 Der Mineralocorticoidantagonist Eplerenon reduziert das Mortalitätsrisiko der milden Herzinsuffizienz von 15,5 auf 12,5%. (7)N Engl J Med. 2011 Jan 6;364(1):11-21
Die Kombination eines AT1-Blockers mit einem Neprilysinhemmer scheint eine weitere günstige Therapieoption darzustellen, wie eine große Studie ergeben hat (siehe hier).
Bei einer HFpEF (heart failure with preserved ejection fraction) muss die zugrunde liegende Ursache behandelt werden. ß-Blocker scheinen nur bei Vorhofflimmern oder Koronarsklerose günstig zu wirken. (8)Heart Fail Rev. 2021 Jan;26(1):165-171. doi: 10.1007/s10741-020-10013-5 Bei leicht erhöhtem linksatrialen Druck wird eine Kurzschlussverbindung zum rechten Vorhof (Interatrial septal device) propagiert, der den Druck vor der Mitralklappe senkt. (9)Eur J Heart Fail. 2014 Jul;16(7):796-801. doi: 10.1002/ejhf.111. (10)Curr Cardiol Rev. 2021;17(5):e230421189012. doi: 10.2174/1573403X16999201210195455.
Behandlung eines Vorhofflimmerns
Vorhofflimmern verstärkt eine vorbestehende Herzinsuffizienz. Lässt sie sich durch Katheterablation beheben, so steigt die Herzkraft und es sinkt zudem die Mortalität auf etwa die Hälfte. (11)N Engl J Med 2018; 378:417-427 DOI: 10.1056/NEJMoa1707855
Knochenmarksstammzellen: Perspektive
Eine neue Perspektive zur Behandlung einer Ischämie-bedingten Herzinsuffizienz stellen Knochenmarksstammzellen dar. In einer Studie wurde bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz Stadium NYHA III und IV und einer Ejektionsfraktion (Auswurffraktion bei einem Herzschlag) von ≤ 35% spezielle Knochenmarkszellen (CD90+ mesenchymale Stammzellen und CD45+ CD14+ aktivierte Makrophagen) durch Kathetertechnik unter das Endokard injiziert. Ziel war die Anregung einer Gefäßaussprossung, d. h. eine Revaskularisierung des Myokards. Die Zellen wurden aus dem eigenen Knochenmark der Patienten gewonnen (12)Henry TD et al. Cell Transplant. 2016 Mar 22. [Epub ahead of print]. In dieser Studie an 126 Patienten, die durch einen implantierten automatischen Defibrillator abgesichert waren, traten in der Gruppe mit Injektion dieses Zellgemischs deutlich weniger kardiale Ereignisse (38 Ereignisse bei 22 von 58 Patienten in 22 Monaten) als in der Gruppe mit einer Placeboinjektion (50 Ereignisse bei 25 von 51 Patienten) auf, was einer 37%igen Reduktion des Ereignisrisikos entspricht (13)Lancet. 2016 Jun 11;387(10036):2412-21. doi: 10.1016/S0140-6736(16)30137-4. Epub 2016 Apr 5. … Continue reading.
Inzwischen haben verschiedenen Studien gezeigt, dass Stammzellen die Auswurffraktion des linken Ventrikels verbessern können. Sie vermögen, die Vernarbung (Fibrose) zu reduzieren und die Infarktgröße zu verringern. (14)Int J Mol Sci. 2024 Mar 31;25(7):3901. doi: 10.3390/ijms25073901.
Herzinsuffizienz-assoziierte Krankheiten
Folgende Krankheiten oder Symptome kommen häufig im Zusammenhang mit der Herzinsuffizienz vor:
- Lungenstauung
- Lungenödem
- Koronare Herzkrankheit
- Angina pectoris
- Hypertonie
- Hypotonie
- Diabetes mellitus
- Atemnot
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Verweise
Patienteninfos
Literatur