Leberpunktion

Die Leberpunktion (Leberbiopsie) ist ein invasives Verfahren zur Gewinnung einer Lebergewebsprobe (Leberbiopsie). Mittels einer Punktionsnadel wird Gewebe für mikroskopische (histologische, immunhistologische, zytologische), elektronenmikroskopische, biochemische und genetische Untersuchungen gewonnen. (1)Semin Liver Dis. 2006 Nov;26(4):318-27..

Die Leberbiopsie dient

  • der histologischen Klärung einer unklaren Leberkrankheit (inkl. Immunhistologie, PCR im histologischen Schnitt etc.),
  • der Bestimmung der Aktivität und der Stadieneinteilung einer progredienten Leberkrankheit,
  • der Diagnostik von Leberherden (benigne – maligne).

Indikationen

Als Indikationen für eine Leberpunktion kommen in Frage:

Spezielle Aspekte einer histologischen Klärung von Leberkrankheiten und damit der Indikation einer Punktion:

  • Cholestatische Lebererkrankungen: bei den intrahepatischen cholestatischen Lebererkrankungen können die Ursache, das Stadium und die Aktivität festgestellt werden. Beispielsweise können eine PBC und PSC durch eine Autoimmunhepatitis überlagert (Overlap-Syndrome), was besondere therapeutische Implikationen mit sich bringt. Ein cholestatischer Medikamentenschaden kann histologisch gut von einer autoimmunen Erkrankung der Leber abgegrenzt werden. Eine Leberpunktion bei obstruktiver Cholestase dagegen ist mit einem erhöhten Komplikationsrisiko verbunden. Sie kann zu einem Galleleck (Austritt von Galle durch das Punktionsloch in die Leibeshöhle) und einer schmerzhaften lokalen oder generalisierten Peritonitis führen, so dass diese Indikation zurückhaltend gestellt wird.
  • Fettleberhepatitis: Jede Fettleber trägt das Risiko einer Entzündung (Hepatitis) in sich. Speziell bei einer fehlenden Transaminasenerhöhung kann eine leichte Fettleberhepatitis sowie die dabei eintretende Fibrosierung ohne Biopsie leicht übersehen werden. Durch eine histologische Untersuchung jedoch lässt sie sich meist gut erkennen.
  • Leberzirrhose: Die Leberbiopsie ist nicht geeignet, eine in Frage stehende Leberzirrhose zweifelsfrei zu klären. Dazu ist die Sensitivität zu gering: Die Prävalenz einer Leberzirrhose bei Hepatitis C beispielsweise wird durch eine alleinige Leberbiopsie erheblich unterdiagnostiziert (2)Am J Gastroenterol. 2015 Jul 28. doi: 10.1038/ajg.2015.203. Allerdings kann eine Leberpunktion bei unklarer Ursache der Leberzirrhose eine Klärung der ihr zugrunde liegenden Krankheit herbeiführen.
  • Leberherde: Leberherde lassen sich durch bildgebende Verfahren (Sonographie der Leber, CT der Leber, MRT) meist gut erkennen. I.d.R. sind sie auch durch Punktion gut erreichbar. Die Histologie ermöglicht eine genaue Diagnose mit Differenzierung in maligne und benigne Herde. Werden sehr kleine Leberherde vermutet, die durch bildgebende Verfahren nicht darstellbar sind, so lassen sie sich gelegentlich durch Bauchspiegelung (Laparoskopie) finden und biopsieren.

Methoden

Leberblindpunktion: Sie wurde 1883 erstmals als Aspirationspunktion von Paul Ehrlich verwendet um Lebergewebe zu erhalten. Sie dient der Klärung von Lebererkrankungen mit gleichmäßiger Verteilung im Lebergewebe. Relative Kontraindikationen sind die Leberzirrhose und die eitrige Cholangitis. Die Leberblindpunktion ist durch die gezielte sonographiegestützte Punktion abgelöst worden.

Gezielte Leberpunktion

Leberpunktat von über 3 cm Länge, in zwei Teile fragmentiert. Indikation für die Leberpunktion war ein sonographisch erkennbarer, maligne wirkender Herd. Die normale Farbe ist rötlich-braun. In der Tiefe ist ein entfärbter Bezirk erreicht worden. Er weist bereits makroskopisch Kriterien von Bösartigkeit auf.

Die gezielte Leberpunktion wird mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens durchgeführt. Sie minimiert die Risiken einer ungezielten Punktion, wie die Verletzung benachbarter Organe und Strukturen. Durch sie können zudem auffällige fokale Bezirke in der Leber “gezielt” erreicht werden. In der Praxis wird die Gewebeentnahme Sonographie– oder CT-gestützt durchgeführt.

Kontraindikationen sind Blutungsneigung (s. u.), Abszess (relative Kontraindikation), eitrige Cholangitis, Leberhämangiom, Leberzyste, Echinokokkuszyste. Die Leberzirrhose stellt eine relative Kontraindikation dar, da der Punktionskanal starr ist und es nach einer Punktion verlängert bluten kann.

Die Mortalität liegt laut Literatur um 0,1 – 0,01 %, was als vertretbar gilt (3)Semin Liver Dis. 2006 Nov;26(4):318-27..

