ARDS (Akronym für Acute Respiratory Distress Syndrome) ist das klinische Bild einer akuten schweren entzündlichen Lungenschädigung mit Atemnot, die nicht durch Herzversagen begründet ist. (1)Am Fam Physician. 2020 Jun 15;101(12):730-738. PMID: 32538594. (2)Diamond M, Peniston HL, Sanghavi D, Mahapatra S. Acute Respiratory Distress Syndrome. 2023 Feb 6. … Continue reading
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Inhaltsverzeichnis
Definition
Ein ARDS ist durch folgende Kriterien charakterisiert: (3)Am Fam Physician. 2002 May 1;65(9):1823-30
- akuter Beginn,
- kein Hinweis auf eine Druckbelastung des linken Vorhofs (Lungenarterien-Verschlussdruck < 18 mmHg) (dieses Kriterium fehlt in der Berlin-Definition, s.u.),
- beidseitige diffuse Lungeninfiltrationen im Röntgenbild,
- Verhältnis des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks (PaO2) zum (prozentualen) Gehalt der Einatmungsluft an Sauerstoff (FiO2) gleich oder weniger als 200. (Bereits Werte unter 300 zeigen eine Lungenschädigung an.)
Berlin-Definition
Die Definition wurde 2012 überarbeitet. Dabei wurden 3 verschiedene Schweregrade berücksichtigt:
- mild (PaO2/FIO2 ? 300 mm Hg),
- mäßig (PaO2/FIO2 ? 200 mm Hg) und
- schwer (PaO2/FIO2 ? 100 mm Hg).
Neu gegenüber einem vorherigen Konsensus ist die Anforderung eines positiven endexspiratorischen Drucks (PEEP) oder eines kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks (CPAP) von größer oder gleich 5.
Es wurde festgestellt, dass weitere Variable (wie radiologische Schweregrade, respiratorische Compliance) nicht zur besseren Abschätzung der Prognose beitrugen; sie gehören damit nicht mehr zur engeren Definition. (4)JAMA. 2012;17:2526–2533 DOI: 10.1001/jama.2012.5669 (5)Crit Care. 2013 Jun 20;17(4):R132. doi: 10.1186/cc12811
Prognose
Die Letalität der verschiedenen Schweregrade nach der Berlin-Definition steigt nach Auswertung von 4188 ARDS-Fällen aus 4 Multizenterstudien an (mild: 27%, mäßig: 32%, schwer: 45%). (6)JAMA. 2012 Jun 20;307(23):2526-33
Entstehung
Entwicklung eines ARDS beruht auf einer Überaktivität von Entzündungszellen in der Lunge. Entscheidend ist ein lokales oder systemisches Ereignis, das zu einer Schädigung der Kapillaren und des Epithels in den Alveolen der Lungen (Lungenbläschen) führt. Folge ist eine erhöhte Permeabilität mit Ausschwitzung von eiweißreicher Gewebsflüssigkeit und dadurch bedingt eine Behinderung des Gasaustauschs mit Anstieg des pCO2 und Abfall des pO2 (Partialdruck von Kohlendioxid und Sauerstoff) im Blut, verbunden mit einem Anstieg des Blut-pH-Werts (respiratorische Alkalose).
Die in einer ersten Phase der ARDS-Entwicklung zu sehende Exsudation von Gewebsflüssigkeit führt in einer zweiten Phase zu entzündlichen Infiltrationen und beginnenden narbigen Veränderungen (Fibrosierungen). Die Ausprägung der entstehenden Fibrose ist sehr unterschiedlich und reicht von nicht bis deutlich nachweisbar. (7)Am Fam Physician. 2002 May 1;65(9):1823-30 An der entzündlichen Reaktion sind aktivierte Leukozyten und Alveolarmakrophagen beteiligt, die Zytokine (wie TNF-alpha und Interleukine) sezernieren.
Klinisches Bild und typische Befunde
Typisch für ein ARDS ist die rasche Entstehung eines Lungenversagens, meist innerhalb von 48 Stunden, mit
- einer beschleunigten Atmung (Tachypnoe),
- einer Herzbeschleunigung (Tachykardie),
- beidseitigen diffusen Verschattungen im Röntgenbild der Lungen, bedingt durch eine Flüssigkeitsvermehrung im Lungengewebe (ein meist entzündliches oder toxisches proteinreiches Lungenödem), dadurch bedingt
- Veränderungen in der Blutgasanalyse mit
- einer schweren Sauerstoffuntersättigung des Bluts (Hypoxämie) und
- einer respiratorische Alkalose.
In etwa 25% entwickelt sich eine akute Rechtsherzdekompensation durch Anstieg des Drucks in der Pulmonalarterie mit Cor pulmonale. (8)Minerva Anestesiol. 2012 Aug;78(8):941-8
Mit der Schwere der Symptomatik steigt das Risiko eines letalen Multiorganversagens (zur Letalität siehe oben).
