Darmkolik

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Allgemeines

Kolik bedeutet Verkrampfung glatter Muskulatur. Die Muskulatur von inneren Organen kontrahiert sich dabei anhaltend und kann sich über einen gewissen Zeitraum nicht entspannen. Als Darmkolik werden schmerzhafte Verkrampfungen der Darmmuskulatur bezeichnet. Im Magendarmkanal kommt es zu schmerzhaften Kämpfen. Die Hauptursachen sind eine heftige Durchfallkrankheit (Diarrhö) und eine Darmverengung (Darmstenose), die als Hindernis bei der Darmpassage wirkt. Es gibt weitere, seltenere Ursachen. Die Krämpfe erschöpfen sich in der Regel nach 20 – 30 Minuten, können aber auch länger anhalten.

Ursachen

Stenose im terminalen Ileum bei Morbus Crohn als Ursache heftigster Darmkrämpfe nach Mahlzeiten

Als Ursachen einer Darmkolik kommen infrage (Auswahl):


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Symptome

Typischerweise sind die Schmerzen bei einer Darmkolik äußerst heftig und können bis zum Vernichtungsgefühl anschwellen. Der Bauch selbst bleibt bei der Palpation weich und eindrückbar (viszeraler Schmerztyp, siehe hier). Das ändert sich, wenn das Bauchfell (Peritoneum) entzündlich mitreagiert. Subjektiv wird oft heftiges Darmrumoren empfunden. Auskultatorisch können starke, spritzende Geräusche festgestellt werden. Eine Kolik erschöpft sich nach etwa 20 – 30 Minuten von selbst. Halten die Schmerzen länger an, so sind andere Ursachen (wie z. B. eine akute Minderdurchblutung des Darms) unmittelbar auszuschließen und ggf. operativ zu beseitigen.

Differentialdiagnosen

Florides Magengeschwür (Gastroskopie)

Gelegentlich ist eine vom Darm ausgehende Kolik schwierig von heftigen Schmerzen anderer Genese unterscheidbar. Folgende Ursachen können differenzialdiagnostische Probleme bereiten:

Bauchschmerzen
Kolik

Diagnostik

Eine rasche Diagnostik beginnt mit einer gezielten Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese). Sie sollte bereits funktionelle Darmbeschwerden weitgehend von einer organisch bedingten Kolik unterscheiden lassen. Die Diagnose funktioneller Schmerzen kann jedoch schwierig sein, sodass selbst bei „harmloser“ Ursache (z. B. kolikartige Schmerzen bei vorübergehend gefangenen Darmgasen durch Abknickung einer Darmschlinge) eine aufwändige Diagnostik erforderlich werden kann.

Erkennung organischer Ursachen

Crohn-Stenose mit Fistel (Sonographie)

Organische Krankheiten werden erkannt durch folgende Untersuchungen:

Diagnostik von Bauchschmerzen

Therapie

In der akuten Situation helfen krampflösende Medikamente wie Butylscopolamin und Schmerzmittel (bei heftigsten Schmerzen ggf. Pethidin),

Die Therapie richtet sich ansonsten nach der Ursache. Beispiele:

  • Bei einer infektiösen Durchfallkrankheit (Diarrhö) ist meist zunächst eine differente Therapie nicht angezeigt (meist selbstlimitierender Verlauf), ggf. Antibiotika (siehe hier),
  • Bei Meteorismus (Blähungen) als Schmerz-fördernder Ursache kommen folgende Maßnahmen infrage:
    • diätetische Maßnahmen (z. B. bei Laktoseintoleranz milchzuckerarme Kost),
    • entblähende Maßnahmen. Zu beachten ist, dass Entschäumer wie Simethicon nur wirken, wenn Schaumbildung im Darm eine Rolle spielt. In besonders ausgeprägten Fällen, wie bei der akuten oder chronischen Pseudoobstruktion, ist u. U. eine endoskopische Absaugung angezeigt. (Zur Therapie bei Schmerzen durch Meteorismus siehe auch hier),
    • bei vermehrter Darmgasbildung durch bakterielle Überwucherung des Dünndarms: Antibiotika (z. B. Rifaximin),
  • bei einer lokalen Verengung des Darmlumens ggf. operative Maßnahmen (z. B. Bridenlösung, Entfernung eines Tumors oder einer Crohn-Stenose).