Biopsie unter laparoskopischer Sicht

Die Laparoskopie (Bauchspiegelung) bietet die Möglichkeit einer gezielten Biopsie auch kleinster Herde unter Sicht (mit Hilfe einer Punktionsnadel oder der Robbers-Zange) und die Möglichkeit einer Kompression der Punktionstelle mit der Tastsonde zur Blutstillung. Methode zur Klärung von kleinherdigen Lebererkrankungen (entzündlicher oder tumoröser Genese), einer Leberzirrhose (aufgrund sampling error und erhöhter Blutungsgefahr besser keine transkutane Biopsie), Splenomegalie, Erkrankungen des Peritoneums, Tumorerkrankungen (Tumorsuche und -staging). Auch kann eine Leberpunktion bei erhöhter Blutungsneigung (Koagulopathie) und bei Aszites unter laparoskopischer Sicht sicherer sein als eine herkömmliche sonographiegestützte Punktion. Eine verlängerte Blutung aus dem Punktionsloch der Leber kann bis zum Stillstand beobachtet werden.

Bei Leberpunktionen im Rahmen einer Minilaparoskopie bei erheblicher Blutgerinnungsstörung wurde in einer Serie von 58 Patienten keine anhaltende Blutung beobachtet. In einem Fall eines fulminanten Leberversagens kam es lediglich zu einer selbstlimitierten Blutung im Punktionsloch der Bauchdecke (4)Am J Gastroenterol. 2003 Apr;98(4):893-900. Bei über 1000 Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko wurde in einer Studie kein Todesfall berichtet. Eine zu lange oder zu intensive Blutung kam in 33 % der Fäll vor und wurde mit einer Argon-Plasma-Koagulation gestillt. Die Methode wurde bei Risikopatienten mit fortgeschrittener Leberkrankheit als effektiv und sicher bewertet (5)World J Gastrointest Endosc. 2011 Jan 16;3(1):6-10. doi: 10.4253/wjge.v3.i1.6..

Transjuguläre Biopsie

Bei stark erhöhter Blutungsneigung oder erheblichem Aszites kann eine Gewebeprobe aus der Leber oft akzeptabel sicher durch einen venösen Zugang (z. B. transjuguläre Leberbiopsie) entnommen werden. Die Gewebeproben sind, obwohl kleiner, dennoch in der Regel gut auswertbar (6)Gastroenterol Res Pract. 2009:947014. doi: 10.1155/2009/947014.. In einer kleinen Studie wird von einer erfolgreichen Punktion in 83% berichtet. In 37% traten keine Komplikationen auf. In 1/3 der Fälle kam es zu Schmerzen im rechten oberen Bauchbereich, in 4,2 % zu einem Kontrastmittelleck unter die Leberkapsel. Die Methode wurde als relativ sicher und effektiv beurteilt (7)Electron Physician. 2016 Dec 25;8(12):3456-3461. doi: 10.19082/3456.

Voraussetzungen und Kontraindikationen

Vor der Leberpunktion sind die Gerinnungswerte (Quick-Wert, PTT) und ggf. auch die Blutungszeit zu prüfen. Eine Blutungsneigung sollte weitestgehend ausgeschlossen sein; ein erhöhtes Risiko ist je nach Dringlichkeit der Biopsie jedoch tragbar bis zu einem Quickwert von 50 %, Thrombozyten bis 60.000/µl, Blutungszeit bis 10 Minuten; im Grenzbereich ist jedoch nach vielfacher Meinung eine (mini)laparoskopische Biopsie zu bevorzugen, die gelegentlich selbst bei einem fulminanten Leberversagen eingesetzt wird (s. o.).

Cave: Weitgehender Ausschluss einer eitrigen Cholangitis; bei der Punktion Vermeidung der Nähe  einer Echinokokkuszyste und eines oberflächennahen Hämangioms.

Komplikationen

Folgende Komplikationen können auftreten, sind aber selten:

  • Schulterschmerz rechts (durch Zwerchfellreizung, meist vorübergehend und harmlos),
  • Hämatothorax (Blutung in der Spaltraum zwischen Lunge und Brustwand),
  • Pneumothorax  (Luftaustritt in der Spaltraum zwischen Lunge und Brustwand bei transkutaner Leberpunktion durch den Sinus phrenicocostalis hindurch),
  • Blutung mit
    • Hämatoperitoneum (Blut im Bauchraum) und
    • Blutungsschock, besonders bei Punktion in einer derben Leber mit Zirrhose oder Amyloidose (das Punktionsloch bleibt offen, daher schlechte Blutstillung durch Starrheit des Organs) oder nach Punktion in einen oberflächennahen gefäßreichen Tumor (Hämangiom),
  • biliäre Peritonitis (Bauchhöhlenentzündung durch Galleaustritt aus der Leber),
  • Hämobilie (Galleeintritt in die Blutbahn),
  • Verletzung eines benachbarten Hohlorgans (Gallenblase, Darm) mit der Folge einer Peritonitis (Bauchhöhlenentzündung),
  • Verletzung der Niere (Gefahr einer großen Blutung).

Aufklärung: Vor einer geplanten Leberpunktion ist der betreffende Patient entsprechend aufzuklären. Siehe auch unter Aufklärungsfehler und Patienteneinwilligung.

Mortalität: Bei einer Sonographie-gestützten Leberpunktion liegt die Mortalität bei 0,1 – 0,01 % (8)Semin Liver Dis. 2006 Nov;26(4):318-27.

Verweise

Literatur[+]