Die Autoimmungastritis ist eine chronische Magenschleimhautentzündung (chronische Gastritis), die durch Selbstangriff des Immunsystems auf die Magenschleimhaut zustande kommt. Sie wird als Typ-A-Gastritis klassifiziert.
Entstehung
Ursache der chronischen Autoimmungastritis (CAG) sind Autoantikörper, d. h. Antikörper, die fälschlicherweise körpereigene Bestandteile angreifen. Ihre Bildung beruht auf einer Fehlregulation des Immunsystems, für die genetische oder epigenetische Voraussetzungen angenommen werden, und für die in einigen Fällen ein auslösendes Ereignis ausgemacht werden kann (siehe hier).
Im Fall der Typ-A-Gastritis lassen sich Anti-Parietalzell-Antikörper nachweisen, also Antikörper gegen diejenigen Zellen, welche im Bereich des Mageneingangs (Fundus und Cardia) die für die Verdauung nötige Salzsäure bilden. Sie sind gegen die Protonenpumpe der Parietalzellen (eine H+/K+-ATPase, die für die Säureproduktion zuständig ist) gerichtet, deren Funktion dadurch gestört wird. 1
Die Histologie der Magenschleimhaut verändert sich durch den Selbstangriff kontinuierlich. Es entwickelt sich ein Schleimhautabbau (Atrophie) mit dem erhöhten Risiko für Nester mit Krebsvorstufen (Metaplasie, Dysplasie) und schließlich für einen Übergang in Krebs (Neoplasma), speziell für eine Adenokarzinom im oberen Magenanteil (Fundus/Cardia) 2.
Folgen des autoimmunen Angriffs auf die Schleimhaut sind folgende:
- eine immunologisch ausgelöste chronische Entzündung des Magenfundus (oberer Schleimhautbezirk im Magen, in dem sich die säureproduzierenden Zellen befinden, siehe hier).
- ein erhöhtes Risiko für Magenkrebs (Adenokarzinom) im oberen Magenanteil (wegen der chronischen Entzündungsprozesse) 3 4.
- ein Säuremangel (Hypo-/Achlorhydrie): Er führt zu einem reaktiven Anstieg des Gastrinspiegels, also des Hormons, welches die Säureproduktion ankurbelt.
- ein erhöhtes Risiko für neuroendokrine Tumore, insbesondere eines Gastrinoms (über eine reaktive G-Zell-Hyperplasie im Antrum) 5 6 7 8 9
- Verdauungsstörungen, bedingt durch eine mangelhafte Aktivierung des Eiweiß-verdauenden Pepsins (wegen des Säuremangels).
- ein Mangel an „Intrinic Faktor“: Durch den Angriff auf die Parietalzellen kommt es auch zu einem Mangel an „Intrinsic Faktor“ (Castle-Faktor), einem Hilfsmolekül, das dem Magensaft beigemischt wird, um die Resorption von Vitamin B12 im unteren Dünndarm zu ermöglichen. Fehlt der Faktor, so kommt es im Laufe der Zeit zu einem Vitamin-B12-Mangel, der eine Blutarmut, die perniziöse Anämie, und neuropsychiatrische Symptome (funikuläre Myelose) zur Folge hat.
Als Autoimmunkrankheit tritt die Typ-A-Gastritis gehäuft mit anderen Austoimmunkrankheiten auf, so mit autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen, einschließlich der Basedow-Hyperthyreose und der Hashimoto-Thyreoiditis 10 und dem Diabetes mellitus Typ 1 11.
Mangelerscheinungen
Die autoimmune Fundusgastritis ist mit einem Mangel an Vitamin B12 und einer daraus resultierenden perniziösen Anämie verbunden. Es werden weitere Mangelerscheinungen beobachtet: ein Eisenmangel, der ebenfalls eine Anämie verursacht, weitere Vitamine und Mikronährstoffe, wie Vitamin C, Vitamin D, Folsäure und Calcium. Sie können jeweils zu dem Symptomenkomplex der Typ-A-Gastritis beitragen. 12 Der Eisenmangel kann zu einer mikrozytären Anämie führen, die der makrozytären Anämie durch den B12-Mangel vorausgehen kann. 13
→ Vitamin-B12-Mangel
→ Eisenmangel
Symptome, Beschwerden, Komplikationen
Anämiesymptome (Perniziöse Anämie): Zu ihnen gehören Konzentrationsstörungen und Leistungsabnahme (siehe hier).
Hunter’sche Glossitis: Typisch für eine perniziöse Anämie ist eine mit ihr häufig assoziierte hochrote und geschwollene Zunge, die Hunter’sche Glossitis. Sie kann brennende Beschwerden hervorrufen.
Dyspepsie als Folge der mangelhafte Pepsinwirkung und ggf. auch wegen einer bakteriellen Besiedlung des Magens: Die Autoimmungastritis verläuft über viele Jahre symptomlos oder mit nur geringen unspezifischen abdominellen Beschwerden (Dyspepsie); sie wird daher meist erst spät entdeckt.
