Hypokalzämie

Veröffentlicht von

Hypokalzämie bedeutet zu niedrige Kalziumkonzentration im Blut. Sie kann Muskelzuckungen, eine erhöhte Krampfbereitschaft und Herzrhythmusstörungen hervorrufen.

Allgemeines

Ein zu niedriger Kalziumwert im Blut (≤ 8 mg/dl; 2,12 mmol/l) kann zu klinischen Manifestationen führen und fast jedes Organ und jedes System betreffen. Ihre Ausprägung ist individuell variabel und reicht von asymptomatisch bis lebensbedrohlich. Die häufigste Ursache für Hypokalzämie ist weiterhin eine Komplikation einer Schilddrüsenoperation, die postoperative Hypoparathyreose 1.

Von Bedeutung ist das ionisierte Kalzium, das etwa 50 % des Gesamtkalziums im Blut ausmacht. Dieser Anteil wird über das Parathormon der Nebenschilddrüse und das D-Hormon (Vitamin D) fein reguliert. Der an Albumin gebundene und der (z. B. an Bikarbonat, Phosphat und Citrat) komplex gebundene Teil, die etwa 45 % und 5 % ausmachen, spielen für die Wirksamkeit des Kalziums im Stoffwechsel des Körpers keine entscheidende Rolle. Sie wirken sich jedoch auf das gesamte messbare Kalzium aus.

Das Gesamt-Kalzium repräsentiert bei normalen Bluteiweißen in etwa das ionisierte Kalzium, sodass seine Messung in der Routine ausreicht. Bei erniedrigter Albuminkonzentration im Blut (Hypalbuminämie) dagegen sollte das ionisierte Kalzium getrennt gemessen werden.

Definition

Sinkt der Kalziumspiegel im Serum bei normaler Albuminkonzentration unter 2,2 mmol/l (entspricht 8,8 mg/dl), so liegt eine Hypokalzämie vor 2.

Wenn die Albuminkonzentration im Blut außerhalb des Normbereichs liegt, so ist das ionisierte Kalzium ausschlaggebend. Liegt es unter 1.15 mmol/l, so liegt eine funktionell bedeutsame Hypokalzämie vor.

Ursachen und Differenzialdiagnosen

  • Erniedrigter Albuminspiegel: Eine der häufigsten Ursachen einer Hypokalzämie ist eine Erniedrigung des an Albumin gebundenen Kalzium-Anteils durch eine Hypalbuminämie. Sie kann durch folgende Ursachen entstehen:
  • Alkalose: bei Anhebung des Blut-pH-Werts sinken die Kalziumwerte.
  • Iatrogener Hypoparathyreoidismus (Unterfunktion der Nebenschilddrüsen): Dabei entsteht ein erniedrigter Parathormonspiegel als Komplikation einer Schilddrüsenoperation. Diese Ursache war früher eine der häufigsten und ist immer noch zu gewärtigen. Durch besondere Methoden einer technischen intraoperativen Exploration können solche Folgen weitgehend vermieden werden.
  • Akute Pankreatitis, hierbei kann Kalzium mit den durch Selbstverdauung der Bauchspeicheldrüse frei werdenden Fettsäuren als Kalkseifen ausfallen; das Pankreas verkalkt, was in der Sonographie und auf Röntgenbildern erkennbar ist.
  • Nierenversagen mit Phosphatstau im Blut (Hyperphosphatämie), wegen des Löslichkeitsprodukts, das nicht überschritten werden kann, sinkt bei Phosphatanstieg im Blut die Kalziumkonzentration.
  • Massentransfusion von Citrat-haltigen Blutkonserven; Citrat bindet Kalzium.
  • Krebs-assoziierte Hypokalzämie: Diese Tumorkomplikation ist meistens eine Paraneoplasie

Symptome und Folgen

Eine leichte Hypokalzämie bleibt meist lange Zeit symptomlos. Ist sie ausgeprägter, finden sich folgende Symptome und Komplikationen:

  • Erhöhte muskuläre und nervale Erregbarkeit: Eine Hypokalzämie macht sich durch eine erhöhte Bereitschaft zu Zuckungen der Muskulatur, die sich über Muskelkrämpfe bis zur Tetanie steigern können, bemerkbar. Klinisch prüft man folgende Indikatoren:
    • das Chvostek-Zeichen: beklopft man die Backe im ohrnahen Bereich, so zuckt der gleichseitige Mundwinkel bzw. die Gesichtsmuskulatur (Erregbarkeit des Nervus facialis),
    • das Trousseau-Zeichen: durch Abbindung der Blutzufuhr eines Unterarms kommt es zur Pfötchenstellung (Erregbarkeit der Armnerven).
  • Zeichen einer leichten Enzephalopathie bis hin zu psychotischem Verhalten, Depressionen oder einer Demenz,
  • Herzrhythmusstörungen: es kommt im EKG zu einer Verlängerung der ST-Strecke und des QT-Intervalls mit einem erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen. Es kann zu Synkopen kommen,
  • Ausbildung einer Katarakt (Linsentrübung).

Diagnostik

Oft führt eine Routineuntersuchung der Elektrolyte zu eher zufälligen Diagnose einer Hypokalzämie. Es folgen Untersuchungen zur Ursachenklärung:

Diagnostik möglicher Risiken und Folgen

Am wichtigsten ist es, Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Dazu dienen das EKG und das Speicher-EKG.

Therapie

Bei einer akuten nervalen Übererregbarkeit mit z. B. Tetanie werden Kalzium-Infusionen verabreicht, die relativ rasch zur Symptombesserung führen. Wenn der Patient unter einer Therapie mit Digitalis-Präparaten steht, sollte die Infusion besonders vorsichtig und unter EKG-Kontrolle erfolgen.

Bei chronischer Hypokalzämie wird meist eine orale Therapie mit Kalzium und Vitamin D eingeleitet.

Wenn ursächlich ein Hypoparathyreoidismus vorliegt, kann heute das fehlende Hormon durch ein rekombinantes menschliches (RH) PTH (1-84) ersetzt werden. Die Kosten sind jedoch hoch, sodass die Indikation streng zu stellen ist 1.

Ansonsten wird die Grundkrankheit behandelt.


→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.


Verweise

Referenzen

  1. Endocrine. 2020 Sep;69(3):485-495[][]
  2. Endocrine. 2020 Sep;69(3):485-495. doi: 10.1007/s12020-020-02324-2[]