Die Colitis ulcerosa verläuft bei Kindern und Jugendlichen häufig schwerer als bei Erwachsenen; etwa ¼ der Erkrankten bedürfen einer Operation (1)Arch Dis Child. 2016 May; 101(5): 469–474. In der Regel ist bei ihnen der gesamte Dickdarm von der Entzündung betroffen. Hier werden Besonderheiten von Diagnostik und Therapie zusammengestellt; ansonsten sei auf den Hauptartikel zur Colitis ulcerosa verwiesen (siehe hier). (2)Semin Pediatr Surg. 2017 Dec;26(6):367-372. DOI: 10.1053/j.sempedsurg.2017.10.006 (3)J Crohns Colitis. 2013 Dec;7(11):e509-15. DOI: 10.1016/j.crohns.2013.03.007.
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Inhaltsverzeichnis
Diagnostik
Die Diagnostik entspricht im Wesentlichen der bei Erwachsenen (siehe hier). Ausgang sind häufig folgende Symptome und Befunde:
- Durchfälle (Diarrhö),
- Blutbeimengung zum Stuhl und
- Bauchschmerzen sowie
- erhöhte Entzündungsmarker im Blut.
Nach Ausschluss einer infektiösen Ursache (z. B. Clostridium difficile) wird meist folgende Reihenfolge von Untersuchungen eingehalten:
- eine Darmsonographie zur Beurteilung der Darmwanddicke und -durchblutung und
- eine Spiegelung des Dickdarms (Koloskopie) indiziert. Bereits makroskopisch lässt sich eine Entzündung der Darmschleimhaut (Kolitis) erkennen.
- Die Histologie von Gewebeproben bestätigt die Diagnose einer Colitis ulcerosa. In etwa 10 % der Fälle kann in den Anfangsstadien noch nicht zwischen einer Colitis ulcerosa und einem Morbus Crohn unterschieden werden; es wird dann von einer Colitis indeterminata gesprochen.
Die pädiatrische Colitis ulcerosa (C. u. bei Kindern) hat die Besonderheit, dass sie zu einer submukosalen Fibrosierung (Narbenbildung) neigt, und dass die Muskelschicht der Mukosa verdickt ist. (4)J Crohns Colitis. 2022 Jun 24;16(5):804-821. DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjab216.
Steht ein Morbus Crohn als Differenzialdiagnose im Raum, sind auch Untersuchungen des Dünndarms erforderlich, was heute durch MRT-Methoden schonend erfolgen kann. Eine Entzündung der Darmwand lässt sich durch bildgebende Verfahren gut darstellen; die Darmsonographie eignet sich besonders zur Therapiekontrolle.
Extraintestinale Manifestationen
Bei über 5 % der erkrankten Kinder werden bereits frühzeitig auch entzündliche Beteiligungen anderer Organe und Strukturen des Körpers als dem Darm (extraintestinale Manifestationen) beobachtbar. Im Krankheitsverlauf steigert sich der Anteil auf etwa 50 %. Betroffen sind vor allem Gelenke, Augen, Haut, Leber (siehe hier).
Schweregrade
Der jeweils aktuelle Schweregrad der Colitis ulcerosa bei Kindern wird durch den Paediatric Ulcerative Colitis Activity Index (PUCAI) erfasst (5)Gastroenterology. 2007; 133:423-32. Seine Dokumentation ermöglicht eine übersichtliche Verlaufsbeurteilung.
