Das Hormonsystem: Basics

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Allgemeines

Das Hormonsystem (auch endokrines System genannt) ist eines der großen Regulationssysteme für Organfunktionen und Stoffwechsel im Körper. Es arbeitet eng mit dem zentralen Nervensystem zusammen, das im Hypothalamus ein Regiezentrum unterhält. Es ist ein faszinierendes Netzwerk im menschlichen Körper, das eine Vielzahl von lebenswichtigen Funktionen reguliert.

  • Hormone sind chemische Botenstoffe, die von endokrinen Drüsen produziert und in den Blutkreislauf abgegeben werden.
  • Eine Reihe von Hormonen wird aber auch von einzeln liegenden Zellen in Organen und Geweben produziert.
  • Sie wirken über Signalwege auf spezifische Zielorgane oder Gewebe, um wichtige physiologische Prozesse zu beeinflussen.
  • Viele (meist fettlösliche) Hormone wirken über eine Beeinflussung von Genaktivitäten, andere (meist wasserlösliche) über nicht-genomische Wege.
  • Das System der Hormone passt sich dynamisch an die Anforderungen und Gegebenheiten des Lebens an und verändert sich mit dem Alter.
  • Eine Über- oder Unterproduktion von Hormonen sowie eine mangelhafte Abstimmung zwischen den einzelnen Komponenten der hormonellen Regelkreise führt zu unterschiedlich ausgeprägten Symptomen und zu Krankheiten.

Signalwege und Checkpoints: Basics


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Was Hormone sind: ein Überblick

Hormone sind Vermittlerstoffe, die über das Blut in entfernten Organen und Geweben besondere Funktionen in Gang setzen oder verändern. Ursprünglich wurde ihre Produktion besonderen Drüsen, den „endokrinen Drüsen“ zugeordnet. Dies sind Drüsen, die ihre Sekrete nicht nach außen, sondern nach innen abgeben. Das erste Hormon dieser Art, das entdeckt wurde, war Adrenalin aus der Nebenniere, genauer: dem Nebennierenmark. Jede endokrine Drüse ist für die Sekretion bestimmter Hormone verantwortlich, die spezifische Funktionen im Körper erfüllen.

Allgemein bekannte endokrine Drüsen sind:

  • die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse: ACTH, MSH, Somatotropin),
  • die Schilddrüse (T3, T4),
  • die Nebenschilddrüsen (Parathyreoidea: Parathormon),
  • die Nebennieren (NN, NN-Rinde: Cortisol, NN-Mark: Adrenalin)
  • die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) mit den Langerhans’schen Inseln (Insulin, Glukagon, Somatostatin),
  • die Gonaden (Eierstöcke bei Frauen: Östrogene; Hoden bei Männern: Testosteron).

Heute weiß man, dass auch Zellen, die verteilt in Geweben und Organen liegen und sich nicht als endokrine Drüsen isolieren lassen, eine Hormonproduktion übernehmen können. Beispiele dafür sind die Fettgewebshormone und einige Hormone, die im Magendarmtrakt gebildet werden (s. u.).

Hormone sind in Regelschleifen eingebunden, d. h. ihre Produktion unterliegt einer Regelung durch Bedarf und Erfolg. Sie lassen sich oft unscharf von Mediatorsubstanzen, wie Histamin, Prostaglandinen, Leukotrienen, TNF-α oder NO (Stickstoffmonoxid) abgrenzen, die auf spezielle Reize hin ohne direkte Rückkopplung produziert werden und wirken. Eicosanoide, wie die Prostaglandine, wurden auch als Hormone gezählt. (1)Dig Dis Sci. 1985 Nov;30(11 Suppl):109S-113S. doi: 10.1007/BF01309394

Hormon-produzierende Zellen können entarten und wuchern.  Tumore dieser Art sind beispielsweise die neuroendokrinen Tumore der Gruppen MEN-Typ 1 und MEN-Typ 2, das Phäochromozytom, das Gastrinom (Auslöser des Zollinger-Ellison-Syndroms) oder das Insulinom. Endokrin aktive Tumore dieser Art sind meist sehr frühzeitig an ihrer Wirkung erkennbar.

