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Allgemeines
Als Barrett-Ösophagus wird eine Umwandlung der Speiseröhrenschleimhaut in Magenschleimhaut bezeichnet. Sie ist Folge einer lang dauernden Refluxkrankheit und erhöht das Risiko für Speiseröhrenkrebs.
Bei chronischem Reflux von Magensaft in die Speiseröhre (Ösophagus) können sich in der Nähe des Schleimhautübergangs von der Speiseröhre zur Cardia des Magens Veränderungen in der Schleimhauthistologie entwickeln.
Der Barrett-Osophagus stellt histologisch eine Zylinderzellmetaplasie (Barrett-Metaplasie) im distalen Ösophagus dar (esophageal columnar metaplasia, ECM). Typisch ist ein Zylinderepithel vom Cardiatyp, Fundustyp (mit Haupt- und Parietalzellen) oder intestinalen Typ. Im metaplastischen Epithel können sich dysplastische Zellnester bilden, aus denen Krebs entstehen kann. (Metaplasie: Umwandlung der Schleimhaut, gutartig; Dysplasie: Vorstufe von Krebs, Präkanzerose)
Der Abstand zwischen dem Übergang von der glatten Ösophagusschleimhaut, die ein nicht verhornendes Plattenepithel ist, zum Zylinderepithel der Magenschleimhaut (Z-Linie) bis zum Beginn der Magenschleimhautfalten sollte 2 cm nicht überschreiten. Beim Barrett-Ösophagus ist er größer, und zudem ist der Schleimhautübergang nicht immer glatt, sondern häufig zungen- oder flammenförmig oder gezackt, oder es finden sich kleine Inseln von Zylinderzellepithel im Plattenepithel.
Es werden je nach Länge der Barrett-Metaplasien ein Short-Barrett und ein Long-Barrett unterschieden. Vor allem der Long-Barrett stellt ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Karzinoms dar.
→ Refluxkrankheit – einfach erklärt
→ Barrett-Karzinom
→ Der Magen
Häufigkeit
Weltweit leiden etwa 15 % der Bevölkerung unter Refluxsymptomen, unter ihnen liegt die Prävalenz histologisch bestätigter Barrett-Metaplasien bei etwa 7 % mit einer großen Spanne von 4 % in asiatischen Ländern bis zu 14 % in Nordamerika. (1)Cancers (Basel). 2023 Sep 28;15(19):4776. doi: 10.3390/cancers15194776
Entstehung
Die Zylinderzellmetaplasie des Barrett-Ösophagus ist Folge einer chronischen Refluxkrankheit. Geschädigte und abgeschilferte Plattenepithelzellen werden durch das schneller proliferierende Zylinderepithel des Magens ersetzt. Häufig beginnt die Metaplasie mit einer längs verlaufenden Erosion, die sich im Laufe der Zeit zirkulär ausbreitet. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit nach oral kann über 1,5 cm pro Jahr betragen.
Sehr selten besteht eine angeborene Zylinderzellauskleidung im unteren Ösophagus. Dies wird als Entwicklungsdefekt gedeutet, da pränatal der Ösophagus mit Zylinderepithel ausgekleidet ist, das um die Geburt herum normalerweise durch Plattenepithel ersetzt wird.
Symptomatik
Hauptsymptome sind Schluckbeschwerden (Dysphagie). Sie treten in 50 – 70 % auf. D. h. 30 – 50 % der Patienten haben keine Beschwerden. Liegt bereits ein Barrett-Karzinom vor, so steigt die Dysphagie-Häufigkeit an auf 70 – 95 %. Oft besteht eine lange Vorgeschichte mit Sodbrennen.
Diagnostik
Ein endoskopisches Screening wird bei Patienten mit chronischer Refluxsymptomatik empfohlen, die mindestens drei der folgenden Risikofaktoren aufweisen: ≥ 50 Jahre alt, männliches Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI) ≥ 30 kg/m2 und kaukasische Ethnizität. (2)Cancers (Basel). 2023 Sep 28;15(19):4776. doi: 10.3390/cancers15194776
Endoskopie
Das makroskopische Bild bei einer Magenspiegelung (Ösophagogastroduodenoskopie) ist diagnoseweisend. Es findet sich das typische Bild einer hochgezogenen und unregelmäßig begrenzten Z-Linie mit flammenartigen Ausläufern. Oft ist eine Hiatusgleithernie Ursache von häufigem Reflux und damit eine chronische Entzündung und schließlich der Barrett-Metaplasie. Bei fortgeschrittener Refluxösophagitis können narbige Strikturen erkennbar sein.
Es gibt keine sicheren endoskopischen Zeichen für Dysplasien (selbst nicht für schwere Dysplasien), sodass neben gezielten auch ungezielte Biopsien (Quadrantenbiopsie in 2 cm Abstand) erforderlich sind. Geringgradige Dysplasien sollten in kurzen Abständen, z. B. alle 1/2 Jahre, kontrolliert werden.