Paediatric Ulcerative Colitis Activity Index (PUCAI): |
Punkte |
---|---|
(1) Bauchschmerzen | |
keine | 0 |
aushaltbar | 5 |
nicht aushaltbar | 10 |
(2) Blut im / am Stuhl | |
keins | 0 |
wenig, in <50% der Stühle | 10 |
wenig, in den meisten Stühlen | 20 |
viel (>50% des Stuhlvolumens) | 30 |
(3) Konsistenz der meisten Stühle | |
geformt | 0 |
teilweise geformt | 5 |
völlig ungeformt | 10 |
(4) Zahl der Stühle pro 24 h | |
0–2 | 0 |
3–5 | 5 |
6–8 | 10 |
>8 | 15 |
(5) nächtliche Stühle (Episoden, die zum Aufwachen führen) | |
nein | 0 |
ja | 10 |
(6) eigene Aktivitäten | |
nicht beeinträchtigt | 0 |
gelegentlich beeinträchtigt | 5 |
deutlich beeinträchtigt | 10 |
PUCAI gesamt (0–85) | (SUMME) |
Auswertung:
PUCAI-Score <10 bedeutet Remission; 10–34 mild;
35–64 mäßig aktiv; ≥65 schwer: Notfall.
Therapie
Die Behandlung der Colitis ulcerosa bei Kindern beinhaltet im Wesentlichen die gleichen Medikamente, wie sie bei Erwachsenen mit Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Grundlage sind bei einer milden und mittelschweren Entzündung 5-Aminosalicylsäure-Präparate (5-ASA), Kortikosteroide, Thiopurine (Azathioprin und 6-Mercaptopurin), bei mäßig schweren und schweren Verläufen auch Biologika (siehe hier). Bei schweren Verläufen ist rechtzeitig eine Operation (Kolektomie) zu diskutieren (6)Arch Dis Child. 2016 May; 101(5): 469–474.
5-Aminosalicylsäure-Präparate spielen eine Rolle bei leichten bis mittelschweren Verläufen und zur Aufrechterhaltung einer Remission (siehe hier).
Kortikosteroide: Sie sind auch bei Kindern Mittel der ersten Wahl zur Behandlung mittelschwerer und schwerer Schübe. Die Standardbehandlung einer hochakuten C. u. bei Kindern besteht aus hochdosierten intravenösen Kortikosteroiden, wobei Infliximab am 5. Tag zusätzlich eingeführt wird. Auch Calcineurin-Inhibitoren und andere Biologika können wirksam sein. (7)J Can Assoc Gastroenterol. 2023 Nov 6;7(2):196-203. doi: 10.1093/jcag/gwad042 Berücksichtigt werden muss, dass Kortikosteroide das Wachstum beeinträchtigen. Eine einmal tägliche Dosierung soll dies etwas abschwächen. Auch sind sie nicht zur Dauertherapie geeignet.
Liegt eine Steroidabhängigkeit (Verschlechterung der Entzündung bei Reduktion der Dosis) vor, so muss eine Therapieumstellung (z. B. auf Infliximab) diskutiert werden. Allerdings sollte die Reduktion der Sterioddosis zunächst von einer zusätzlichen aufsteigenden 5-ASA-Medikation begleitet werden (im hochakuten Stadium wird 5-ASA nicht empfohlen (8)Arch Dis Child. 2016 May; 101(5): 469–474).
Thiopurine (Azathioprin und 6-Mercaptopurin) kommen zur Behandlung schwerer Verläufe zusätzlich zu Kortikosteroiden in Betracht und können helfen, sie einzusparen. Ihre Wirkung setzt jedoch erst nach 10-14 Wochen ein. Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen gehören die Neigung zu einer Pankreatitis und einer Unterdrückung der Knochenmarkaktivität (Myelosuppression) mit erheblicher Leukopenie und Abwehrschwäche. Das Risiko einer Knochenmarkschädigung lässt sich durch die Bestimmung der Thiopurin-Methyltransferase und ihres Genotyps abschätzen. Besteht ein genetischer Polymorphismus oder eine sehr geringe Aktivität des Enzyms, so ist eine Therapie mit diesen Medikamenten kontraindiziert (9)Arch Dis Child. 2016 May; 101(5): 469–474.
Unter den Biologika haben bei Erwachsenen mit Colitis ulcerosa Infliximab, Adalimumab und Golimumab einen festen Platz im Therapieregime (siehe hier). Bei Kindern liegt für Infliximab die meiste Erfahrung vor; die anderen Präparate sind bisher nicht genügend getestet. Infliximab kann zur Steigerung des Therapieerfolgs mit Thiopurinen kombiniert werden, allerdings wäre dann ein erhöhtes Risiko eines malignen Lymphoms abzuwägen (10)Arch Dis Child. 2016 May; 101(5): 469–474.
