Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Eine alkoholtoxische Leberschädigung (engl.: alcoholic liver disease, ALD) ist ein relativ häufiger Befund bei Menschen, die alkoholabhängig sind. Alkohol als Ursache einer Leberschädigung ist dann in Erwägung zu ziehen, wenn Alkoholkonsum nicht verneint und eine deutlich erhöhte Gamma-GT gefunden wird. Eine chronische Alkoholschädigung der Leber bedeutet ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Narbenleber (Leberzirrhose) und für Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom).
→ Leberzirrhose – einfach erklärt
→ Leberkrebs – HCC
Typen
Es lassen sich verschiedene Typen einer alkoholischen Leberschädigung unterscheiden, die meist jedoch gemischt vorkommen:
- Toxische Hepatose: Erhöhte gamma-GT und Transaminasen als Hinweis auf eine alkoholtoxische Leberzellschädigung.
- Alkoholtoxische Fettleber: Zuerst als Fettleber erkennbar im Punktat, später auch in der Sonographie; die alkoholische Genese kann nach entsprechender Anamnese, gamma-GT und MCV gemutmaßt werden. Oft verbunden mit einer Entzündung und fibrotischen Umbauvorgängen in Sinne einer alkoholischen Steatohepatitis (ASH).
- Zieve-Syndrom: Schwere Form einer alkoholisch bedingten Hepatitis mit Hypertriglyzeridämie, Hämolyse und meistens Ikterus (siehe hier).
- Alkoholisch bedingte chronische Hepatitis: Meist zusammen mit einer Leberverfettung (alkoholische Steatohepatitis, ASH). Wahrscheinlich in einigen Fällen immunologischer Mechanismus; typisch sind erhöhte gamma-Globuline. Ob eine Entzündung im Sinne einer ASH vorliegt, zeigt die Histologie.
- Alkoholtoxische Leberzirrhose: Eine Fibrosierung als Vorstufe der Zirrhose ist im Punktat, später auch in der Sonographie der Leber erkennbar. Eine ausgeprägte Leberzirrhose ist sonographisch i. d. R. sicher diagnostizierbar (siehe hier).
Entstehung
Alkohol in größeren Mengen schädigt die Leber individuell unterschiedlich. Bei einer herabgesetzten Entgiftungsleistung (siehe unter Cytochrom P450) wirkt er schon in geringen Mengen toxisch. Ein länger dauernder erhöhter Alkoholgenuss kann unbemerkt in einer alkoholtoxischen Fettleberhepatitis und schließlich in einer Leberzirrhose münden.
Genetische Prädispositionen verschiedener Art erhöhen die Bereitschaft für einen alkoholtoxischen Leberschaden. Zu ihnen gehören Gene, die für den Alkoholstoffwechsel codieren, einschließlich Alkoholdehydrogenase, Acetaldehyddehydrogenase und Cytochrom P450 2E1. Auch Gene, welche die angeborene Immunantwort regulieren (z. B. IL-1, TNF) und das PNPLA3-Gen spielen eine Rolle. (1)Alcohol Alcohol. 2019 Jul 1;54(4):408-416. DOI: 10.1093/alcalc/agz036. PMID: 31219169
Alkohol stellt einen zellulären oxidativen Stress dar, der Leberzellen schädigt und zugrunde gehen lässt, und unter dem es zur Aktivierung von Kupffer-Zellen und anderer Immunzellen sowie proentzündlicher Mediatorstoffe kommt (dazu siehe hier). Aktivierte Entzündungszellen bewirken eine Aktivierung von Zellen, die Kollagen produzieren und zu einer Vernarbung der Leber führen.
Die Wirkung von Alkohol auf das Mikrobiom des Magendarmtrakts führt zu Veränderungen, die (über Lipopolysaccharide) wesentliche Auswirkungen auf die Leber haben. Eine antibiotische Dekontamination pathogener Darmbakterien verbessert ganz entsprechend die Leberreaktion deutlich. (2)Nat Rev Gastroenterol Hepatol 12:231–42
Diagnostik
Diagnoseweisend sind meist erhöhte Leberwerte, insbesondere der Gamma-GT, und eine Alkoholanamnese, wobei die Menge an konsumiertem Alkohol und auch die Dauer des Konsums eine Rolle spielen. Die ASAT ist meistens höher als die ALAT. Im Blutbild finden sich häufig eine Anämie in unterschiedlicher Ausprägung mit einer Makrozytose, oft dazu eine Leukopenie, Lymphozytopenie und Thrombozytopenie.
Bildgebende Verfahren können Hinweise darauf geben, ob sich
- eine Leberverfettung,
- eine Leberfibrose oder bereits
- eine Leberzirrhose
gebildet hat. Eine Messung der Steifigkeit des Organs durch einen Fibroscan oder eine MR-Fibroelastographie kann den Vernarbungsgrad einschätzen lassen und wird zur Verlaufskontrolle eingesetzt.
Eine Leberbiopsie wird im Zweifel zur Absicherung der Diagnose, der Ausprägung der Entzündung und des Stadiums benötigt. Im histologischen Bild dominieren Leberzellnekrosen, Schaumzellen, Mallory-Körperchen, entzündliche Reaktionen und Cholestasezeichen.
Differenzialdiagnosen
Bei erhöhten Leberwerten, die bei Alkohol in Richtung Alkoholschaden der Leber interpretiert werden, sollten immer auch andere Ursachen, wie
- ein Medikamentenschaden der Leber oder
- eine infektiöse oder sonstige Hepatitis,
bedacht werden.
Komplikationen
Eine akute schwere Fettleberhepatitis hat eine relativ hohe Mortalität von 30 bis 50 % innerhalb von 3 Monaten, wobei eine Nierenfunktionsstörung und Infektionen oft komplizierend hinzukommen.
Eine schleichend verlaufende alkoholtoxische Hepatitis führt oft unerkannt zu einer Leberzirrhose. Manche als idiopathisch angesehene Leberzirrhose ist – bei Verschweigen der Alkoholanamnese – vermutlich alkoholtoxisch bedingt. In solch einem Verlauf kann sich ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln. (3)Alcohol Alcohol. 2019 Jul 1;54(4):408-416. DOI: 10.1093/alcalc/agz036. PMID: 31219169
Behandlung
Eine Alkoholabstinenz bei Alkoholabhängigkeit ist anzustreben, aber schwer zu erreichen. Die Einbindung in überwachte Entzugsprogramme ist eine Möglichkeit einer langfristigen Entwöhnung, wobei ein Relaps jederzeit stattfinden kann. Eine medikamentöse Unterstützung bei Alkoholsucht kann überbrückend helfen, von Alkohol freizukommen, ist aber nicht auf Dauer wirksam. Verwendet werden beispielsweise Acomprosate und Naltrexon. (4)Int J Psychiatry Med 42:227–66. Baclofen scheint eine gewisse Wirksamkeit bei einer schweren Leberschädigung zu haben, wie eine retrospektive Studie nahelegt. (5)Alcohol Alcohol 49:453–6. Bei massiver Entzündung der Leber können auch Kortisonpräparate und eine Anti-TNF-alpha-Therapie indiziert sein. (6)Alcohol Alcohol. 2019 Jul 1;54(4):408-416. DOI: 10.1093/alcalc/agz036
→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.
Verweise
- Alkoholtoxische Steatohepatitis
- Leberwerte
- Symptome bei Leberkrankheiten
- Toxischer Leberschaden
- Die Leber
- Alkoholgenuss
Literatur