Das Wichtigste verständlich
Statine (CSE-Hemmer, CholesterinSyntheseEnzym-Hemmer) sind Medikamente mit vielfältigen Effekten.
Haupteffekt ist eine Unterdrückung der Neubildung von Cholesterin in der Leber. Hauptindikation ist die Senkung des Cholesterinspiegels im Blut, speziell des LDL-Cholesterins. Sie dienen zur Vorbeugung einer Arteriosklerose und ihrer Komplikationen. Als Cholesterinsenker werden sie zur Behandlung und Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall und anderer Arteriosklerose-Komplikationen eingesetzt. Weitere Eigenschaften sind
Die Resorption der gängigsten Statine im Darm ist sehr gering. Ihr Abbau im Körper ist bei etwa 10 % der Menschen durch eine Stoffwechselanomalie stark verlangsamt. Dies erklärt gelegentliche Nebenwirkungen einiger Präparate, so vor allem Muskelbeschwerden und eine Erhöhung der Muskelenzyme (Creatinkinase). Die Verträglichkeit der Statine ist in der Regel gut. Einige Statine bewirken in Einzelfällen Muskelschmerzen und (selten) eine Rhabdomyolyse (Muskelzerstörung) mit Nierenversagen, weshalb bei Therapiebeginn bei einigen Präparaten engere Kontrollen erforderlich sein können. |
Eigenschaften
Wirkmechanismus: Statine hemmen das geschwindigkeitsbestimmende Schlüsselenzym der Cholesterinsynthese, die 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl (HMG)-Coenzyme A (CoA) Reduktase in der Leber. Sie werden daher auch als CSE-Hemmer bezeichnet. Eine Hochregulation des LDL-C-Rezeptors in der Leber führt zu einer erhöhten LDL-C-Aufnahme aus dem Blut.
Bioverfügbarkeit: Alle Statine bis auf Pravastatin sind lipophil; sie bedürfen also zu ihrer Resorption der emulgierenden Eigenschaft der Galle. Die Bioverfügbarkeit liegt für Simvastatin, dem am häufigsten verordneten Statin, bei 5%, bei Pravastatin um 17 %. Bei Nahrungsaufnahme mit Fettanteil erhöht sich die Bioverfügbarkeit der fettlöslichen Statine und sie sinkt für Pravastatin. Der Gesamteffekt von Statinen bezüglich einer Cholesterinsenkung beruht auf einer tiefgreifenden Änderung der Homöostasemechanismen. 1 2
Der Abbau erfolgt über das Cytochrom P450-System (CYP3A4, CYP2C9 und CYP2D6). Bis zu 10% der Patienten sind Langsammetabolisierer und akkumulieren die Statine, speziell diejenigen, die über das bei ihnen abnormale CYP2D6 abgebaut werden (autosomal rezessiver Polymorphismus).
Die biologische Halbwertszeit liegt bei den meisten Statinen zwischen 2-3 Stunden, für Atorvastatin liegt sie über 10 Stunden.
Die Effektivität bzgl. größerer kardiovaskulärer Ereignisse lag für Atorvastatin bei -34%, für Fluvastatin bei -41%. Bezgl. einer Sekundärprävention (nach stattgehabtem kardiovaskulärem Ereignis) war Atorvastatin gegenüber Pravastatin mit -35% und gegenüber Simvastatin mit -32% günstiger. 3
Pharmakokinetik
Daten nach 4
Statine (mg) | Proteinbindung, % | Halbwertszeit, h | Anahmen von LDL-Cholesterin |
---|---|---|---|
Atorvastatin (10–80) | ≥ 98 | 14.0 | 38–54 |
Fluvastatin (20–80)a | 98 | 3.0 | 17–33 |
Lovastatin (20–80) | > 95 | 1.1–1.7 | 29–48 |
Pitavastatin (1–4) | > 99 | 12.0 | 31–41 |
Pravastatin (10–40) | 50 | 1.8 | 19–40 |
Rosuvastatin (10–40) | 88 | 19.0 | 52–63 |
Simvastatin (10–40) | 95 | 4.9 | 28–41 |
Wirkungen
- Antiinflammatorische Wirkung an Blutgefäßen durch Verringerung der Expression verschiedener Matrix-Metallproteinasen (MMP) in Atheromatoseplaques 5,
- Durch Plaque-Stabilisierung Senkung kardialer Ereignisse bei Koronarpatienten innerhalb des ersten Jahres um > 70 %, Verbesserung des Überlebens beim akuten Herzinfarkt 6,
- Stabilisation der Endothelfunktion; CSE-Hemmer wirken der Verdickung von Intima und Media von Arterien entgegen (messbar sonographisch an der Arteria carotis), *Hemmung der Proliferation von glatten Gefäßmuskelzellen,
- Vorbeugung bzw. Senkung des Risikos von Vorhofflimmern, z. B. nach einem Herzinfarkt, was dem antientzündlichen und antioxidativen Effekt der CSE-Hemmer zugeschrieben wird (Beispiel Simvastatin 7 ),
- Modulation der Immunantwort,
- Hemmung der Proliferation von Makrophagen,
- Stimulation des Knochenwachstums (wenn im Tierexperiment zusammen mit Kalziumsulfat verabreicht 8),
- Senkung der Cholesterinausscheidung in die Galle und möglicherweise Vorbeugung einer Cholelithiasis 9 10,
- Senkung des allgemeinen Tumorrisikos 11, möglicherweise – nach in-vitro-Versuchen – mitbedingt durch Hemmung der Glukoseaufnahme in bestimmte Tumorzelllinien 12 (s. u.).