Die einzelnen Hormone

Insulin

Insulin ist das bekannteste Hormon des Pankreas und spielt eine zentrale Rolle im Glukosestoffwechsel. Es wird von speziellen Zellen in den sogenannten Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) produziert, den Beta-Zellen. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel, indem es die Aufnahme von Glukose aus dem Blut in die Körperzellen fördert. Es stimuliert auch die Speicherung von Glukose in Form von Glykogen in der Leber. Ein Mangel an Insulin oder eine ineffektive Insulinwirkung führt zur Entstehung der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).

Glukagon

Glukagon wird ebenfalls in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse produziert, jedoch von den Alpha-Zellen. Es hat die entgegengesetzte Wirkung von Insulin und erhöht den Blutzuckerspiegel. Es stimuliert die Freisetzung von Glukose aus der Leber und fördert den Abbau von Glykogen in Glukose. Glukagon wird freigesetzt, wenn der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist, zum Beispiel bei längerem Fasten oder während des Schlafs.

Schilddrüsenhormone (T3 und T4)

Thyroxin (T4) und Trijodtyronin (T3) werden von der Schilddrüse produziert und beeinflussen den Stoffwechsel, das Wachstum und die Entwicklung. Eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse kann zu einer Hyperthyreose  mit ständiger Aufgeregtheit und Unruhe oder Hypothyreose mit ständiger Schläfrigkeit und Langsamkeit führen.

Cortisol

Cortisol ist ein Stresshormon, wird von den Nebennieren produziert und spielt eine wichtige Rolle bei Reaktionen des Körpers auf besondere Belastung, Erregung und Gefahr. Eine Überproduktion von Cortisol kann zu Stoffwechselstörungen, Gewichtszunahme und psychischen Problemen (Depression) führen. Es beeinflusst vor allem den Zuckerstoffwechsel (Anhebung des Blutzuckers), den Eiweißstoffwechsel (Langzeitwirkung z. B. Muskelabbau), den Fettstoffwechsel (Langzeiteffekt “Stiernacken”), das Immunsystem (auf Dauer: Schwächung der Immunabwehr).

Adrenalin

Adrenalin wird vom Nebennierenmark produziert und steigert die Herztätigkeit (Tachykardie) und den Blutdruck (Hypertonie) und erweitert die Atemwege (Bronchien). Bei akuter körperlicher Belastung reagiert dieses Hormon rasch und hilft, den Körper auf volle Leistungsfähigkeit zu bringen. Es fungiert damit auch als ein Stresshormon. Außerdem hilft es bei der Energiebereitstellung für die erhöhten körperlichen Anforderungen.

Renin

Renin wird von den Nieren gebildet und reagiert auf eine verminderte Durchblutung mit einer erhöhten Bildung. Die Effekte sind ein Anstieg des Blutdrucks und eine Mehrproduktion von roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Renin hilft damit, erhöhte körperliche Anforderungen zu bewältigen.

Erythropoetin

Erythropoetin wir ebenfalls überwiegend in den Nieren gebildet. Es verstärkt die Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) und verbessert damit die Sauerstoffversorgung der Nieren und damit auch des gesamten Körpers. Es hilft eine Blutarmut (Anämie) auszugleichen und bei lang dauernden erhöhten körperlichen Anforderungen die Sauerstoffversorgung anzupassen.

Östrogen und Progesteron

Diese Hormone werden von den Eierstöcken (Ovarien) produziert und spielen eine zentrale Rolle im Menstruationszyklus. In der ersten Phase des Zyklus überwiegen Östrogene, ab dem Eisprung die Gestagene (insbesondere das Progesteron, Gelbkörperhormon). Sie regulieren die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsmerkmale und die Schwangerschaft. Ein Hormonungleichgewicht kann zu Unfruchtbarkeit, Stimmungsschwankungen und vielen anderen zyklusabhängigen Beschwerden führen.

Luteinisierendes Hormon (LH)

LH wird im Hypophysenvorderlappen produziert. Seine Produktion unterliegt einer Regulation (durch das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) aus dem Hypothalamus). Bei Frauen löst es den Eisprung (Ovulation) und die Entwicklung des Gelbkörpers aus. Bei Männern stimuliert es als „interstitial cell–stimulating hormone“ (ICSH) die Testosteronproduktion und wirkt dabei synergistisch (gleichsinnig) mit dem follikelstimulierenden Hormon (FSH).

