Allgemeines
Mikro-RNA (miRNA) sind körpereigene einzelsträngige RNA (Ribonukleinsäuren) von 21-25 Nukleotiden, die keine Funktion als Informationsüberträger von den Genen ins Zellplasma bei der Proteinsynthese ausüben, sondern die Expression von Genen regulieren. Sie vermögen dies, indem sie die Transkription der DNA auf mRNA (messenger-RNA) blockieren, den Abbau spezifischer mRNA beeinflussen oder auf die Promoterregionen von Genen einwirken.
Es wird angenommen, dass mehr als 2500 miRNAs im menschlichen Genom kodiert sind. 1 Sie werden sowohl in Zellen, im Interstitium als auch im Blutserum gefunden. Im Blut werden miRNAs überwiegend in Mikrovesikel transportiert, die sie vor Abbau schützen. So gelangen sie an entfernte Stellen im Körper und können dort eine Fernwirkung ausüben. 2
miRNAs bilden Basenpaarungen mit komplementären Sequenzen zu Messenger-RNA (mRNA). Diese werden dadurch in ihrer Funktion behindert: Der mRNA-Strangs kann gespalten oder destabilisiert werden, und seine Effektivität bezüglich ihrer Translation in Proteine kann vermindert sein. 3 4
Bedeutung für die theoretische und klinische Medizin
Mikro-RNA sind inzwischen von außerordentlich hohem Interesse für das Verständnis der Entstehung vielen Krankheiten, insbesondere von Tumorkrankheiten und chronischen Entzündungen geworden und bieten zudem die Möglichkeit, Krankheiten und ihre Aktivität aus Blutproben heraus sehr viel genauer als bisher zu diagnostizieren. Erwartbar sind neue Therapiemöglichkeiten (s. u.). 5
Bedeutung bei der Auslösung von Krankheiten
Indem miRNA die Aktivität von Genen beeinflussen, können sie Krankheiten fördern oder gar auslösen. Beispiele:
- Krebs: Spezifische miRNA spielen bei der Auslösung von Krebs eine Rolle , so z. B. bei Brustkrebs, Uteruskarzinom, Lungenkrebs, Darmkrebs, Magenkrebs, Blasenkarzinom und andere Krebsarten. 6 7 8
- Fettleberhepatitis: Beim Übergang einer Fettleber in eine Fettleberhepatitis spielen Mikro-RNA eine ausschlaggebende Rolle. 9
- Diabetische Nephropathie: Die Entstehung einer diabetischen Nephropathie wird durch Mikro-RNA (miR-1207-5p) gefördert. 10
- Myasthenia gravis: Bei ihr ist die Zusammensetzung zirkulierender miRNAs verändert; das Spektrum kann diagnostisch und prognostisch verwendet werden. 11
Bedeutung bei der Unterdrückung von Krankheiten
MiRNA können auch Krankheiten unterdrücken. Beispiele:
- Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom wird durch ein miRNA (miR-4782-3p) in seinem Wachstum gehemmt. 12
- Das Magenkarzinoms wird in Wachstum und Ausbreitung (Metastasierung) durch eine spezifisches miRNA ebenfalls gehemmt 13.
- Das Osteosarkom wird durch ein Mikro-RNA (miR-340) in Wachstum und Metastasierung gehemmt. 14
Diagnostische Bedeutung
Da einzelne miRNAs bei verschiedenen Erkrankungen entweder vermehrt oder vermindert gebildet werden und im Blut erscheinen, können sie als „Fingerprint“ -Biomarker als Krankheitssignatur diagnostische Bedeutung erhalten.
Beispiele:
- Brustkrebs: Es finden sich beispielsweise Erhöhungen der miRNAs miR-21, miR-155, miR-18a, miR-21, miR-148b und miR-155. 15
- Fettleberhepatitis (NASH): Es findet sich eine Überexpression von miR-34a und miR 146b sowie eine verminderte Expression von miR-122. Auch weitere miRNA gehören zum Muster. 9
Perspektive
Durch die aktuelle Forschung am Mikro-RNA werden immer neue Einsichten sowohl in die Pathogenese von Krankheiten als auch in die diagnostische Bedeutung verschiedener Mikro-RNA-Muster im Blut erhalten. Es ist zu erwarten, dass sich die Diagnostik durch Tests auf Mirko-RNA-Basis für viele Krebsarten und chronische Krankheiten revolutioniert. Es ist durchaus auch im Bereich des Erwartbaren, dass sich auf Mikro-RNA-Basis auch neue Therapieformen entwickeln lassen. Allerdings besteht der Einwand, dass ein miRNA nicht nur jeweils auf ein Gen, sondern auf sehr viele Gene zielt, und dass wegen der damit verbundenen Komplexität der Effekte ein sicherer therapeutischer Einsatz kaum oder schwer zu erzielen sein wird. 16
Verweise
Referenzen
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- Drug Des Devel Ther. 2021 Feb 22;15:721-733. DOI: 10.2147/DDDT.S288859[↩]