Hashimoto-Thyreoiditis

Das Wichtigste

Kurzgefasst
Die Hashimoto-Thyreoditis (Synonyme „chronische lymphozytische Thyreoiditis“ und „chronische autoimmune Thyreoiditis“) ist die häufigste Schilddrüsenerkrankung, die zu einer Unterfunktion (Hypothyreose) führt. Sie kann jedoch mit einer Überfunktion (Hyperthyreose) beginnen. 1 2

Ihre Ursache liegt in der Fehlleitung des Abwehrsystems des Körpers, so dass das eigene Schilddrüsengewebe angegriffen wird (Autoimmunkrankheit). In einigen, aber nicht allen Fällen führt die Entwicklung einer späteren Unterfunktion (Hypothyreose) über eine anfängliche Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose).

Eine besondere Form, die sich durch einen erhöhten Spiegel an IgG4-Immunglobulinen auszeichnet, führt besonders schnell zu einer narbigen Umwandlung des Organs. Es entwickelt sich die eisenharte Struma Riedel. Dazu siehe unter IgG4-assoziierte Erkrankungen.

Die Behandlung konzentriert sich auf die Herstellung normaler Hormonwerte (besonders fT3) im Blut; die Krankheit selbst kann nicht kuriert werden. Sind Knoten in der entzündeten Schilddrüse nachweisbar, so muss differenzialdiagnostisch an ein Schilddrüsenkarzinom gedacht werden. Eine Differenzierung durch Feinnadelpunktion kann schwierig sein, so dass in Zweifelsfällen meist operiert wird.

Die Schilddrüse und ihre Funktion

Definition

Bei der Hashimoto-Thyreoiditis handelt es sich um eine chronische Autoimmunerkrankung der Schilddrüse (SD), die häufig über eine anfängliche mehr oder weniger ausgeprägte Phase einer Überfunktion in eine Unterfunktion führt. Sie gilt als häufigste Ursache einer Hypothyreose.

Entstehung

Immunologisch fehlgeleitete T-Lymphozyten greifen eigenes Schilddrüsengewebe an und führen zu dessen Untergang. Die Schilddrüsenzellen atrophieren oder transformieren zu mitochondrienreichen unruhigen follikulären Zellen (Hürthle Zellen).

Menschliches Parvovirus B19 (PVB19) wird als einer der auslösenden Faktoren betrachtet 3. In einer Arbeit wird festgestellt, dass die Verteilung der Expression viraler Proteine im Schilddrüsengewebe der von Zinkfingerproteinen entspricht und vor allem den geschädigten follikulären Epithelien zuzuordnen ist 4. Das Virus wir mit der Entwicklung des Schilddrüsenkarzinoms, das bei der Hashimoto-Thyreoiditis gehäuft auftritt, in Verbindung gebracht 5.

Untergruppen

Es lassen sich zwei verschiedene Gruppen der Hashimoto-Thyreoiditis unterscheiden,

  • eine häufigere Form, die nicht IgG4-assoziiert ist, 6
  • eine seltenere fibrosierende Form mit erhöhtem IgG4-Spiegel (135 IU/ml und größer), die zu den IgG4-assoziierten Erkrankungen zählt und füher als eisenharte Struma Riedel bezeichnet wurde 7 8 9.

Patienten mit einem IgG4-Spiegel von über 135 IU/ml machten in einer Studie etwa 1/3 aller Hashimoto-Patienten aus. Von ihnen wiesen in einer Studie 27% eine Fibrose auf, die Nicht-IgG4-Hashimoto-Thyreoiditis dagegen nur 9,1%. Die IgG4-Gruppe hatte höhere TNF-alpha-Spiegel, geringere TPO-Spiegel und brauchte mehr L-Thyroxin als die Nicht-IgG4-Gruppe. Hashimoto-Patienten mit erhöhtem IgG4-Spiegel zeigen einen schwereren und rascher progredienten Verlauf als die Nicht-IgG4-Gruppe. 10 (Zu IgG4-assoziierten Krankheiten siehe hier.)