Follikelstimulierendes Hormon (FSH)

Es wird ebenfalls im Hypophysenvorderlappen gebildet, fördert bei der Frau die Reifung von Eibläschen (Follikel) bis zum Eisprung und beim Mann die Spermienbildung.

Testosteron

Testosteron ist das Hauptgeschlechtshormon bei Männern, wird hauptsächlich in den Hoden produziert und ist für die Entwicklung der männlichen Geschlechtsmerkmale und die Aufrechterhaltung der sexuellen Funktionen verantwortlich. Ein niedriger Testosteronspiegel kann zu sexueller Dysfunktion, Muskelabbau und Stimmungsveränderungen führen. Dihydrotestosteron (DHT) ist das aus Testosteron gebildete Stoffwechselprodukt, das die Hauptwirkung entfaltet.

Somatotropin

Somatotropin ist ein wichtiges Wachstumshormon der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), das besonders in den Wachstumsphasen bei Kindern und Jugendlichen hochaktiv ist. Bei zu geringer Aktivität resultiert (hypophysärer) Kleinwuchs, bei erhöhter eine “Akromegalie“.

Somatostatin

Somatostatin wird in der Bauchspeicheldrüse (von den Delta-Zellen der Langerhans-Inseln) gebildet und hemmt die Aktivität von Verdauungsdrüsen sowie die Wirkung verschiedener Hormone und Effektorsubstanzen, wie Gastrin oder Serotonin, und reguliert die Bildung des Wachstumsfaktors Somatotropin. Künstlich hergestellte Gegenspieler (Antagonisten, STH-Rezeptorenblocker) spielen bei neuroendokrinen Tumoren eine therapeutische Rolle. (2)Int J Mol Sci. 2022 Jan 27;23(3):1447. doi: 10.3390/ijms23031447

Somatostatin wird auch im Gehirn, dort vom ventromedialen Kern des Hypothalamus produziert. Es gelangt über Nervenbahnen zum Hypophysenvorderlapen, wo es die Bildung von Wachstumshormon (growth hormone, GH, oder Somatotropin) und des schilddrüsenstimulierenden Hormons TSH hemmt.

ACTH

ACTH ist die gebräuchliche Abkürzung für adrenocorticotropes Hormon. Es ist das wichtigste Hormon der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse, produziert im Hypophysenvorderlappen) für die Regulierung der Bildung der Nebennierenrindenhormone, insbesondere von Cortisol (Hydrokortison). Es steht selbst in einem Regelkreis mit dem Hypothalamus, der bei Stress  das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) bildet. ACTH steht im Zentrum der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse und vermittelt vielen Endorganen einen vom Gehirn vorgegebenen zirkadianen Rhythmus ihrer Aktivität.

Melanozyten-stimulierendes Hormon (MSH, Melanotropin)

Dieses aus der Hirnanhangsdrüse, speziell aus dessen Mittellappen stammende Hormon bewirkt eine Hautbräunung. Es gehört zu den Melanocortinen, die ihren Namen erhielten, weil ihre früheste bekannte Funktion die einer Stimulierung der Melanozyten (Zellen der Haut, die eine Bräunung bewirken) war. MSH teilt die ersten 13 (Alpha-MSH) oder die ersten 18 oder 22 (Beta-MSH) Aminosäuren mit ACTH. (3)Neurosci Biobehav Rev. 1982 Fall;6(3):297-310. doi: 10.1016/0149-7634(82)90042-2 (4)Eur J Pharmacol. 1998 Oct 30;360(1):1-14. doi: 10.1016/s0014-2999(98)00615-3 Melanocortine üben eine Reihe von Funktionen im Körper aus: die Melanogenese, eine Begrenzung von Entzündungsreaktionen und Vernarbungsprozessen (Fibrose), eine Regulierung des Energiehaushalts (inkl. Regulation des Appetits und des Körpergewichts), eine Verbesserung von Sexualfunktionen und eine Beeinflussung von Gehirnfunktionen, wie der Schmerzempfindung und depressiver Stimmungslagen. (5)J Mol Cell Biol. 2020 Oct 1;12(10):785-797. doi: 10.1093/jmcb/mjaa048 (6)Neuropharmacology. 2022 Jun 1;210:109032. doi: 10.1016/j.neuropharm.2022.109032.

