Grüner Tee ist ein Getränk, das aus getrockneten Blättern der Teepflanze (Camellia sinensis (L.) Kuntze) hergestellt wird.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Grüner Tee ist unfermentiert im Gegensatz zum fermentierten schwarzen Tee oder dem teilfermentierten Oolong. Durch die bakterielle Fermentation (bei etwa 30 Grad) und die anschließende Trocknung (bei etwa 85 Grad) verliert das Teeblatt biologisch wirksame Substanzen (zugunsten des Geschmacks). Beim grünen Tee wird die Fermentation durch Kurzzeiterhitzen verhindert. Er behält daher mehr antioxidative Aktivität als fermentierte Teesorten. Der biologisch wertvollste Inhaltsstoff ist ECGC (Epigallocatechin-Galleat). ECGC hat antioxidative, fettsenkende, antientzündliche, neuroprotektive (Nervensystem und Gehirn schützende) und antikanzerogene (gegen Krebs gerichtete) Eigenschaften. (1)J. Am. Coll. Nutr. 2006, 25, 79–99. (2)Chin. Med. 2010, 5, 13–21
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Biologische Wirkungen
Grüner Tee ist in vielfältiger Weise biologisch wirksam. Das zentrale Wirkprinzip ist Epigallocatechingallat (EGCG) mit starken antioxidativen, antiinflammatorischen und antikanzerogenen Eigenschaften. EGCG gehört zu den pflanzlichen Polyphenolen, die als Phytopharmaka wirksam sind. (3)Curr Drug Metab. 2006 Oct;7(7):755-809
Beispiele von Wirkungen
- Aufrechterhaltung der Endothelfunktion mit günstigen Auswirkungen bezüglich Verhinderung einer Arteriosklerose (4)Br J Nutr. 2009 Sep 15:1-13
- Entzündliche kardiovaskuläre Erkrankungen: im Tierversuch entfalten Tee-Polyphenole eine schützende Wirkung. (5)Mediators Inflamm. 2009;2009:494928 Sie fördern das muskuläre Remodelling nach Herzinfarkt (6)J Mol Cell Cardiol. 2007 Feb;42(2):432-40 und verbessern die myokardiale Pumpfunktion bei Myokarditis. (7)Eur J Heart Fail. 2007 Feb;9(2):152-9
- Vorbeugung des Metabolischen Syndroms: durch günstige Beeinflussung der Gewichtsentwicklung, der Zuckerkontrolle und kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Hyperlipidämie (8)Phytochemistry. 2009 Jan;70(1):11-24 EGCG verbessert die Blutzuckerkontrolle und trägt zu einer Gewichtsreduktion bei. (9)Biomed Pharmacother. 2017 Mar;87:73-81. doi: 10.1016/j.biopha.2016.12.082 In einer prospektiven Studie senkte ein konzentrierter Grüner-Tee-Extrakt die Triglyceride und LDL-Cholesterin im Blut signifikant. (10)Am J Clin Nutr. 2016 Dec;104(6):1671-1682. doi: 10.3945/ajcn.116.137075.
- Vorbeugung des Knochenabbaus (Osteoporose) im Alter und des durch ihn bedingten Frakturrisikos. Dies erfolgt durch Unterstützung der Tätigkeit der Osteoblasten und Unterdrückung der der Osteoklasten (11)Nutr Res. 2009 Jul;29(7):437-56 (siehe Infos zum Knochen), was auch im Tierversuch nahe gelegt wird (12)Bone. 2009 Apr;44(4):684-90
- Krebsvorbeugung: Die Prophylaxe mancher Krebsarten durch EGCG wird vermittelt durch eine Beeinflussung der den Zellzyklus, so durch Aktivierung von „Killer-Caspasen“ und durch Unterdrückung der Aktivierung des nukleären kappa-B-Faktors. (13)Crit Rev Food Sci Nutr. 2009 May;49(5):463-73 Als wünschenswerte Menge an grünem Tee werden 3 – 5 Tassen (bis 1,2 Liter täglich) vorgeschlagen, was einer Catechin-Menge von etwa 250 mg täglich entspräche). (14)Cochrane Database Syst Rev. 2009 Jul 8;(3):CD005004 Wichtige Mechanismen bei der Vorbeugung einer Krebsentstehung sollen eine Unterdrückung der Zellproliferation (antiproliferativer Effekt), der Invasion, Metastasenbildung und Angiogenese (Antiangiogenese in den Tumorabsiedlungen) und eine Erhöhung der Apoptose sein. (15)Cancer Lett. 2007 Jan 8;245(1-2):232-41 Die meiste Evidenz liegt für den Prostatakrebs und den Brustkrebs vor. (16)Prev Med. 2009 Aug-Sep;49(2-3):83-7 (17)Molecules. 2023 Jul 6;28(13):5246. doi: 10.3390/molecules28135246
- Prostatakarzinom: EGCG kann zur Chemoprävention dienen. (18)Front Biosci (Elite Ed). 2009 Jun 1;1:13-25
- Mammakarzinom: Grüntee-Polyphenole unterdrücken die Zellproliferation einer Brustkrebszelllinie in vitro und in vivo. (19)Cancer Biol Ther. 2007 Dec;6(12):1938-43 (20)Cancer Prev Res (Phila). 2017 Jun;10(6):363-370. doi: 10.1158/1940-6207.CAPR-16-0298 Eine präventive Wirkung für andere gynäkologische Tumore wird jedoch als relativ schwach angesehen. (21)Nutrients. 2023 Jan 13;15(2):403. doi: 10.3390/nu15020403.
