Die ischämische Kolitis ist eine Entzündung des Dickdarms auf dem Boden einer Minderdurchblutung der Darmschleimhaut. Sie ist eine mögliche Ursache von Bauchschmerzen und einer Darmblutung.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Eine Minderdurchblutung (Ischämie) von Dickdarmabschnitten kann verschiedene Ursachen und Prädispositionen haben: (1)World J Gastroenterol. 2008 Dec 28;14(48):7302-8. doi: 10.3748/wjg.14.7302 (2)Curr Opin Gastroenterol. 2017 Jan;33(1):34-40. DOI: 10.1097/MOG.0000000000000325
- Häufigste Ursache ist eine Arteriosklerose der Mesenterialarterien (A. mesenterica superior und inferior) und ihrer Äste bzw. eine Arteriolosklerose (Sklerose der kleinsten Äste in oder nahe der Darmwand). Häufig sind ältere Menschen mit Raucheranamnese, hohem Blutdruck und lang dauerndem Diabetes mellitus betroffen. Häufig ist die Minderdurchblutung zuvor schon symptomatisch geworden, indem immer wieder Bauchschmerzen nach Mahlzeiten auftreten (Orthner’sche Claudicatio intestinalis).
- Auch eine mechanische Einengung z. B. durch einen Tumor, eine entzündliche Verschwellung, einen Volvulus oder Briden oder eine Stenose am Abgang einer Mesenterialarterie von der Aorta durch ein Aortenaneurysma oder nach ihrer Operation können in seltenen Fällen der Auslöser sein.
- Eine Vaskulitis kann Auslöser einer ischämischen Kolitis sein. Beispiel ist eine leukozytoklastische Vaskulitis mit ischämischer Kolitis, die nach COVID-19-AstraZeneca-Impfstoff beschrieben wurde. (3)Ann Dermatol. 2023 Nov;35(Suppl 2):S342-S344
- Eine angeborene Anlageanomalie an der Riolan-Anastomose und den Drummond-Arkaden erhöht das Risiko für eine ischämische Kolitis im Bereich der linken Flexur.
- Eine erhöhte Koagulabilität (Thrombophilie: z. B. bei Protein-S-Mangel, Protein-C-Mangel, AT3-Mangel, Faktor-V-Leiden, Prothrombin-Mutation) ist ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für eine ischämische Kolitis verbunden.
- Zu den seltenen Ursachen gehört auch ein sportlicher Exzess, wie Marathon-Laufen. (4)Am J Emerg Med. 2009 Feb;27(2):255.e5-7 (5)Case Rep Gastrointest Med. 2012; 2012: 356895
Medikamente als Auslöser
Medikamente können eine ischämische Kolitis auslösen. (6)World J Gastroenterol. 2008 Dec 28;14(48):7302-8
Beschrieben wurde eine ischämische Kolitis unter der Medikation beispielsweise von folgenden Medikamenten: Herzglykoside (Digitalis), Appetithemmer (Phenterminen), Chemotherapeutika (Taxane, Vinca-Alkaloide), Kontrazeptiva oder NSAR, TNF-alpha-Hemmer (7)Drug Saf. 2013 May;36(5):329-34, Olanzapin (8)Rev Esp Enferm Dig. 2016 Aug;108(8):507-9., eine Hepatitis-C-Therapie mit Interferon-Ribavirin (9)World J Gastroenterol. 2012 Aug 21;18(31):4233-6, eine Interferon-alpha-Monotherapie bei chronischer Hepatitis B (10)Medicine (Baltimore). 2023 Apr 7;102(14):e33378. doi: 10.1097/MD.0000000000033378., Verhütungsmedikamente (11)Digestion. 2001;64(2):125-7 (12)Am J Surg Pathol. 1995 Apr;19(4):454-62, abschwellende Therapie mit Pseudoephedrin und Phenylephrin (13)J Clin Transl Res. 2023 May 15;9(3):195-205. (14)ACG Case Rep J. 2020 Sep 29;7(9):e00459. doi: 10.14309/crj.0000000000000459.