Vasopressin (Antidiuretisches Hormon, ADH)

Vasopressin (auch als Adiuretin bezeichnet) wird im Hypophysenhinterlappen gebildet und reguliert den Wasserhaushalt des Körpers, indem es die Wasserrückresorption in den Nieren fördert. Es sorgt dafür, den Flüssigkeitshaushalt im Körper bei Flüssigkeitsmangel aufrechtzuerhalten. Ein Mangel an Vasopressin kann zu Diabetes insipidus führen, bei dem durch übermäßiges Wasserlassen eine Dehydration des Körpers zustande kommen kann.

Oxytocin

Oxytocin wird im Hypophysenhinterlappen gebildet. Es stimuliert die Kontraktionen der Gebärmutter während der Wehen und fördert die Freisetzung von Milch während des Stillens. Darüber hinaus spielt Oxytocin eine Rolle bei der sozialen Bindung, dem Vertrauen und der Empathie zwischen Menschen.

Melatonin

Melatonin wird in der Zirbeldrüse (Corpus pinealis) produziert, welche in der Mitte des Gehirns oberhalb des Thalamus liegt. Die Melatoninsynthese erfolgt bei Dunkelheit. Sie wird wird vom Nucleus suprachiasmaticus gesteuert, der vom Hell-Dunkel-Zyklus beeinflusst wird. (7)Arch Endocrinol Metab. 2018 Aug;62(4):472-479. doi: 10.20945/2359-3997000000066

Weitere Hormone

Es gibt eine Reihe weiterer Hormone, die nicht aus Drüsen stammen und zum Teil erst in den letzten Jahren neu entdeckt wurden. Zu ihnen gehören die folgenden:

  • Renin: Dieses Hormon wird von den Nieren gebildet und reagiert auf eine verminderte Durchblutung mit einer erhöhten Bildung. Die Effekte sind ein Anstieg des Blutdrucks und eine Mehrproduktion von roten Blutkörperchen. Renin hilft, erhöhte körperliche Anforderungen zu bewältigen.
  • Cholezystokinin (CCK, Pankreozymin): Es stammt aus dem Magendarmtrakt, fördert die Entleerung der Gallenblase und die Bewegungen des Magendarmtrakts, hemmt den Hunger. Es spielt bei Angststörungen eine Rolle (Wirkung im Gehirn) und fördert die Vermehrung von Tumorzellen. (8)JID Innov. 2022 Sep 2;2(6):100153. DOI: 10.1016/j.xjidi.2022.100153.
  • Ghrelin: Es stammt aus Magen und Bauchspeicheldrüse und wirkt appetitanregend.
  • Adiponectin: Es stammt aus Fettzellen; volle Fettzellen bilden wenig und leere viel Adiponectin. Es schützt vor Arteriosklerose und Diabetes.
  • Leptin: Es stammt aus Fettzellen, wirkt im Gehirn und hemmt dort das Hungergefühl, hilft schlank zu bleiben. Es stimuliert in gewissem Maße auch den Sympathicus.
  • D-Hormon: Calcitriol wirkt als Hormon: Es wird in Haut und Nieren aus Vitamin D gebildet. Es wirkt an Knochen, im Immunsystem und bei Entzündungsprozessen, auf die Nebenschilddrüse und überall, wo D-Rezeptoren sind, so auch in der Bauchspeicheldrüse, im Gehirn und bei einigen Krebsarten.
  • Gallensäuren: Sie werden in der Leber gebildet. Als Hormone regulieren sie den Energieverbrauch im Körper.
  • Cholesin ist ein 2024 neu entdecktes Hormon. Es wird in der Darmschleimhaut als Reaktion auf eine Cholesterinzufuhr gebildet und bewirkt in der Leber eine Hemmung der Synthese von Cholesterin und im Blut eine Abnahme des Cholesterinspiegels. Perspektive: neue Behandlungsoptionen von Fettstoffwechselstörungen und Arteriosklerose. (9)Cell. 2024 Mar 7:S0092-8674(24)00226-5. doi: 10.1016/j.cell.2024.02.024