Die Stuhltransplantation stellt eine Möglichkeit dar, die bakterielle Flora des Darms günstig zu beeinflussen, so dass toxische Schädigungen der Darmwand vom Darmlumen her minimiert werden (11)PLoS One. 2016; 11(6): e0157259. Published online 2016 Jun 13. doi: 10.1371/journal.pone.0157259. Erfahrung bei Kindern sind positiv (12)Aliment Pharmacol Ther. 2014 May;39(10):1003-32. doi: 10.1111/apt.12699. Epub 2014 Mar 18 , sind bisher jedoch nur beschränkt (Stand 2016); auch sollten die Nebeneffekte und Kompliationen bedacht werden (13)PLoS One. 2016 Aug 16;11(8):e0161174. doi: 10.1371/journal.pone.0161174. eCollection 2016 . Dazu siehe hier.
Neue Entwicklungen umfassen Antikörper gegen Zelladhäsionsmoleküle (CAM’s), wie Vedozilumab, Antikörper gegen Integrine, wie Etrolizumab, oder Januskinase-Hemmer, wie Tofacitinib. Sie werden bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten getestet. Eine neue Therapiemöglichkeit besteht in dem Januskinase-Inhibitor Tofacitinib. Der Rückgang der Entzündung ist laut einer Beobachtung schnell und beeindruckend. Das Sicherheitsprofil scheint mit anderen verfügbaren Behandlungen vergleichbar zu sein. (14)J Can Assoc Gastroenterol. 2023 Nov 6;7(2):196-203. doi: 10.1093/jcag/gwad042
Probiotika (wie Escherichia coli, Stamm Nissle) können möglicherweise bei leichter Entzündung zur Verbesserung des Verlaufs der Colitis ulcerosa in ähnlicher Weise wie 5-ASA beitragen (siehe hier).
Eine Operation (subtotale oder totale Darmentfernung (Kolektomie), offen oder laparoskopisch) kommt bei schweren Entzündungen dann in Betracht, wenn eine medikamentöse Therapie nicht zu einer Besserung führt. Sie ist bei Entwicklung eines toxischen Megakolons lebensrettend. Der möglicherweise sich plötzlich entwickelnde Zwang zu einer Operation sollte bereits vorab mit Kind und Eltern besprochen werden, damit sie gegebenenfalls nicht von der Entwicklung überrascht werden. Zur Operation gehört i. d. R ein zweiter Darmausgang (Stoma). Sollte eine Rückverlegung und eine Pouchanlage in Betracht kommen, so sind die Vorteile (vor allem kosmetische Gründe) und die möglichen Nachteile (Risiko einer fekalen Inkontinenz, Pouchitis, Einschränkung der Fruchtbarkeit, erektile Dysfunktion) abzuwägen (15)Arch Dis Child. 2016 May; 101(5): 469–474.
Die Ernährung spielt bei Kindern mit Colitis ulcerosa eine besondere Rolle. Wegen der Wachstumsphase sollte auf ausreichende Kalorienzufuhr inklusive insbesondere von Eiweiß, Eisen, Kalzium und Vitamin D geachtet werden.
Therapiekontrolle
Der Behandlungserfolg wird über direkte Erfragung der Symptome und durch den Paediatric Ulcerative Colitis Activity Index (PUCAI, s.o.) kontrolliert und dokumentiert. Unter den technischen Untersuchungen sind die Entzündungsparameter und die Darmsonographie für die Verlaufsbeurteilung besonders wertvoll. Wiederholte Koloskopien zur direkten Überprüfung der Darmschleimhaut sind heute nicht mehr oder nur in Ausnahmefällen erforderlich.
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Verweise
- Colitis ulcerosa
- Therapie der Colitis ulcerosa
- Colitis ulcerosa in Bildern
- Colitis ulcerosa – einfach erklärt
Literatur