- Neuroprotektion bei spontaner intrazerebraler Blutung. 13 Allerdings hatte in einer Studie eine vorherige Statineinnahme keinen Einfluss auf die Schwere der Blutung. Es fehlen große Studien. 14 15
→ Zu einzelnen Statinen siehe hier.
Statine als Cholesterinsenker
Indem sie die HMG-CoA-Reduktase in der Leber hemmen, senken die Statine den Cholesterinspiegel, speziell das LDL-Cholesterin im Blut und die Cholesterinausscheidung in die Galle.
In ihrer Eigenschaft als Cholesterinsenker wirken die Statine am effektivsten in der Nachtphase, in der die Cholesterinbiosynthese der Leber am höchsten ist. Die Einnahme sollte daher abends mit oder kurz nach dem Abendessen erfolgen. Eine gleichartige Wirkung der Cholesterinsenkung um etwa 20 % wird durch 40 mg Lovastatin, 20 mg Simvastatin, 40 mg Pravastatin und 10 mg Atorvastatin erzielt.16 17
Vorbeugung der Arteriosklerose
Die Senkung des LDL-Cholesterins beugt der Arteriosklerose und ihren Komplikationen, dem Herzinfarkt und dem Schlaganfall vor. Eine große Metaanalyse zeigt, dass dies im Wesentlichen für alle Altersgruppen gilt. Wenn eine Senkung von 1 mmol/l erzielt wird, sinkt das Risiko einer Komplikation durch Verengung der Herzkranzgefäße um 24 %, das eines Schlaganfalls um 16%! Auf andere Erkrankungen haben Statine statistisch in der Metaanalyse keinen Einfluss gezeigt. Selbst bei älteren Menschen kann die Fortführung einer Statintherapie gerechtfertigt sein. 18
Wirkung als Entzündungshemmer
Neben dem Cholesterin senkenden Effekt haben die Statine weitere Effekte, die von hohem Interesse für die Behandlung der Arteriosklerose und arteriosklerotischer Komplikationen, sowie von Herzkrankheiten, wie dem Herzinfarkt, sind. Sie senken die Produktion von Entzündungsmediatoren und darüber die Entstehung von Veränderungen an den arteriellen Blutgefäßen. Statine senken die IL-6-Produktion und den CRP-Spiegel im Blut. 19 Sie verbessern die Endothelfunktion, haben eine günstige Wirkung bei Vorhofflimmern und senken die Mortalität bei Diabetes und Nierenkrankheiten. 20
Statine beim akuten Koronarsyndrom
Beim akuten Koronarsyndrom führte die frühzeitige Einleitung einer aggressiven Simvastatin-Therapie zu einem günstigen Trend bezüglich der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse 21 20 und zu einer Reduktion der Mortalität beim STEMI (ST-Hebungsinfarkt). 22 Diese Effekte beruhen offenbar nicht auf dem bislang hauptsächlich diskutierten Cholesterin senkenden Effekt der Statine sondern auf ihrem günstigen akuten Einfluss auf die Entzündungsmediatoren.
Statine gegen Thrombose und Lungenembolie
Die Cochrane-Bewertung einer Veröffentlichungen zeigt, dass Statine (gezeigt für Rosuvastatin) das Risiko für eine venöse Thromboembolie senken. 23 Eine andere Arbeit zeigt dies auch für wiederholte Thromboembolien, allerdings nicht für ältere Menschen über 80 Jahre. 24
Statine zur Krebsvorbeugung
Statine senken nicht nur den Cholesterinspiegel im Blut sondern beugen unerwarteterweise auch der Entwicklung einiger Neoplasien vor 25 26 27. Mechanismen, die dazu beitragen, scheinen eine negativen Beeinflussung der Glukoseaufnahme in die Tumorzellen zu sein 28 sowie eine Hemmung von RAS-GTPasen und der T-Zell-Anheftung an ICAM-1. 29 Sie aktivieren AMPK (5′-Adenosinmonophosphat-aktivierte Proteinkinase) als Energiesensor, der die Zellproliferation hemmt und eine Apoptose in Krebszellen induziert. 30 Dazu siehe auch hier.
