Biliäre Pankreatitis

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Die biliäre Pankreatitis ist eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, die durch Gallensteine ausgelöst wird. Sie wird diagnostiziert, wenn im Rahmen eines Gallensteinleidens heftige, gelegentlich anfangs kolikartige Schmerzen im Oberbauch auftreten. Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren, vor allem eine Sonographie der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse, bestätigen die Diagnose.

Pankreatitis – einfach erklärt
Gallenkolik

Mikrolithiasis

Entstehung

Seröse Pankreatitis unklarer Genese. Es wird nach kleinen Gallensteinen oder Mikrolithen gefahndet. (CT)

Anatomische Grundlage einer biliären Pankreatitis bildet die gemeinsame Mündung der Gangsysteme von Leber und Bauchspeicheldrüse in den Zwölffingerdarm (Duodenum) durch eine gemeinsame Papille.

Die Bauchspeicheldrüsenentzündung entsteht, wenn kleine oder kleinste Konkremente aus den Gallenwegen durch die Papille passieren, und wenn während der Passage ein biliopankreatischer Reflux (Rückfluss von Gallen- oder Duodenalsaft in den Pankreasausführgang) zustande kommt. Genetische Faktoren spielen möglicherweise eine Rolle, indem sie für eine erhöhte Refluxbereitschaft oder eine erhöhte Entzündungsbreitschaft verantwortlich sein können. 1

Diagnostik

Erste Hinweise: Rasch zunehmende Oberbauchschmerzen in der Folge einer Kolik im rechten/mittleren Oberbauch kann ein erster Hinweis auf die Entwicklung einer Pankreatitis sein. Beweisend sind gleichzeitig erhöhte Pankreasenzyme sowie der Nachweis einer ödematösen Aufquellung der Bauchspeicheldrüse und von Gallensteinen oder Mikrolithen durch bildgebende Verfahren.

Kleine und kleinste Gallensteine in der Gallenblase, die immer wieder Beschwerden und bei entsprechenden Bedingungen auch eine biliäre Pankreatitis verursachen können. (Sonographie)
  • Sonographie: Gallensteine in der Gallenblase (Cholezystolithiasis) werden durch die Sonographie relativ sicher nachgewiesen. Gallensteine im Gallengang (Choledocholithiasis) können durch die Ultraschalluntersuchung des Bauchraums sehr häufig, aber nicht empfindlich genug nachgewiesen werden.
  • MRCP: Nicht-invasiv kann auch eine MRCP zur Diagnose führen.
    • Endosonographie: Am empfindlichsten zu Nachweis auch kleinster Konkremente im Gallengang ist die Endosonographie. Auch bei ansonsten rezidivierenden Pankreatitiden unklarer Ursache wird durch Endosonographie häufig eine biliäre Genese verifiziert. 2 3 4
  • ERCP: Eine ERCP nur zu diagnostischen Zwecken wird heute wegen des Risikos einer Post-ERCP-Pankreatitis nicht mehr favorisiert. Sie erfolgt jedoch aus therapeutische Gründen bei positivem Steinnachweis (s. u.), da sie in gleichem Untersuchungsgang eine Steinextraktion ermöglicht. In diesem FAll sollte die ERCP so früh wie möglich erfolgen, da sie dann am wenigsten komplikationsträchtig ist. 5

Verlauf

Oft lässt sich eruieren, dass den Pankreatitisschmerzen eine anfängliche Kolik im rechten und mittleren Oberbauch vorausgegangen ist. Typisch ist, dass die Lipase anfangs stark ansteigt und anschließend innerhalb weniger Tage wieder abfällt. Die Besserung erfolgt viel rascher als bei einer Pankreatitis aus anderer Ursache (z. B. durch eine Fettstoffwechselsstörung oder durch Alkoholunverträglichkeit). Ein chronischer Verlauf der biliär ausgelösten Bauchspeicheldrüsenentzündung ist untypisch.

Therapie

Eine ERC mit Steinextraktion ist im akuten Stadium nur dann erforderlich, wenn man ein eingeklemmtes Konkrement vermutet oder nachweisen kann. Oft finden sich nur Mikrolithen (kleinste Konkremente), die zuvor mit keiner der üblichen bildgebenden Methoden erkennbar gewesen sind.

