Serotonin ist ein Überträgerstoff zwischen Nervenzellen
- im Darm, die für die Darmmotilität verantwortlich sind, und
- in Gehirnregionen des Stammhirns, die für Wohlgefühl sorgen.
Es wird auch als 5-Hydroxytryptamin (5-HT) bezeichnet und ist ein Stoffwechselprodukt der für den Menschen essenziellen Aminosäure Tryptophan.
Stoffwechsel von Serotonin
Serotonin wird aus der Aminosäure L-Tryptophan durch eine Hydroxylase und Decarboxylase gebildet und in der Leber durch eine Monoaminoxidase und eine Aldehyddehydrogenase zu 5-Hydroxyindolessigsäure (HIES) abgebaut. HIES kann im Urin nachgewiesen werden kann; der HIES-Nachweis gehört zu den wichtigsten diagnostischen Kriterien im Rahmen einer Karzinoid-Diagnostik.
Das geschwindigkeitsbestimmende Enzym bei der Bildung von Serotonin ist die Tryptophanhydroxylase (TPH), von der es 2 Isoformen gibt. TPH1 wirkt im Magendarmtrakt und anderen Körperorganen und versorgt die Blutplättchen mit Serotonin, welche es an Orten der Thrombozytenaktivierung wieder freilassen können. TPH2 wirkt im Gehirn; die Blut-Hirn-Schranke ist für Serotonin aus dem Kreislauf nicht passierbar.
Experimentell wurde gezeigt, dass TPH1-defiziente Mäuse gegen verschiedene Krankheiten geschützt waren: vermehrte Blutgerinnung, Entzündungen, Fibrosierungen (Narbenbildung). Daher wurden TPH-Hemmer als therapeutische Option angesehen; für Telotristat wurde eine Diarrhö hemmende Wirkung nachgewiesen. 1 2
Funktionen und Wirkungen
Die Serotoninwirkungen werden über eine Reihe verschiedener Rezeptoren (5-HT-Rezeptoren) ausgelöst; ihre selektive Beeinflussung durch Medikamente eröffnet ein breites Feld spezifischer Therapiemöglichkeiten.
Die Hauptfunktionen von Serotonin sind folgende:
- Motorik des Magendarmkanals: Serotonin wird in enterochromaffinen Zellen des Magendarmtrakts in größeren Mengen gebildet, wo es die Motorik beeinflusst, und findet sich zudem im Zentralnervensystem, wo es als ein Neurotransmitter wirkt. Im Darmkanal sind vor allem 5-HT(3)- und 5-HT(4)-Rezeptoren an der Serotoninwirkung beteiligt. 3
- Blutstillung und Wundheilung: Überschüssiges Serotonin, das von den enterochromaffinen Zellen des Darmtrakts ins Blut gelangt, wird von Blutplättchen (Thrombozyten) aufgenommen und gespeichert. Sie benötigen es für die Blutstillung bei Verletzungen, da es
- die Thrombozytenaggregation fördert,
- die lokalen Blutgefäße kontrahiert und
- zur Wundheilung anregt. 4
- Transmitter im Zentralnervensystem: Im Gehirn wirkt es in bestimmten Zentren als Überträgerstoff (Neurotransmitter) und ist für eine Reihe von Funktionen verantwortlich. Es beeinflusst die Stimmung günstig, indem es das Wohlbefinden steigert („Wohlfühlhormon“). Es wirkt zudem auf viele vegetative Funktionen, wie den Schlaf-Wach-Rythmus, das Sexualleben, den Appetit, die Körpertemperatur und die Regulation des Herzkreislaufsystems.