Darmkolik bei Säuglingen

Peak bis 2 Monate: Eine Kolik kommt bei Säuglingen in den ersten beiden Lebensmonaten relativ häufig vor (Inzidenz von 4 % bis 28 %), kann mit Aufstoßen und Reflux vergesellschaftet sein und ist i. d. R. selbstlimitierend. Vermutlich hat dies mit der nachgeburtlichen Reifung des Magendarmtrakts und seiner Funktionen zu tun, die erst nach etwa 6 Monaten der Vollendung entgegengeht. In den ersten Monaten ist der Darm sehr störanfällig 1.

Die Symptomatik der frühkindlichen Darmkolik ist gekennzeichnet durch Unruhe und Schreien, schmerzhaften Stuhlgang und Blähungen bei einem ansonsten gesunden Neugeborenen. Die Dauer der Kolikschmerzen nimmt nach 8 bis 9 Wochen deutlich ab. 2

Dreier-Regel: Oft wird zur Diagnostik die Dreier-Regel herangezogen:

  • unerklärliche Episoden von paroxysmalem Weinen mit einer Dauer von mehr als drei Stunden pro Tag an drei Tagen in der Woche über mindestens drei Wochen.

Ursächlich werden biologische Komponenten, wie eine Nahrungsmittelüberempfindlichkeit oder –allergie, Darmmotilitätsstörungen sowie Verhaltensfaktoren als fördernde Faktoren angenommen. 3

Die Behandlung einer infantilen Kolik sollte möglichst ohne Medikamente auskommen. Es gibt keine sichere medikamentöse Empfehlung.

  • Probiotika (lebende „gute“ Bakterien und Hefe) wirken nicht besser als Placebo. 4
  • Simethicon, das ansonsten bei Blähungen eingesetzt wird und Schaumbildung verhindert, ist wirkungslos.
  • Es gibt keine sichere Wirksamkeit von elterlichen Trainingsprogrammen bezüglich Reduzierung der Schreihäufigkeit und Schreidauer bei kindlicher Kolik. 5
  • Er gibt ungenügende verlässliche Studien zur Wirksamkeit einer diätetischen Beeinflussung, auch nicht von partiell hydrolysierter Milchnahrung 6. In der Praxis sollte eine hypoallergene Säuglingsnahrung individuell ausprobiert werden. 7
  • Orale Laktase: Bei Kindern unter 5 Monaten mit Darmkoliken hat orale Laktase eine günstige Wirkung gezeigt (s. u.).

Orale Laktase

  • Eine Studie an Schreikindern unter 5 Monaten prüfte die Wirksamkeit der oraler Laktase (5 Tropfen Laktase, 600 FCC-Einheiten/ml gemischt mit Muttermilch oder Säuglingsnahrung, viermal täglich für einen Zeitraum von 4 Wochen) gegenüber Placebo. Sie belegte eine statistisch signifikante positive Wirkung auf die Symptomatik der Säuglinge und die Zufriedenheit der Eltern. 8
  • Zur Vorbeugung werden individuelle Versuche mit einer Ernährungsumstellung der Mutter und Laktase- und probiotische Nahrungsergänzung empfohlen. 9

Verweise

Referenzen

  1. Front Pediatr. 2022 Jan 5;9:778747. doi: 10.3389/fped.2021.778747[]
  2. J Pediatr. 2017 Jun;185:55-61.e4. DOI: 10.1016/j.jpeds.2017.02.020[]
  3. Curr Opin Investig Drugs. 2007 Nov;8(11):921-6.[]
  4. Cochrane Database Syst Rev. 2019 Mar 13;3(3):CD012473. doi: 10.1002/14651858.CD012473.pub2[]
  5. Cochrane Database Syst Rev. 2019 Dec 3;12(12):CD012459. doi: 10.1002/14651858.CD012459.pub2[]
  6. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Oct 10;10(10):CD011029. doi: 10.1002/14651858.CD011029.pub2[]
  7. Nutrients. 2021 Aug 12;13(8):2762. doi: 10.3390/nu13082762[]
  8. BMC Pediatr. 2022 Aug 3;22(1):468. doi: 10.1186/s12887-022-03531-8[]
  9. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Sep 16;9(9):CD009999. doi: 10.1002/14651858.CD009999.pub2[]