Cocain- oder Metamphetamin-Abusus sind ebenfalls mit einer ischämischen Kolitis assoziiert worden. (15)South Med J. 2000 Sep;93(9):909-13. PMID: 11005354. (16)Int J Surg Case Rep. 2019;58:11-13. doi: 10.1016/j.ijscr.2019.03.061
Entstehung
Bisher wurde eine Minderversorgung der Kolonmukosa als Hauptursache der ischämischen Kolitis angesehen. Jetzt wird angenommen, dass durch die Mangeldurchblutung die Schleimhautbarriere leidet und für die intestinale Flora und bakterielle Toxine durchlässig wird, was eine Entzündung fördert. Als Folge der Entzündung ändert sich die Keimzusammensetzung im Darm (Darmmikrobiom) rasch zugunsten pathogener Keime, die die Schleimhautschädigung und damit auch eine extraintestinale Organschädigung besonders befördern. (17)PLoS One. 2012;7(7):e42027. doi: 10.1371/journal.pone.0042027 (18)Int J Biol Sci. 2022 Jun 13;18(10):3981-3992. doi: 10.7150/ijbs.71491.
Ausprägung
Es wird eine nicht-gangränöse von einer (seltenen) gangränösen Form der ischämischen Kolitis unterschieden. Die meisten Erkrankungen verlaufen leicht und heilen spontan aus. Wahrscheinlich werden nicht alle leichteren Fälle diagnostiziert. Es werden nicht-gangränöse (ohne Untergang eines Darmwandteils) und gangränöse Formen (mit Untergang eines Teilstücks) unterschieden, die den gesamten Dickdarm oder auch nur ein Segment betreffen. Die nicht-gangränösen Fälle überwiegen.
Symptomatik
Alle Symptome einer nicht akuten ischämischen Kolitis sind unspezifisch und entsprechen im Wesentlichen denen auch anderer Dickdarmentzündungen. Leichte Formen manifestieren sich durch eine Neigung zu dünnem Stuhl und Diarrhö. Es können Darmkrämpfe hinzukommen. Bei schwererer Ausprägung können die Stühle blutig werden. Eine massive Blutung (Hämatochezie) ist untypisch. Der Bauch bei Palpation ist in der Regel weich, bei schwerem Verlauf kann Abwehrspannung als Zeichen einer Durchwanderungsperitonitis entstehen. Bei nekrotisierendem Verlauf und Entwicklung eines toxischen Megakolons kommen septische Symptome mit Fieber und Schüttelfrost hinzu; die Mortalität ist hoch.
In einer Zusammenstellung von Klinikfällen waren 69 % Frauen (Durchschnittsalter 68 Jahre), 31 % Männer (Durchschnittsalter 59 Jahre), 64 % der Patienten hatten Bauchschmerzen, Hämatochezie und Durchfall und 70 % Patienten hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. (19)Scand J Gastroenterol. 2017 Jun-Jul;52(6-7):704-710
Diagnostik
Koloskopie: Die Dickdarmspiegelung mit Gewinnung einer Gewebeprobe ist die wichtigste Methode zur Diagnostik. Das endoskopische Bild variiert je nach Schweregrad und kann dem einer Colitis ulcerosa entsprechen. Gelegentlich erkennt man einzelne longitudinale Ulzerationen (single-stripe sign); sie sollen recht charakteristisch sein, können aber makroskopisch kaum von einem Morbus Crohn abgegrenzt werden. Eine Differenzierung erfolgt durch die Histologie.
Bildgebende Verfahren wie Computertomographie und Darmsonographie: Bei schwereren Fällen kann die Darmwandung kann im befallenen Bereich entzündlich ödematös verdickt sein. Gelegentlich erkennt man eine Pneumatosis coli (Gasbildung in der Darmwand).
Therapie
- Umschriebene Verengungen größerer Arterien können häufig durch Kathetertechnik oder operativ angegangen werden.
- Viele leichte Fälle benötigen außer Entfernung der auslösenden Ursachen (z. B. Medikamente) keine differente Therapie und heilen spontan. Bei leichten und mittelschweren Fällen kann eine antibiotische Therapie (z. B. Ciprofloxacin plus Metronidazol) die Heilung beschleunigen.
- In den eher seltenen schweren Fällen ist eine parenterale Ernährung zusammen mit einer antibiotischen Therapie oft über längere Zeit erforderlich. Infusionen mit Prostaglandin E1 (PGE1) wurden als sehr erfolgreich beschrieben. (20)Gastrointest Endosc. 2004 Jul;60(1):148-51 Tierversuche legen nahe, dass auch Sildenafil aufgrund seiner Wirkung auf die glatte Gefäßmuskulatur zu einer Verbesserung führt. (21)Dig Dis Sci. 2008 Jun;53(6):1618-23
- Ist das Kolon durch Meteorismus stark gebläht, sollte für eine Dekompression (z. B. endoskopische Absaugung, Einlage einer Dennis-Sonde) gesorgt werden.
- Als ultima ratio kommt eine Kolonresektion bzw. Kolonteilresektion infrage.
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Verweise
Literatur