Nach Abklingen der Pankreatitis sollte im freien Intervall eine Cholezystektomie erfolgen. Ihre Entfernung bedeutet eine Entfernung des Nachschubs von Gallekonkrementen und damit eine Prophylaxe weiterer biliärer Pankreatitiden. Die Gallenblasenentfernung kann während des gleichen Krankenhausaufenthalts erfolgen, was den Vorteil hat, dass Komplikationen durch erneute Konkrementabgänge während einer Wartezeit vermieden werden. 6

Wenn eine Choledocholithiasis (Steine im Gallengang) besteht (Nachweis durch Sonographie oder MRCP), wird vor einer Gallenblasenoperation eine endoskopische Papillotomie und Steinextraktion (ERC, therapeutisches Splitting) durchgeführt (siehe hier).

Bei rezidivierender (mehrfacher) akuter Pankreatitis, bei der

  • sonstige Ursachen (z. B. Alkohol, fette Speisen, chronische Pankreatitis) nicht gefunden werden,
  • zusätzlich eine Kolik eruiert werden kann, und
  • sich die Lipasewerte besonders schnell wieder normalisieren,

wird gelegentlich auch ohne Steinnachweis eine subtotale Papillotomie durchgeführt, damit die vermuteten Mikrolithen zukünftig problemlos abgehen können. 7

Wenn eine Papillotomie nicht infrage kommt, kann die Lithogenität der Galle durch Ursodesoxycholsäure herabgesetzt werden, was das Risiko neuerlicher Koliken bei einer Mikrolithiasis und neuerlicher biliärer Bauchspeicheldrüsenentzündungen reduziert.

Komplikation: nekrotisierende Pankreatitis

Eine biliäre Pankreatitis heilt in der Regel folgenlos aus.

Bei sehr heftigen Verläufen kann es jedoch zu einer akuten nekrotisierenden und damit lebensbedrohlichen Pankreatitis kommen. Solch ein dramatischer Verlauf tritt in etwa 15 % der Fälle ein und hat eine hohe Mortalität um 15 %, bei infizierten Nekrosen höher 8.

Im Falle einer abgegrenzten Nekrose (walled-off-Nekrose) kann eine endoskopische transgastrische Drainage (durch den Magen) wie auch eine perkutane Drainage eine Operation ersetzen und ist weniger komplikationsträchtig (20 % vs. 80 %) 9. Der technische Erfolg ist in beiden Fälle etwa gleich hoch (> 90 %). Der klinische Erfolg ist in einer Studie bei einem endoskopischen Eingriff höher (90 % vs. 81 %). 10 11


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Verweise

Referenzen

  1. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2010 Sep;7(9):495-502. DOI: 10.1038/nrgastro.2010.114. Epub 2010 Aug 10. PMID: 20703238.[]
  2. Clin Res Hepatol Gastroenterol. 2019 Feb;43(1):98-103. DOI: 10.1016/j.clinre.2018.08.004[]
  3. World J Gastroenterol. 2017 Oct 14;23(38):6952-6961. DOI: 10.3748/wjg.v23.i38.6952. PMID: 29097868; PMCID: PMC5658313.[]
  4. Clin Res Hepatol Gastroenterol. 2019 Feb;43(1):98-103. DOI: 10.1016/j.clinre.2018.08.004. Epub 2018 Sep 6. PMID: 30195479.[]
  5. Rozhl Chir. 2019 Winter;98(1):10-13. English. PMID: 30781960.[]
  6. BMC Surg. 2018 Nov 29;18(1):111. DOI: 10.1186/s12893-018-0445-9. PMID: 30486807; PMCID: PMC6263067.[]
  7. World J Gastroenterol. 2008 Feb 21;14(7):1016-22. doi: 10.3748/wjg.14.1016[]
  8. Am J Gastroenterol. 2006 Oct; 101(10):2379-400.[]
  9. JAMA. 2012 Mar 14; 307(10):1053-61[]
  10. Clin Endosc. 2021 Nov;54(6):909-915. DOI: 10.5946/ce.2020.175. Epub 2021 Feb 23. PMID: 33618506; PMCID: PMC8652152.[]
  11. Int J Surg. 2016 Apr;28 Suppl 1:S163-71. DOI: 10.1016/j.ijsu.2015.12.038. Epub 2015 Dec 18. PMID: 26708848.[]