- Prostatakarzinom: Sie senken das Risiko für ein Prostatakarzinom deutlich. 31 Allerdings zeigte eine Metaanalys von Studien, dass Statine den Verlauf des Prostatakarzinoms nicht wesentlich beeinflusst. Bei einer Einnahmezeit von über 5 Jahren scheint ein geringer protektiver Effekt sich abzuzeichnen. 32
- Non-Hodgkin-Lymphom (NHL): Sie senken das NHL-Risiko, wie bei HIV-Patienten nachgewiesen wurde. 33
- Gallengangs-Karzinom: Für Simvastatin wurde eine Tumor-unterdrückende Wirkung festgestellt. 34
- Darmkrebs: Atorvastatin scheint in Kombination mit Sulindac oder Naproxen zur Vorbeugung von Darmkrebs ebenfalls wirksam zu sein 35.
- Gynäkologische Tumore: In Zellkulturen von Ovarialkarzinom, Endometriumkarzinom und Cervixkarzinom induzierten lipophile Statine (nicht das hydrophile Pravastatin) die Apoptose (Zellzerstörung) von Krebszellen, wobei der Effekt bei hoher HMG-CoA-Reduktase Aktivität höher als bei niedriger war. 36
- Ösophaguskarzinom: In Zellkulturen wurde nachgewiesen, dass Statine die Proliferation von Adenokarzinomzellen eines Barrett-Ösophagus hemmen. 37
- Hepatozelluläres Karzinom (HCC, Leberkrebs): In Zellkulturen und im Tiermodell eines HCC zeigte sich ein verstärkender Effekt von Pravastatin auf die Wirkung von Sorafenib. 38
- Nierenzellkarzinom: Eine Metaanalyse von 5 Studien ergab keine Assoziation einer Statineinnahme mit dem Überleben bei Nierenzellkarzinom. 39
Diese Beobachtungen eröffnen eine Perspektive bei Vorbeugung und adjuvanter Therapie von Tumoren.
Nebenwirkungen
Statin-assoziierte Muskelsymptome (SAMS): CSE-Hemmer sind in der Regel gut verträglich. Die häufigste und subjektiv früh auffällige Nebenwirkung sind Muskelbeschwerden und Abnahme der Kraft (CSE-Myopathie). Ihre Prävalenz liegt bei 7 – 29%. Es kann sich in seltenen Fällen eine Rhabdomyolyse (Muskelauflösung) mit Myoglobin-Freisetzung und Myoglobinurie mit Nierenversagen entwickeln. Eine Kombination von Statinen mit dem Fibrat Gemfibrozil erhöht das Risiko einer Rhabdomyolyse. Für Patienten mit SAMS wird empfohlen, die niedrigste Statin-Dosis zu wählen, bei der die Muskelsymptome nicht auftreten und ggf. eine Kombination mit anderen Lipid-senkenden Medikamenten zu wählen. 40
Werden Statine neu angesetzt, werden i. d. R. nach kurzer Zeit Laborwerte kontrolliert, um Muskelkomplikationen frühzeitig erkennen zu können. Aussagekräftig sind die Creatinkinase (CK), die LDH, das Troponin und das freie Myoglobin im Blut.
Für Simvastsatin und Pravastatin wurden in Studien nur sehr seltene bzw. keine Myopathien berichtet 41 42; dagegen war das vom Markt genommene Cerivastatin bezüglich Myopathie besonders riskant.
Statine erhöhen das Risiko einer Zuckerkrankheit (Diabetes); dies besagt eine retrospektive Studie: Innerhalb von 12 Jahren kam es bei 55,9% der Patienten mit und bei 48,0% derjenigen ohne Statin-Medikation zu einer Progression (Fortschreiten) des Diabetes: Es wurde eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Erhöhung der Blutzuckermedikation und des Beginns einer Insulinbehandlung, einer Stoffwechselentgleisung und von diabetischen Komplikationen festgestellt. Die Risiko-Nutzen-Abschätzung einer Statintherapie sollte dies mit berücksichtigen. 43
Alternativen
Neue Entwicklungen zur Cholesterinsenkung zielen auf einen beschleunigten Abbau der Reduktase (siehe hier). 44
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Verweise
Referenzen
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