- Immunmdulation: In Monozyten und Makrophagen beeinflusst Serotonin die Sekretion von Botenstoffen (Zytokinen). Es unterdrückt die Freisetzung von Tumornekrosefaktor-α (TNF-a) und Interleukin-1β (IL-1ß). Es fördert zudem die Rekrutierung von neutrophilen Granulozyten sowie die Aktivierung von T-Zellen. Somit wirkt Serotonin insgesamt immunmodulatorisch. 5
Das Karzinoid: ein Serotonin-produzierender Tumor
Das Karzinoid ist ein meist im Magendarmkanal gelegener Tumor enterochromaffiner Zellen (Zellen, die sich durch eine spezielle Anfärbbarkeit herausheben), der vermehrt Serotonin bilden und ins Blut abgegeben kann. Als häufigste Symptome, die auf übermäßige Serotoninproduktion zurückzuführen sind, werden Durchfälle (Diarrhö) und eine Gesichtsröte (Flush) beobachtet.
Telotristat-Ethyl ist ein Hemmer der Serotoninsynthese im Darm (über eine Hemmung von TPH1). Es reduziert die Stuhlgangshäufigkeit (Diarrhö) selbst bei den Patienten, die trotz der Einnahme von Somatostatin-Analoga (wie Oktreotid) noch Symptome haben 6.
Serotoninquellen
Nahrungsmittel mit hohem Gehalt: Proteine, die einen hohen Tryptophangehalt aufweisen, sind gute Quellen für die Serotoninbildung. Dazu gehören beispielsweise Soja, Kakao, Erbsen, Hähnchenfilet.
Früchte mit einem hohen Gehalt an Tryptophan führen ebenfalls zu einer vermehrten Serotoninbildung; dazu gehören u. a. Bananen, Kakao, Datteln und Walnüsse. Auch das Kasein der Milch enthält viel Tryptophan.
Arm an Tryptophan ist beispielsweise Mais. Auch soll weidegefüttertes Rind im Fleisch weniger Tryptophan haben als mit angereichertem Futter hochgezogenes Rind.
Gifte: Serotonin findet sich in Insektengiften und Pflanzenstacheln (z. B. an Brennnesseln), die Schmerzen hervorrufen, sowie in manchen Pilzen und Samen und Amöben, die die Darmperistaltik anregen und Durchfall hervorrufen.
Serotonin als Appetitregler
Serotonin wirkt im Zentralnervensystem als Appetitzügler, indem es die Produktion des appetitanregenden Dopamins, die über 5-HT2C-Rezeptoren vermittelt wird, bremst. Medikamente, die die 5-HT2C-Rezeptoren blockieren, führen daher zu vermehrtem Appetit und Gewichtsanstieg. (Mehr zu Appetit siehe hier.)
Serotonin und Wundheilung
Serotonin regt zur Bildung von Fibrosierungen und Narbenbildungen an; es trägt damit zur normalen Wundheilung bei. 7
Eine übermäßige Fibrosierung der Herzklappen, eine Lungenfibrose und die Retroperitonealfibrose (Morbus Ormond) hängen offenbar mit einer Serotoninwirkung zusammen. Einen Zusammenhang mit serotoninergen Medikamenten, die früher auch als Appetitzügler (z. B. Fenfluramin, Dexfenfluramin) eingesetzt wurden, ist wahrscheinlich.
Plötzlicher Kindstod
Serotonin trägt zur Kontrolle des Herzkreislaufsystems bei, indem es in den Zentren des Hirnstamms autoinhibitorisch wirkt. Eine übermäßige Serotonin-Autoinhibierung wurde experimentell an Mäusen untersucht und als ein Risikofaktor für eine katastrophale autonome Dysregulation mit Hypothermie und Bradykardie festgestellt. Es wird angenommen, dass sie zum plötzlichen Kindstod (sudden infant death syndrom, SIDS) beiträgt 8. 9
Serotonin als Neurotransmitter
Im zentralen Nervensystem funktioniert Serotonin als Neurotransmitter. Besonders der dorsale Raphe-Kern (DRN), der größte der serotonergen Kerne, weist Verbindungen in kortikale als auch subkortikale Hirnregionen auf, welche eine Vielzahl von Funktionen regulieren 10: Zu ihnen gehören Stimmung, Stress und Belohnung. Serotonin fördert Funktionen, die (ähnlich wie Noradrenalin und Adrenalin) eine Kampf- oder Fluchtreaktion unterstützen. Das Sexualverhalten und der Appetit werden gehemmt und die Wachheit wird gesteigert. Am Darmkanal wird die Peristaltik gesteigert (Drang zu Stuhlgang). Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die als Antidepressiva wirken, haben diese Auswirkungen oft als Nebenwirkung.