Histologisch unterscheiden sich beide Gruppen. Im Gegensatz zur Nicht-IgG4-Untergruppe weist die IgG4-Tyreoiditis eine schwere lypmphoplasmazelluläre Infiltration, eine dichte interfollikuläre Stromafibrose, betonte follikuläre Zelldegeneration, zahlreiche Mikrofollikel und eine bemerkenswerte Infiltration von Riesenzellen und Histiozyten auf. Für einzelne der Charakteristika werden Überlappungen beobachtet. 11

Häufigkeit

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist relativ selten; die Prävalenz wird auf 2 pro 100000 geschätzt. Das Verhältnis von Frauen zu Männern liegt bei 5:1 12.

Symptomatik

Typischerweise treten erste Symptome einer Hashimoto-Thyreoiditis meist erst im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter von 45 – 55 Jahren auf.

Anfänglich können Zeichen der Hyperthyreose dominieren. Dazu gehören Zittrigkeit, Herzklopfen (Tachykardie), dünne und häufige Stühle (Neigung zur Diarrhö), innere Unruhe und Reizbarkeit, Gewichtsabnahme bei gutem Appetit, Schweißneigung. Diese Phase ist inkonstant, sie existiert in einigen Fällen nicht oder wird von den Patienten nicht immer wahrgenommen.

Im weiteren Verlauf verschwinden die Symptome (Zwischenphase einer Euthyreose).

Später entstehen Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) wie teigige, trocken-rissige Haut, Verlangsamung, Interesselosigkeit, langsamer Herzschlag (Bradykardie) und Neigung zu Verstopfung (Obstipation).

Hashimoto-Enzephalopathie

Eine Funktionsstörung des Gehirns tritt bei der Hashimoto-Thyreoiditis als seltene Komplikation auf. Es handelt sich um eine nicht-vaskulitische autoimmune Enzephalopathie bzw. Meningoenzephalitis 12. Die Symptomatik ist je nach vorwiegend betroffenen Hirnregionen sehr unterschiedlich und reicht von Bewusstseinsveränderungen, kognitiven Fehlfunktionen bis hin zu epilepsieartigen und schlaganfallähnlichen Symptomen. 13  14  15

Diagnostik

Leichte diffuse Schilddrüsenvergrößerung

Ausgangspunkte für eine Diagnostik können eine klinische Symptomatik (z. B. Zeichen einer Hyperthyreose oder einer Hypothyreose), eine Struma oder erhöhte oder erniedrigte Schilddrüsenhormone (die aus anderen Gründen bestimmt wurden) sein.

Im Anfangsstadium liegt meist vorübergehend eine Hyperthyreose vor, die im Lauf von Monaten und Jahren zu einer Hypothyreose wird. Gelegentlich erkennt man daher anfänglich eine leichte diffuse Schilddrüsenvergrößerung. Auch können innere Unruhe, Flatterichkeit und schneller Herzschlag (Tachykardie) vorübergehend bemerkbar sein.

Labordiagnostik

Diagnoseweisend für die Hashimoto-Thyreoiditis sind erhöhte Schilddrüsenantikörper:

  • TPO-AK (Antikörper gegen Thyreoperoxidase) und
  • TG-AK (Antikörper gegen Thyreoglobulin).

Das TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon der Hypophyse) ist nicht diagnoseweisend, kann aber Auskunft über die Aktivitätsphase der Schilddrüse geben. Bei erniedrigtem TSH ist eine Überfunktion, bei erhöhtem TSH eine Unterfunktion wahrscheinlich. Die peripheren SD-Hormone fT3 und fT4 untermauern dies; sie sind bei einer Überfunktion erhöht, bei einer Unterfunktion erniedrigt.