Zur besseren Erkennbarkeit während einer Endoskopie lassen sich dysplastische Bezirke in der Schleimhaut mit Essigsäure, Indigokarmin oder Berliner Blau anfärben und hervorheben (Chromoendoskopie). Malignomverdächtige Bezirke können so besser erkannt und durch Biopsien diagnostiziert werden. (Siehe auch Diagnostik bei Refluxkrankheit).
Endoskopische Überwachung
Die Überwachungsintervalle hängen von dem endoskopischen und histologischen Typ ab.
A. Kein Dysplasienachweis:
- Beim Long-Barrett (Z-Linie > 2 cm oberhalb des Mageneingangs) ohne Dysplasie (bei Index-Endoskopie) sollten Kontrollen alle 2 – 4 Jahre,
- beim Short-Barrett (Z-Linie bis 2 cm oberhalb des Mageneingangs) ohne Dysplasie (bei Index-Endoskopie) alle 4 Jahre erfolgen.
B. Dysplasienachweis:
- Bei Low-Grade-Dysplasie: Kontrolle nach 1/2 Jahr, ggf. weiter jährlich.
- Bei High-Grade-Dysplasie: Zweitmeinung eines erfahrenen Pathologen, dann ggf. Resektion (endoskopisch oder durch Operation).
Therapie
Bei hochgradigen Dysplasien und bei einem noch nicht invasiv wachsenden und nicht metastasierten lokalen Tumor kommen verschiedene endoskopische Techniken zur Therapie infrage. Zu ihnen gehören eine endoskopische Schleimhautresektion (EMR), eine endoskopische Submukosadissektion (ESD) zur Entfernung einer sichtbaren Dysplasie sowie endoskopische ablative Techniken, einschließlich Radiofrequenzablation (RFA) und Kryotherapie, mit denen auch nicht sichtbare Dysplasien beseitigt werden können. (3)Cancers (Basel). 2023 Sep 28;15(19):4776. doi: 10.3390/cancers15194776
Bei nicht dysplastischen Veränderungen kann versucht werden, die Mukosa eines Long-Barrett durch endoskopische Verschorfung wieder zurückzudrängen. Wichtig ist eine Verschorfung, die tief genug reicht, um auch die in der Tiefe liegenden Drüsenkörperanteile der Metaplasien zu erreichen.
- Photodynamische Therapie mit Nd:Yag-Laser: Rückbildung der Barrett-Mukosa in normales Plattenepithel in 80 %. (4)Overholt B.F. el al. Gastrointest. Endosc. 1999; 49: 1-7
- Argon-Beamer: mehrere Sitzungen nötig, häufig Rezidive.
- Radiofrequenzablation (RFA; z. B. mit dem HALO360 Ablation System, BARRX-System): relativ hohe Erfolgsrate (bei etwa 70 % der Patienten Entfernung der Dysplasie). (5)Gastrointest Endosc. 2007 Feb;65(2):185-95 (6)Dis Esophagus. 2007;20(6):516-22 Beim Barrett-Ösophagus mit hochgradiger Dysplasie ist die zirkumferente Hochfrequenzablation eine suffiziente Behandlung mit > 90 % Erfolg bei einer Nachbeobachtung über 1 Jahr. (7)Gastrointest Endoscopy 2008; 68: 35-40
Eine zusammenfassende Beurteilung (2018) besagt, dass die verschiedenen Studien zu kleine Teilnehmerzahlen haben, um endgültig aussagefähig zu sein. Die RFA scheint aber anderen Methoden überlegen zu sein. (8)Transl Gastroenterol Hepatol. 2018 Oct 29;3:83. doi: 10.21037/tgh.2018.10.01 Eine Untersuchung weist jedoch darauf hin, dass bei Low-grade-Dysplasien ein Zuwarten unter endoskopischer Kontrolle ein ähnlich gutes Langzeitergebnis erbringt wie eine RFA. (9)Dis Esophagus. 2018 Apr 1;31(4). doi: 10.1093/dote/dox120.
Die Empfehlungen zur endoskopischen Therapie und Nachkontrolle der amerikanischen gastroenterologischen Gesellschaft (AGA) enthalten sehr differenzierte Anweisungen (siehe hier). (10)Gastroenterology. 2020 Feb;158(3):760-769. DOI: 10.1053/j.gastro.2019.09.051. Epub 2019 Nov 12. … Continue reading
Prognose
Beim Long-Barrett besteht ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko: Die Zylinderzellmetaplasien können zu Dysplasien fortschreiten und karzinomatös entarten. Der Barrett-Ösophagus gilt daher als Präkanzerose. Das Risiko einer Entartung zu Adenokarzinomen ist etwa 30fach höher als bei Menschen ohne ECM. Männer sind 5x häufiger betroffen als Frauen. Alkohol und Nikotin sind begünstigende Faktoren für das Barrett-Karzinom im Barrett-Ösophagus.
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Verweise
Patienteninfos
Literatur