Neurologische und psychiatrische Symptome: Es können sich neurologische und psychiatrische Erkrankungen manifestieren. Zu ihnen gehören eine periphere Polyneuropathie mit Taubheitsgefühlen oder Kribbeln (in 25 % der Fälle), eine Neuropathie des Sehnerven oder Hörnerven, eine Neigung zur Depression oder kognitive Probleme. 14 15
Thromboseneigung: Die Autoimmungastritis ist häufig mit einem Anstieg des Homocysteinspiegels im Blut assoziiert, der wiederum (über eine Schädigung der Endothelzellen der Blutgefäße) zu einer erhöhten Thromboseneigung führt. Mit ihm ist auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko verbunden. 15
Diagnostik

Auf die Spur einer Typ-A-Gastritis gerät man
- zufällig, wenn im Rahmen einer aus anderen Gründen durchgeführten Gastroskopie eine Gewebeprobe aus dem Fundus entnommen wird,
- bei der Suche nach der Ursache einer hyperchromen makrozytären Anämie.
Der Nachweis von Antikörpern gegen Parietalzellen (Antiparietalzellantikörper) und gegen den Intrinsic-Faktor (Anti-Intrinsicfaktor-Antikörper, seltener positiv) ergibt die Diagnose einer Perniziösen Anämie. 16
Der Nachweis einer atrophen Fundusgastritis in einer Gewebeprobe (Biopsie), die während einer Magenspiegelung (Gastroskopie) entnommen wird, sichert zusammen mit dem Nachweis der Autoantikörper, die Diagnose einer Typ-A-Gastritis.
Diagnostik von assoziierten Krankheiten
Mit der Typ-A-Gastritis geht ein erhöhtes Risiko für Magenkrebs und neuroendokrine Tumore einher. Die Diagnostik schließt die Suche nach ihnen und deren Verlaufsüberwachung ein.
Zu den häufiger assoziierten Krankheiten gehören der Typ-1-Diabetes, eine Autoimmunthyreoiditis, eine Vitiligo, aber auch viele andere Autoimmunkrankheiten, wie die PBC, die PSC, die AIH, oder die Myasthenie (siehe hier). 14 Insbesondere autoimmune Schilddrüsenkrankheiten (Morbus Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis) werden in die Diagnostik einbezogen. 17
Zur Diagnostik gehört ebenso eine Statusaufnahme bezüglich einer Hypovitaminose und des Calciumstoffwechsels inkl. des Knochenstatus sowie die Bestimmung der Homocysteinkonzentration im Blut (s. o.).
Da eine Assoziation zu einer perniziösen Anämie und zu neurologischen Störungen mit Nervendegeneration (funikuläre Myelose) besteht, sind diese Folgen in die Diagnostik ebenfalls einzubeziehen.
Wegen der Assoziation zu anderen Autoimmunkrankheiten werden Autoantikörper,
Therapie und Prognose
Die Autoimmungastritis führt zu einer chronischen Schleimhautatrophie, die therapeutisch nicht aufgehalten werden kann.
Wegen der erhöhten Gefährdung bezüglich Magenkrebs sollte in regelmäßige Abständen (bei fortgeschrittener Schleimhautatrophie z. B. jährlich) eine Magenspiegelung erfolgen. Das optimale Überwachungsintervall für Personen mit Autoimmungastritis wird von der Amerikanischen Gastroenterologischen Assoziation (AGA) als ungeklärt bezeichnet. Es sollte in gemeinsamer Entscheidungsfindung mit dem Patienten individuell festgelegt werden. 17
→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes.
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.
Verweise
- Gastritis
- Typ-A-Gastritis
- Der Magen
- Funktion der Magenschleimhaut
- Magenschleimhautentzündung in Bildern
- Autoimmunkrankheiten
- Vitamin-B12-Mangel
- Magenkrebs
Referenzen
- Nat. Rev. Dis. Primers. 2020;6:56. doi: 10.1038/s41572-020-0187-8[↩]
- Oncol Rep. 2001 Mar-Apr;8(2):343-6. doi: 10.3892/or.8.2.343[↩]
- Endoscopy. 2019 Apr;51(4):365-388[↩]
- J Clin Gastroenterol. 2003 May-Jun;36(5 Suppl):S29-36; discussion S61-2. doi: 10.1097/00004836-200305001-00006[↩]
- Aliment Pharmacol Ther. 2014 May;39(10):1071-84[↩]
- Kurume Med J. 2000;47(4):329-31[↩]
- World J Gastroenterol. 2007 Apr 21;13(15):2247-9[↩]
- Digestion. 2022;103(1):45-53. doi: 10.1159/000519337[↩]
- ACG Case Rep J. 2021 Aug 24;8(8):e00649. doi: 10.14309/crj.0000000000000649[↩]
- J Endocrinol Invest. 2016 Jul;39(7):779-84[↩]
- Dtsch Med Wochenschr. 2014 Sep;139(38):1876-82[↩]
- World J Gastroenterol. 2017 Jan 28;23(4):563-572. DOI: 10.3748/wjg.v23.i4.563[↩]
- Acta Biomed. 2018 Dec 17;89(8-S):88-92. DOI: 10.23750/abm.v89i8-S.7921[↩]
- Diagnostics (Basel). 2021 Nov 15;11(11):2113. DOI: 10.3390/diagnostics11112113[↩][↩]
- Acta Biomed. 2018;89:88–92[↩][↩]
- Aliment. Pharmacol. Ther. 2019;50:167–175. doi: 10.1111/apt.15317[↩]
- Gastroenterology. 2021 Oct;161(4):1325-1332.e7. doi: 10.1053/j.gastro.2021.06.078[↩][↩]