Serotonin und Asthma
Polymorphismen des Gens für den 5-HT(4)-Rezeptor sind mit Asthma assoziiert. 11 Die Aktivierung des Serotonin-Rezeptors verhindert allergisches Asthma in einem Mausmodell. 12
Serotonin und psychiatrische Erkrankungen
Polymorphismen des 5-HT(4)-Rezeptors sind mit bipolaren (manisch-depressiven) Störungen 13 sowie mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom 14 assoziiert.
TPH2 ist ein Enzym des Gehirns, welches Serotonin bildet (s. o.). Genetische Variationen finden sich im serotonergen Systems bei einer Untergruppe von Alzheimer-Patienten und können bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle spielen 15.
Soziale Isolierung und Alkoholmisbrauch induzieren eine anhaltende Unterfunktion des Serotonin-Systems im Gehirn, insbesondere bei Frauen. Die chemogenetische Aktivierung der 5-HT-Neuronen des DRN schwächte den Belohnungswert sowohl für EtOH als auch für Saccharose ab und erhöhte die bestrafte Reaktion auf EtOH in einer stressabhängigen Weise.
Das Serotonin-Syndrom
Als Serotoninsyndrom wird ein Komplex von Symptomen bezeichnet, der durch eine Überempfindlichkeit auf Serotonin zustande kommt. Ursächlich handelt es sich um eine erhöhte Sensitivität der Serotoninrezeptoren im zentralen Nervensystem gegenüber serotoninergen Medikamenten, wie Monoaminoxidase-Hemmern (z. B. Tranylcypromin, Moclobemid, Seleglinid) und Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (z. B. Citalopram, Paroxetin, Sertalin). Die Serotoninproduktion kann durch Tryptophan aus der Nahrung gesteigert werden. Amphetamine können die Serotonin-Freisetzung erhöhen.
Symptome
Die Symptomatik des Serotonin-Syndroms beinhaltet
- schwerwiegende Symptome: Verwirrtheit, Fieber, Frösteln, Tremor, Hyperreflexie und Myoklonus.
- weniger schwerwiegende Symptome: Hyperaktivität, Agitiertheit, Tachykardie, Tachypnoe, Diarrhö, Hautrötung (oft im Gesicht), Mydriasis, Ataxie.
Die Diagnose wird durch den zeitlichen Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme wahrscheinlich. Die Behandlung besteht im Absetzen des angeschuldigten Präparats, wobei bei einigen eine lange Halbwertszeit berücksichtigt werden und abgewartet werden muss.
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Verweise
Referenzen
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- Cancer Manag Res. 2019 Aug 8;11:7537-7556. doi: 10.2147/CMAR.S181439. PMID: 31496810; PMCID: PMC6690650.[↩]
- Dis Colon Rectum. 2007 Mar;50(3):376-88[↩]
- Thromb Res. 1999 Jul 1; 95(1):1-18.[↩]
- Front Cardiovasc Med. 2017 Jul 20;4:48. doi: 10.3389/fcvm.2017.00048.[↩]
- Endocr Oncol. 2023 Apr 20;3(1):e220077. doi: 10.1530/EO-22-0077[↩]
- Int J Mol Sci. 2018 Mar 29;19(4):1034. doi: 10.3390/ijms19041034. PMID: 29596386; PMCID: PMC5979562.[↩]
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- Science. 2008 Jul 4;321(5885):130-3[↩]
- Psychopharmacology (Berl). 2025 Apr;242(4):763-781. doi: 10.1007/s00213-025-06749-3[↩]
- Respirology. 2011 May;16(4):630-8[↩]
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- Neurosci Lett. 2006 Jun 19;401(1-2):6-9[↩]
- Genes (Basel). 2023 Feb 4;14(2):413. doi: 10.3390/genes14020413[↩]