Schilddrüsenwerte

Stumme Anfangsphase

Da die Anfangsphase einer Hashimoto-Thyreoiditis oft klinisch stumm verläuft, findet eine Labordiagnostik erst relativ spät bei Eintreten von Symptomen (s. o.) statt. Allerdings werden die Schilddrüsenwerte (SD-Werte) vielfach aus anderen Gründen geprüft (z. B. bei Herzrhythmusstörungen, vor Röntgenaufnahmen mit Kontrastmitteln), so dass Veränderungen in der SD-Funktion oft zufällig entdeckt werden. Die genauere Diagnostik führt dann zur Diagnose.

Vorübergehende Hyperthyreose

Die in einigen Fällen auftretende anfängliche latente Hyperthyreose mit normalen peripheren Schilddrüsenhormonen (fT3 und fT4), aber schon unterdrücktem TSH, kann sich zu einer passageren manifesten Hyperthyreose weiterentwickeln. Der Verlauf kann aber auch gleich zu einer Hypothyreose (Unterfunktion: TSH erhöht, fT3 und fT4 stark erniedrigt) führen, dem funktionellen Endzustand der Hashimoto-Thyreoiditis.

Latente Hypothyreose

Eine latente Hypothyreose ist ein regelmäßig durchlaufendes Zwischenstadium, das nicht immer diagnostisch erfasst werden kann. Es ist charakterisiert durch ein erhöhtes TSH bei noch normalen fT3-Werten.

Laborkontrollen in der Anfangsphase

Die Schilddrüsenwerte sind wegen der Veränderungen der SD-Funktion bis zur Ausbildung einer manifesten Hypothyreose häufiger zu kontrollieren, um die Therapie (s. u.) anpassen zu können.

Die Bestimmung des Immunglobulin-G4-Spiegels (IgG4) im Blut lässt die beiden Subtypen (s. o.) differenzieren. Ein erhöhter Spiegel weist auf eine erhöhte Entzündungs- und Fibrosierungsaktivität und einen rascheren Verlauf zu einer manifesten Hypothyreose und einem narbig veränderten Organ hin.

Schilddrüsensonographie

Eine Schilddrüsensonographie kann in der hyperthyreoten Phase eine Organvergrößerung (bei Männern über 25 ml, bei Frauen über 18 ml) und Zeichen vermehrten Flüssigkeitsgehalts zeigen (reduzierte Echogenität, relativ echoarme inhomogene Binnenstruktur mit vermehrter Durchblutung im Duplex). Später ist die Schilddrüse eher kleiner und wird als Zeichen der zunehmenden Vernarbung schließlich strukturdichter. Die Schilddrüsensonographie dient auch zum Ausschluss oder Nachweis von Knoten. Wenn Knoten vorliegen, folgt eine Schilddrüsenszintigraphie, um festzustellen, ob der Knoten heiß (stark erhöhte SD-Hormon-Produktion), warm oder kalt (fehlende SD-Hormon-Produktion) ist.

Verlässlichkeit der Nadelaspiration

In einer Arbeit wird nachgewiesen, dass die Feinnadelaspiration von Schilddrüsengewebe bei Hashimoto-Thyreoiditis in bemerkenswertem Ausmaß zu unsicheren Ergebnissen führt 16: die histologischen / zytologischen Befunde wurden eingeordnet als gutartig in 14 von 44 (31.8 %), malignitätsverdächtig in 17 (38.6 %), maligne in 9 (20.5 %) und unzureichend in 4 (9.1 %).

Diagnostik einer IgG4-assoziierten Hashimoto-Thyreoiditis

Ein erhöhter IgG4-Spiegel im Blut ist ein Hinweis auf eine IgG4-assoziierte Thyreoiditis, jedoch wird in einigen Fällen ein normaler IgG4-Spiegel gefunden. Aussagekräftiger ist der Nachweis von IgG4-positiven Plasmazellen im Schilddrüsengewebe (Histologie erforderlich) und ein Anteil von IgG4 am Gesamt-IgG im Blut von mindestens 40% 17.

Im Fall einer IgG4-assoziierten Hashimoto-Thyreoiditis sollte nach anderen IgG4-assoziierten Erkrankungen gesucht werden, die gehäuft zusammen auftreten können (wie z. B. eine retroperitoneale Fibrose oder ein Mikulicz-Syndrom 18).