- Lungentumore: Bezüglich Lungenkrebs wurden nur geringe protektive Effekte gefunden (22)Integr Cancer Ther. 2013 Jan;12(1):7-24.
- Magenkarzinom: hier wurde kein protektiver Effekt gefunden. (23)Blood. 2006 Oct 15;108(8):2804-10
- Multiples Myelom: Experimentelle Ergebnisse legen nahe, dass das im grünen Tee enthaltene Epigallocatechingallat die Abtötung von Myelomzellen bewirkt. (24)Blood. 2006 Oct 15;108(8):2804-10 Es soll laut biochemisch-experimenteller Ergebnisse allein oder zusammen mit Bortezomib eine gute Wirkung bei der Behandlung des multiplen Myeloms haben können. (25)Acta Biochim Biophys Sin (Shanghai). 2009 Dec;41(12):1018-26 Allerdings wurde auch festgestellt, dass Flavinoide, wie sie im grünen Tee vorkommen, direkt mit Bortezomib interagieren, so dass seine Wirkung vermindert oder aufgehoben werden kann (26)Blood. 2009 Jun 4; 113(23):5927-37 (27)Cancer Biol Med. 2013 Dec;10(4):206-13.
- Gallenblasenkarzinom: Grüner Tee scheint eine geringe protektive Wirkung auf die Entstehung des Gallenblasenkrazinoms zu haben, laut Metaanalyse vieler Studien jedoch nur bei Frauen (28)Mol Clin Oncol. 2015 May;3(3):613-618.
- Ösophaguskarzinom: Studien weisen eine protektive Wirkung von grünem Tee (und Kaffee, nicht von schwarzem Tee) nach (29)Nutr Cancer. 2013;65(1):1-16.
- Uterusleiomyom: Es werden an Zelllinien starke antipproliferative, antifibrotische und antiangiogenetische Effekte nachgewiesen. (30)J Cell Biochem. 2016 Oct;117(10):2357-69. DOI: 10.1002/jcb.25533
- Helicobacter pylori: Pflanzliche Polyphenole wie auch EGCG aus grünem Tee hemmt die Kolonisation von H. pylori und die durch den Keim ausgelöste entzündliche Reaktion, damit auch langfristig das durch die chronische Entzündung (und nicht unmittelbar durch H. pylori) erhöhte Magenkrebsrisiko. (31)J Dig Dis. 2008 Aug;9(3):129-39
- Neuroprotektion:
- Verminderung entzündlicher Reaktionen der Mikroglia: Das im grünen Tee vorhandene Epigallocatechingallat (EGCG) unterdrückt die Bildung der Entzündungsparameter TNF-alpha, Interleukin-1ß und Interleukin-6 sowie der induzierbaren Stickoxidsynthase (iNOS) in experimentell durch Amyloid stimulierter Mikroglia (32)Eur J Pharmacol. 2016 Jan 5;770:16-24.
- Schutz vor neuronalem Abbau: Epigallocatechingallat vermindert die Schädigung neuronaler Stammzellen, die in bestimmten Gehirnzenzentren auch bei Erwachsenen noch aktiv sind, sowie ihre Apoptose durch proinflammatorische Zytokine, wie sie bei chronischen Entzündungen im Körper zirkulieren (33)Korean J Physiol Pharmacol. 2016 Jan;20(1):41-51.