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Fehlfunktionen und Krankheiten, Beispiele

  • Diabetes: Eine Störung des Insulinspiegels kann zur Entwicklung einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) führen, bei der der Blutzucker von den Körperzellen nicht effektiv verwertet werden kann.  Siehe hier.
  • Hypothyreose: Eine Unterfunktion der Schilddrüse kann zu einer Reihe von Symptomen führen, darunter Müdigkeit, Gewichtsveränderungen, Haarausfall und Stimmungsschwankungen. Siehe hier.
  • Hyperthyreose: Eine Schilddrüsenüberfunktion führt zu Zittrigkeit, schnellem Herzschlag (Tachykardie), Haarausfall und Schlafstörungen. Es können lebensgefährlich Herzrhythmusstörungen auftreten. Siehe hier.
  • Akromegalie: Eine Überproduktion des Wachstumsfaktors Somatotropin führt zu Wachstum über die Wachstumsperiode hinaus. Besonders die Körperenden (Akren), wie Hände, Füße, Kinn und Stirn sind vergrößert. Siehe hier.
  • Morbus Cushing: Diese Erkrankung tritt auf, wenn im Körper zu viel Cortisol produziert wird. Dies kann zu Gewichtszunahme („Stammfettsucht“), Muskelschwäche, Bluthochdruck und Stimmungsstörungen führen. Ursache ist eine vermehrte Produktion von Cortisol in der Nebennierenrinde. Dessen Ursache wiederum kann in der Nebenniere selbst liegen (ein Cortisol-produzierender Tumor), oder in der Hypophyse (vermehrte Produktion von ACTH). Siehe hier.
  • Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS): Dies ist eine relativ häufige Erkrankung bei Frauen, die durch zu viel Androgene (männliche Geschlechtshormone) gekennzeichnet ist und zu unregelmäßigen oder ausbleibenden Monatsblutungen, Unfruchtbarkeit und einer Virilisierung führen kann.
  • Hypogonadismus: Ein Zustand, bei dem die Produktion von Sexualhormonen in den Gonaden beeinträchtigt ist. Dies kann zu verminderter Libido, sexueller Dysfunktion und vermindertem Muskeltonus führen.
  • Phäochromozytom: Diese lebensgefährliche Erkrankung hat ihre Ursache in einer hormonbildenden Wucherung des Nebennierenmarkt. Die unkontrollierte Produktion von Adrenalin dort kann zu akuten und extremen Blutdruckanstiegen und einer völligen Überlastung des Herzens führen. Siehe hier.
  • Diabetes insipidus: Diese Erkrankung tritt auf, wenn der Körper nicht genügend Vasopressin produziert oder nicht richtig darauf reagiert. Dies führt zu übermäßigem Durst und häufigem Wasserlassen, da der Körper nicht in der Lage ist, Wasser effizient zu speichern. Siehe hier.
  • Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH): Bei dieser Erkrankung wird zu viel Vasopressin produziert und freigesetzt, was zu einer übermäßigen Wasserrückresorption in den Nieren führt. Dies kann zu einem verminderten Natriumspiegel im Blut, einer Verdünnung des Blutes und zu Symptomen wie Übelkeit, Kopfschmerzen und Krampfanfällen führen. Siehe hier.
  • Endokrine Tumore mit pathologischer Hormonbildung sind beispielsweise ein Karzinoid, Tumore des MEN-Typ 1 und MEN-Typ 2, das Gastrinom, verschiedene Hypophysentumore, Nebennierentumore, Ovarialtumore, das Phäochromozytom, Schilddrüsentumore oder Nebenschilddrüsentumore. Siehe hier.

Es gibt eine große Bandbreite von Krankheiten, die mit hormonellen Störungen einhergehen oder auf solche zurückzuführen sind. Die oben genannten sind ein Ausschnitt besonders eklatanter Fehlregulationen.

