Die Behandlung des Morbus Bechterew (der axialen Spondyloarthritis) beinhaltet eine individuell angepasste Physiotherapie und medikamentöse Maßnahmen.
Das Wichtigste verständlich
Die Behandlung des Morbus Bechterew, einer axialen Spondyloarthritis, basiert auf individueller Physiotherapie, medikamentösen Maßnahmen und dem Einsatz von neuen biologischen Therapien. Als erste Therapieoption werden regelmäßige Bewegungsübungen und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) empfohlen. Biologika sind für schwerere Fälle reserviert. Neuere Ansätze zur Behandlung unter Berücksichtigung von JAK-Hemmern und pflanzlichen Heilmitteln wie Emodin zeigen vielversprechende Ergebnisse.
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Physiotherapie
Basis der Therapie sind seit Jahren physiotherapeutische Maßnahmen (Atemgymnastik, Schlafen auf harter Unterlage, Schwimmen etc.). Bewegungstherapie erhöht die Chance auf eine erhöhte Mobilität sowie eine Abnahme der Rückensteifheit, der Rückenschmerzen und der Müdigkeit 1. Übungen zum Herzkreislauftraining verbessern die Fitness 2, Bewegung im Wasser reduziert den Schmerz 3. Wenn physikalische Therapie mit antientzündlicher Behandlung kombiniert wird, sind die Effekte ausgeprägter 4 5. Eine Chochrane-Analyse der Studien ergab jedoch, dass ihre Qualität unzureichend ist: „Wir sind uns nicht sicher, ob Trainingsprogramme die Beweglichkeit der Wirbelsäule verbessern, Müdigkeit reduzieren oder nachteilige Auswirkungen haben.“ 6 Eine neuere Studie zu Pilates-Übungen ergibt: „Langfristiges Pilates-Übungstraining mit Gehen bei Patienten mit NR-AXSPA hatte positive Auswirkungen auf die Krankheitsaktivität, die kardiorespiratorische Fitness und die Funktionsfähigkeit.“ 7
Medikamentöse Behandlung
Empfehlung der EULAR
Nach Empfehlung der European League Against Rheumatism (EULAR) 2017 sind regelmäßige Bewegungsübungen zu empfehlen. NSAIDs bleiben Medikamente der ersten Wahl zur Behandlung der axialen Spondylarthritis (überwiegend Wirbelsäulen- und Becken-betont), vor allem, wenn die Entzündungsmarker (CRP) erhöht sind. In den Empfehlungen wird darauf hingewiesen, dass Kortisonpräparate bei überwiegend axial betonten Bechterew-Schmerzen keine Rolle spielen und reine Schmerzmittel wenig wirksam sind. Biologica (DMARDs) sollten für die Fälle hoher Krankheitsaktivität vorbehalten bleiben, in denen mindestens 2 NSAIDs erfolglos oder unverträglich sind 8 9.
Der Trend geht jedoch in die Richtung einer bereits frühen Behandlung mit Biologica, auch schon für die „nonradiographic axial SpA“ (s. o.). 10 11
- NSAR (erster Schritt bei der Behandlung); zur Therapie von Beschwerden mit NSAR (COX-2-Hemmer) bei erhöhtem Risiko für Komplikationen siehe hier.
- Biologika (Anti-TNF-alpha-Antikörper 13 ) kommen bei unzureichender Wirkung von Basismedikamenten in Betracht: gute Erfolge werden z. B. mit Adalimumab, Etanercept und Infliximab erzielt 14.
- Anti-TNF-alpha-Antikörper wie Adalimumab sind zwar mit einigen Nebenwirkungen behaftet, sie bessern jedoch laut Cochrane-Review die Symptomatik ohne Hinweis auf schwerwiegende Komplikationen 15.
- Golimumab (gegen TNF-alpha gerichteter Antikörper) wirkt laut einer Studie signifikant günstiger als Placebo (ASAS20 nach 16 Wochen ca. 70% vs. 40%) 16.
- Ustekinumab (Antikörper gegen IL-12 und IL-23) ist laut ersten Studien ebenfalls wirksam 17.
- Ixekizumab und Secukinumab sind Interleukin-17-Antikörper. Secukinumab zeigt bezüglich der Symptomatik des Morbus Bechterew Wirksamkeit 17. Auch Ixekizumab ist Placebo bei Patienten überlegen, die zuvor noch nicht mit bDMARDs behandelt waren. 18 Vorsicht ist bei gleichzeitig vorliegender chronisch entzündlicher Darmkrankheit geboten, da sie unter einer Interleukin-17-Hemmung aufflammen kann. 19 Zu berücksichtigen ist, dass IL-17-Inhibitoren mit einem erhöhten Risiko für oropharyngeale, ösophageale und kutane Candidiasis verbunden sind 20.