Diagnostik eine Hashimoto-Enzephalopathie

Sie ist schwierig. Das neurologische Bild ist bunt (s. o.). In bildgebenden Verfahren (z. B. MRT des Gehirns) können Läsionen erkannt werden, die gelegentlich von malignen Läsionen kaum sicher abzugrenzen sind. Liegt gleichzeitig eine Hashimoto-Thyreoiditis vor, so kann in diesen Fällen eine Behandlung mit Glukokortikoiden zu einer Symptombesserung und zugleich einer Verkleinerung des Herdbefundes führen – was die Diagnose klären hilft 12. In einer kritischen Übersichtsarbeit wird vorgeschlagen, jede ungeklärte akute oder subakute ungeklärte Enzephalopathie selbst bei normaler Schilddrüsenfunktion als Hashimoto-Enzephalopathie zu verdächtigen und die Schilddrüsenparameter zu bestimmen. 19

Therapie

Eine kurative Behandlung ist nicht bekannt; die Behandlung ist daher symptomatisch 20.

Symptomatische Therapie

Die Behandlung berücksichtigt das Stadium der Erkrankung und die Symptomatik.

  • Bei einer gelegentlichen anfänglichen Schilddrüsenfunktion wird die Hormonbildung unterdrückt (z. B. mit Thiamazol);
  • bei einer Unterfunktion wird der Hormonspiegel im Blut mit L-Thyroxin angehoben.

Die Therapie muss je nach Entwicklung der Schilddrüsenfunktion adaptiert werden.

IgG4-assoziierte Thyreoiditis: Die IgG4-assoziierte Form der Hashimoto-Thyreoiditis spricht meist gut auf Glukokortikoide an 9.

Hashimoto-Enzephalopathie: in Fällen einer Funktionsstörung des Gehirns (Enzephalopathie), die durch eine Unterfunktion der Schilddrüse im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis auftritt, vermag eine Behandlung mit Glukokortikoiden zu einer deutlichen Besserung führen 12. Bei unzureichendem Therapieerfolg sind intravenöse Immunglobuline eine Behandlungsoption. 21 Auch Rituximab wird als Option vorgeschlagen. 22

Operation

Wenn die Schilddrüse groß wird (Struma) und zur Kompression von Nachbarstrukturen führt, oder wenn Knoten im Schilddrüsengewebe vorliegen, die maligne sind oder bei denen Malignität nicht ausgeschlossen werden kann, so wird eine Operation (Thyreoidektomie) zu empfehlen sein.


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Verweise

Referenzen

  1. Autoimmun Rev. 2014 Apr-May;13(4-5):391-7[]
  2. Autoimmun Rev. 2020 Oct;19(10):102649. doi: 10.1016/j.autrev.2020.102649[]
  3. J Infect. 2010 May;60(5):360-70[]
  4. Hum Pathol. 2015 Dec;46(12):1913-21[]
  5. Thyroid. 2011 Apr;21(4):411-7[]
  6. Pathol Int. 2009 Sep; 59(9):636-41[]
  7. Thyroid. 2012 Sep;22(9):964-8[]
  8. J Clin Pathol. 2012 Aug;65(8):725-8[]
  9. Endocrinol Diabetes Metab Case Rep. 2016;2016:160004. doi: 10.1530/EDM-16-0004. Epub 2016 Feb 19.[][]
  10. Int J Endocrinol. 2015;2015:706843. doi: 10.1155/2015/706843[]
  11. Mod Pathol. 2012 Aug;25(8):1086-97[]
  12. Int J Clin Exp Med. 2015 Sep 15;8(9):16817-26[][][][]
  13. J Epilepsy Res. 2013 Dec 30;3(2):70-3[]
  14. Acta Biomed. 2020 Sep 7;91(3):e2020087. DOI: 10.23750/abm.v91i3.10157[]
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