Auslösende Ereignisse
Ein ARDS kann durch sehr unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden. (9)N Engl J Med 2000;342:1334–49 Folgende Auslöser kommen vor:
- Sepsis,
- Aspiration von Magensaft,
- schweres Trauma,
- Lungenkontusion,
- schwere virale Lungeninfektionen (wie Influenza, SARS oder MERS),
- akute Pankreatitis,
- Verbrennungen,
- multiple Infusionen.
Diagnostik
Zu den diagnostischen Kriterien siehe hier. Die Differenzialdiagnose zum kardial bedingten Lungenödem kann schwierig sein, da bei schwerem Verlauf eine ausgeprägte Linksherzinsuffizienz auftreten kann.
Unter den Laborwerten zeigt ein Abfall von Albumin im Blut am sensibelsten den Schweregrad und die Progredienz des ARDS an. (10)BMC Pulm Med. 2015 Mar 14;15:22. doi: 10.1186/s12890-015-0015-1
Das LDH/Albumin-Verhältnis kann zur Abschätzung des Schweregrads und als unabhängiger prognostischer Faktor für die Mortalität beim schweren ARDS verwendet werden, wie bei COVID-19-Patienten festgestellt wurde. (11)Medicine (Baltimore). 2022 Sep 23;101(38):e30759. DOI: 10.1097/MD.0000000000030759
Das Verhältniss von arteriellem Sauerstoffdruck (PaO2) zu FiO2 (fraction of inspired oxygen) ist als Hypoxämie-Kriterium für die Diagnose von ARDS Voraussetzung. Zur Vereinfachung kann die Pulsoximetrie verwendet werden. Sie zeigt rasch eine Hypoxämie und die Höhe der Tachykardie auf. Sie erleichtert das Management des ARDS. Das SpO2/FiO2-Verhältniss (Verhältnis der pulsoximetrischen Sauerstoffsättigung zu FiO2) wird als eine praktikable Alternative zu PaO2/FiO2 (Anteil des eingeatmeten Sauerstoffs) angesehen. (12)Lancet Respir Med. 2022 Nov;10(11):1086-1098. DOI: 10.1016/S2213-2600(22)00058-3
Therapie
Das Überleben von Patienten mit ARDS hat sich in den letzten Jahren etwas verbessert. Dies wird auf systematische Maßnahmen wie einer unterstützenden Beatmung mit mäßig erhöhtem endexspiratorischem Druck, einer frühen enteralen Ernährung, Antibiose, systematischen Unterstützung von nachlassenden Organfunktionen (z. B. Dialyse, Herzunterstützung), Ulkusprophylaxe und Antikoagulation zur Thromboembolieprophylaxe zurückgeführt.
Ein günstiger Effekt auf die Letalität bei schweren Verläufen scheint eine Beatmung in Bauchlage zu haben. Die 28-Tage-Mortalität sank gegenüber der Rückenlage von 32,8% auf 16,0%. (13)N Engl J Med. 2013 Jun 6;368(23):2159-68
Der Einsatz von Kortikosteroiden und anderer Medikamente zur Abdichtung der Alveolargefäße hat sich bisher nicht als heilungsfördernd herausgestellt. (14)Postgrad Med J. 2011 Sep;87(1031):612-22
Eine besondere Rolle kommt einer ARDS-Prophylaxe zu, bei der eine vorsorgliche frühzeitige Atemunterstützung im Zentrum steht. (15)Curr Opin Crit Care. 2014 Feb;20(1):10-6
Therapiekontrolle: Der Oxygenierungssättigungsindex (OSI) kombiniert das SpO2/FiO2-Verhältnis und den mittleren Atemwegsdruck. Er korrelierte in einer Untersuchung gut mit dem Oxygenierungsindex (OI) und erwies sich als ein zuverlässiger Prädiktor für das Outcome von ARDS-Patienten. (16)J Clin Med. 2018 Aug 8;7(8):205. DOI: 10.3390/jcm7080205
Therapie-Prinzip |
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Verweise
Literatur
- ? Am Fam Physician. 2002 May 1;65(9):1823-30
- ? JAMA. 2012 Jun 20;307(23):2526-33
- ? Am Fam Physician. 2002 May 1;65(9):1823-30
- ? Minerva Anestesiol. 2012 Aug;78(8):941-8
- ? N Engl J Med 2000;342:1334–49
- ? BMC Pulm Med. 2015 Mar 14;15:22. doi: 10.1186/s12890-015-0015-1
- ? N Engl J Med. 2013 Jun 6;368(23):2159-68
- ? Postgrad Med J. 2011 Sep;87(1031):612-22
- ? Curr Opin Crit Care. 2014 Feb;20(1):10-6
Literatur