Das endokrine System im Alter

Das System der Hormone ändert sich mit zunehmendem Alter. Ein dramatischer Einschnitt ist die Pubertät mit der Umstellung der Geschlechtshormone. Eine weitere Umstellung erfährt die Frau mit der Menopause, bei der der Zyklus abgeschaltet wird. Langfristige und allmähliche Veränderungen finden mit zunehmendem Alter statt. Es sinken die Spiegel von Östrogen-, Testosteron- und Wachstumshormonspiegel im Blut, während das luteinisierende Hormon (LH), das follikelstimulierende Hormon (FSH) und das Sexualhormon-bindende Globulin ansteigen und die Funktionen der Nebennieren und der Schilddrüse sich nur minimal verändern. Diese Veränderungen gehen mit einer Vielzahl von langfristigen Abbauprozessen einher inklusive einer Abnahme der Immunfunktion. (10)J Pathol. 2007 Jan;211(2):173-80. DOI: 10.1002/path.2110

Endokrine Disruptoren

Endokrine Disruptoren sind Umweltfaktoren, welche die Wirkung von Hormonen nachteilig verändern.

Eine Exposition des werdenden Kindes mit chemischen endokrinen Disruptoren (endocrine-disrupting chemicals, EDCs) über die Plazenta und das Stillen führt zu Entwicklungsstörungen des Gehirns. Auch Erwachsene werden zunehmend durch Nahrung, Inhalation und Hautkontakt exponiert. Zu ihnen gehören laut einer Zusammenstellung: Dioxine, polychlorierte Biphenyle (PCB) und Alkylphenole, landwirtschaftliche Pestizide, Herbizide, Fungizide und Insektizide, Phthalate, Bisphenol A (BPA), Arzneimittel (Mitotan, Ketoconazol, Herzglykoside, Nitrofurane, Carbamazepin und weitere, sowie Schwermetalle. Sie modulieren auch bei Erwachsenen einzelne hormonelle Aktivitäten, wie die der Schilddrüse und Nebenschilddrüse, der Nebennieren, der Betazellen der Bauchspeicheldrüse und der Geschlechtsdrüsen (Hoden, Ovarien). Sie können zu Entwicklungs-, Reproduktions- und Verhaltensanomalien führen.

Beispiele: (11)Int J Mol Sci. 2022 May 20;23(10):5710. doi: 10.3390/ijms23105710 (12)Int J Environ Res Public Health. 2021 Feb 4;18(4):1464. doi: 10.3390/ijerph18041464

  • Bisphenol A (BPA) wirkt als Agonist, wenn es an Östrogenrezeptoren (ER) bindet, und als Antagonist, wenn es an Androgenrezeptoren (AR) bindet.
  • BPA beeinträchtigt die Follikelbildung und führt zu Veränderungen in der Eierstock- und Uterusmorphologie und -funktion und fördert eine Endometriose.
  • Perchlorat, Chlorat, Nitrat und Thiocyanat, die im Wassergefunden werden, Thiocyanat auch in Zigarettenrauch und Gemüse, hemmen die Jodidaufnahme, was in Gebieten mit Jodmangel und bei schwangeren Frauen bedeutsam werden kann. Thiocyanate und Isoflavone hemmen zudem ein Enzym für die Hormonsynthese (Thyroperoxidase, TPO).
  • Das Herbizid (2-Chlor-s-Triazin) stimuliert die Expression von CYP19, und erhöht die Östrogenbildung der Nebennieren.
  • Künstliches Licht aktiviert die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) mit der Folge einer Erhöhung der Glukokortikoidkonzentration und einer Störung des zirkadianen Rhythmus. In diesem Rahmen wird auch ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs festgestellt. (13)Cancer. 2021 May 1;127(9):1448-1458. doi: 10.1002/cncr.33392
  • ALAN (artificial light at night) reduziert die Melatoninsekretion, erhöht die Östrogen-/Progesteron-Signalübertragung und reduziert die Oxidation der Eizellen.
  • Phthalate werden als Weichmacher verwendet. Sie haben antiandrogene und östrogenähnliche Wirkungen.
  • Cadmium (Cd) in Wasser und in Zigarettenrauch stört vermutlich die Androgenwirkung. Es sammelt sich in Spermien an. (14)Cells. 2022 Nov 14;11(22):3601. doi: 10.3390/cells11223601.

Verweise

 

Literatur[+]