- Autoimmunenzephalitis: In Untersuchungen an Mäusen mit experimenteller Autoimmunenzephalitis (analog zur menschlichen multiplen Sklerose, MS) wird ebenfalls eine Schutzfunktion von EGCG nachgewiesen (34)PLoS One. 2015 Jun 26;10(6):e0130251. doi: 10.1371/journal.pone.0130251. eCollection 2015. (35)PLoS One. 2011;6(10):e25456. doi: 10.1371/journal.pone.0025456. Epub 2011 Oct 13..
- Neurodegenerative Krankheiten: Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson werden durch grünen Tee verzögert. (36)Neurochem Res. 2009 Apr;34(4):630-8 Tierexperimente legen nahe, dass bei der Parkinson-Krankheit Polyphenole aus grünem Tee die dopaminergen Neurone schützen, indem sie NO und reaktive Sauerstoffradikale hemmen. (37)Biol Psychiatry. 2007 Dec 15;62(12):1353-62 EGCG hemmt die Aggregation von alpha-Synuclein. (38)Front Neurosci. 2021 Sep 14;15:718188. doi: 10.3389/fnins.2021.718188
- Schlaganfall-Vorbeugung: Eine positive Wirkung in der Schlaganfallprophylaxe wird mehrfach festgestellt. (39)Complement Ther Med. 2007 Mar;15(1):46-53 Menschen, die täglich mehr als 3 Tassen grünen Tee trinken, sollen ein 21% geringeres Risiko für einen Schlaganfall haben. (40)Stroke. 2009 May;40(5):1786-92
- Familiäre Amyloidpolyneuropathie: Das im grünen Tee enthaltene Epigallocatechingallat scheint ein Kandidat für die Therapie dieser Form der Polyneuropathie zu sein. (41)Biochemistry. 2010 Jul 27;49(29):6104-14
- Systemische Leichtketten-Amyloidose: Es werden Fallberichte mitgeteilt, die einen positiven Effekt von grünem Tee nahe legen; möglicherweise kann sich Amyloid unter seiner Wirkung sogar wieder auflösen. (42)Clin Res Cardiol. 2008 May;97(5):341-4 Bei der Herzbeteiligung einer Amyloidose führt grüner Tee zu einer Reduktion der Wanddicke des linken Ventrikels sowie einer deutlichen Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion und der NYHA-Klassifikation. (43)Clin Res Cardiol. 2010 Aug;99(8):483-90
- Photoprotektion der Haut: Sowohl die lokale Applikation von Polyphenolen aus grünem Tee als auch ihre orale Zufuhr schützen die Haut vor toxischen und kanzerogenen Folgen einer uv-Bestrahlung. EGCG vermindert die durch das uv-Licht hervorgerufene Unterdrückung und Schädigung des Immunsystems, was auch an einer Reduktion der Produktion von Interleukin-10 (IL-10), welches das Immunsystem unterdrückt, ablesbar ist. (44)Curr Drug Targets Immune Endocr Metabol Disord. 2003 Sep;3(3):234-42
Nebenwirkungen
Grüner Tee ist offenbar auch in größeren Mengen gut verträglich. Allerdings sind auch Leberschäden beschrieben. (45)Eur J Clin Pharmacol. 2009 Apr;65(4):331-41 Darunter befinden sich toxisch-hepatitische Entzündungsreaktionen, Cholestase, Leberverfettung und Leberzelluntergänge. Ursächlich wird oxidativer Stress der Hepatozyten angenommen. (46)Drug Saf. 2008;31(6):469-84 Immer ist auch an Pestizide zu denken.
Weitere Entwicklungen
Unter physiologischen Bedingungen ist ECGC instabil und kann durch verschiedene Stoffwechselprozesse wie Methylierung in seiner Wirkung abnehmen. Um sie zu stabilisieren und zu erhöhen, werden Derivate entwickelt. (47)Inflammopharmacology. 2008 Oct;16(5):248-52 Für einige Derivate wurde eine verstärkte antivirale Wirksamkeit gefunden. (48)Bioorg Med Chem Lett. 2014 Sep 1;24(17):4162-5. doi: 10.1016/j.bmcl.2014.07.051. (49)Molecules. 2018 Sep 27;23(10):2475. DOI: 10.3390/molecules23102475
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Verweise
- Sekundäre Pflanzenstoffe
- Biologische Substanzen mit medizinischer Wirkung
- Phytopharmaka
- Epigallocatechingallat
Autor: Prof. Dr. Hans-Peter Buscher (s. Impressum)
Literatur