Früher verwendete, heute ungebräuchliche Medikationen:
- Gold, Salazosulfapyridin (manchmal wirksam nicht nur bei Rückenschmerzen, sondern auch bei Beschwerden an peripheren Gelenken; früher oft zweiter Schritt in der Behandlung, heute aber obsolet),
- Methotrexat und Kortikosteroide (früher meistens der dritte Schritt in der Behandlung), Kortikosteroide sind bei axialer Symptomatik kaum bis nicht wirksam.
- Pamidronat (ein Biphoisphonat) kann gelegentlich Skelettbeschwerden etwas lindern, hat aber keinen Einfluss auf das Entzündungsgeschehen 21.
Die Therapieoptionen unter Berücksichtigung der ASAS-Klassifizierungskriterien werden in einem Review-Artikel zusammengefasst (siehe hier). 22
Behandlung in der Frühphase
Der Morbus Bechterew (axiale Spondyloarthtitis) hat eine Frühphase, die noch nicht im Röntgenbild erkennbar ist, aber bereits Symptome, erhöhte Entzündungsparameter (hoch sensitives CRP) und einen positiven Befund im MRI (MRT-Bild) aufweist (engl.: non-radiographic axial spondyloarthritis).
- Upadacitinib: Eine Studie an 313 Patienten über 14 Wochen zeigt, dass der JAK-Hemmer Upadacitinib die Symptome bedeutend bessert. In 45 % der Fälle (vs. 23 % in der Placebogruppe) führte er zu einem ASAS40-Ansprechen. Die Nebenwirkungsraten waren in beiden Gruppen gleich (48 % vs. 46 %), darunter nur wenige schwere Infektionen (je 1 %). Eine Neutropenie (verminderte Zahl besonderer weißer Blutkörperchen) trat in 3 % auf (vs. 0 %). 23
- Ixekizumab: Ixekizumab ist ein hochaffiner monoklonaler Interleukin-17A (IL-17A)-Antikörper. Es hat sich bereits bei der radiologisch erkennbaren axialen Spondyloarthritis (Morbus Bechterew) als wirksam erwiesen. Es wurde in einer Studie nachgewiesen, dass Ixekizumab hinsichtlich der Verbesserung der Symptome bei nicht radiologischer axialer Spondyloarthritis gegenüber Placebo überlegen war 24.
Weiterbehandlung nach Schubtherapie
Der Morbus Bechterew mit niedrigem Aktivitätsgrad ist im Schub mit Adalimumab häufig gut behandelbar. Eine multinationale Studie (ABILITY-3) an Patienten mit nicht radiographischer axialer Spondylarthritis (s. o.), die noch keine Röntgenveränderungen aufwiesen, klärt die Frage, ob eine Weiterbehandlung im schmerzfreien Intervall sinnvoll ist: Nach erzielter Remission (Abklingen der akuten Entzündungsphase) erlitten unter einer Fortführung der Therapie mit Adalimumab in der Nachbeobachtungszeit bis zu 68 Wochen deutlich weniger einen erneuten Schub als unter Placebo (70 % vs. 47 % schubfrei). 25
Operative Therapie
Bei schwerem Verlauf mit erheblicher Wirbelsäulenverkrümmung kann eine operative Aufrichtung diskutiert werden. Es gibt verschiedene Methoden (opening wedge osteotomy (OWO), closing wedge osteotomy (CWO) und polysegmental wedge osteotomy (PWO)). Die Techniken sind nicht ganz komplikationslos; speziell die OWO kann zu Verletzungen an Nerven und Gefäßen führen 26.
Emodin: neue Aspekte durch ein Phytopharmakon
Zur Behandlung des Morbus Bechterew, der ankylosierenden Spondylarthritis, ist ein pflanzliches Heilmittel ins Blickfeld geraten: Emodin aus Aloe. Es regt in den bei dieser Krankheit übermäßig aktiven Bindegewebszellen (Fibroblasten) den programmiertem Zelltod (Apoptose) an, zugleich aber auch die Aktivität von Zellreparaturmechanismen (Autophagie). Mit einer Hemmung der Zellreparatur (z. B. mit 3-Methyladenin, 3MA) lässt sich die Apoptose weiter steigern und damit die Aktivität der Bindegewebszellen weiter hemmen. Es wird postuliert, dass Emodin zusammen mit 3MA zur Behandlung der Spondylarthritis infrage kommt. 27
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Verweise
- Morbus Bechterew: Ursachen, Beschwerden, Diagnostik
- Rheumatoide Arthritis
- Schmerzen
- Autoimmunkrankheiten
- Körperliche Bewegung
Referenzen
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