Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste verständlich
Kurzgefasst |
Endokarditis bedeutet Entzündung der Herzinnenhaut (Endokard) in der Regel mit Lokalisation an den Herzklappen. Die häufigste Ursache ist eine Infektion. Wegen der oft raschen Klappendestruktion ist die Erkrankung lebensbedrohlich. Die Behandlung kann außerordentlich langwierig sein und bedarf häufiger Kontrollen. Letztlich kann ein operativer Klappenersaztz erforderlich werden. (1)Clin Med (Lond). 2020 Jan;20(1):31-35. DOI: 10.7861/clinmed.cme.20.1.1
Erreger: Hauptauslöser sind das Bakterium Staphylococcus aureus, Streptokokken der Viridansgruppe, seltener Enterokokken. Annähernd 1/3 der Fälle ist auf medizinische Eingriffe zurückzuführen (venöse Katheter, Schrittmacherkabel) Mortalität: Die Wahrscheinlichkeit daran zu sterben beträgt immer noch um 30% innerhalb von 30 Tagen. Erkennung: Auffällig werden die Patienten durch Fieber, Nachtschweiß, Müdigkeit sowie Appetitlosigkeit. Oft finden sich klinisch sichtbare Mikroembolien. Diagnostik: Blutkulturen werden angelegt; sie sind positiv und beweisend. Bildgebende Verfahren (vor allem die der Herzultraschall durch die Speiseröhre, transösophageale Echokardiographie) zeigt das Ausmaß der Veränderungen an den Herzklappen. Die Diagnostik erstreckt sich auf die Herkunft der Bakterieämie; häufig sind Dialysepatienten mit Shuntinfektionen betroffen. Behandlung: Die Behandlung basiert auf einer intensiven und lang dauernden Antibiose. → Das Herz |
Einteilung
- Infektiöse Endokarditis: durch Krankheitserreger (Bakterien, meist Streptokokken oder Staphylokokken, auch Enterokokken, Pneumokokken, Haemophilus) hervorgerufen:
- subakute bakterielle Endokarditis,
- akute bakterielle Endokarditis,
- Endokarditis bei Klappenprothesen.
- Nicht-infektiöse Endokarditis:
- traumatisch (z. B. nach Rechtsherzkatheteruntersuchung),
- im Rahmen eines „Lupus erythematodes, eines rheumatischen Fiebers oder anderer „rheumatischer“ Erkrankungen wie der progressiven Systemsklerose.
Entstehung der bakteriellen Endokarditis
Als Voraussetzung für eine bakterielle Endokarditis ist eine Bakteriämie unabdingbar und eine Klappenerkrankung begünstigend. Streptokokken (Streptokokkus viridans) und Staphylokokken (Staphylokokkus aureus) besiedeln Klappenvegetationen besonders leicht, andere Bakterienarten weniger. Besiedelte Klappen werden durch die körpereigene Abwehr (Leukozyten) schlecht erreicht.
Prädispositionen
Für eine Klappenbesiedlung prädisponieren Risikofaktoren, wie
- angeborene Klappenvitien (so auch eine bikuspidale Aortenklappe),
- rheumatische Herzklappenerkrankung und sonstige nicht-bakterielle Endokarditiden, *hypertrophe Kardiomyopathie,
- Mitralklappenprolaps.
Herkunft einer Bakteriämie
Durch eine massive Bakteriämie kann jedoch auch eine gesunde Klappe besiedelt werden. Ursachen für eine Bakteriämie mit deutlich erhöhtem Endokarditisrisiko sind beispielsweise:
- bakterielle Spondylodiscitis (eitrige Entzündung der Bandscheiben),
- Abszesse überall im Körper, so auch Zahnwurzelabszesse,
- bakterielle Pyelonephritis (Nierenbecken- und Nierenentzündung),
- infizierte zentrale Venenkatheter z. B. im Rahmen einer chronischen Hämodialyse, (daher sollten zentrale Venenkatheter bei der Entwicklung von Fieber gewechselt und die Katheterspitze zur bakteriologischen Untersuchung eingeschickt werden), (2)SAGE Open Med. 2017 Nov 13;5:2050312117741772. doi: 10.1177/2050312117741772
- Kabel eines Schrittmachers oder Defibrillators. (3)Clin Med (Lond). 2020 Jan;20(1):31-35. doi: 10.7861/clinmed.cme.20.1.1
Folgen
Auswirkungen einer Endokarditis sind:
- eine mehr oder weniger rasche Zerstörung der befallenen Herzklappe, so dass sich z. B.
- bei einer Aortenklappenendokarditis eine Aorteninsuffizienz oder
- bei einer Mitralklappenendokarditis eine Mitralinsuffizienz entwickelt (täglich Auskultation und häufige Echokardiographie zur Kontrolle erforderlich)
- die Bildung von Thromben auf den Klappen („Vegetationen“),
- periphere Embolien (septischen Embolien in alle möglichen Organe und Strukturen, so auch ins Herz selbst) als Folge der Klappenthromben.
Symptomatik
Klinisch werden die Patienten auffällig durch
- Fieber, oft mit Schüttelfrost (septischen Spitzen)
- septische Herdchen auf der Haut (zu suchen z. B. auf den Fingerkuppen, „Splinter“ unter den Nägeln, in den Konjunktiven, auf der Bauchhaut), auch im Augenhintergrund erkennbar (Augenspiegel),
- enzephalopathische Bewusstseinseintrübung,
- Flankenschmerzen bei septischem Nieren- oder Milzinfarkt,
- kardiale Symptomatik (z. B. Insuffizienz, Rhythmusstörungen).
Diagnostik
Folgende Bedingungen sollten an eine bakterielle Endokarditis denken lassen:
- Fieber, Schüttelfröste und ein neu aufgetretenes Herzgeräusch (nur im Vergleich zu Vorbefund eindeutig erkennbar),
- Fieberzustände und septische Fieberspitzen bei liegendem zentral venösem Katheter oder einer Shuntinfektion bei Dialysepatienten,
- immer wieder auftretende Fieberzustände bei ungeklärten Rückenschmerzen (mögliche Spondylodiscitis),
- lang dauernde oder häufig wiederkehrende Fieberzustände sonst ungeklärter Genese, insbesondere bei vorbestehendem Klappenvitium oder nach Herzoperation.
Entscheidende Untersuchungen sind Blutkulturen (jeweils 10 ml in aeroben und anaeroben Flaschen) und die Echokardiographie, die Klappenveränderungen (Klappenvegetationen, thrombotische Auflagerungen) erkennen lässt.
Erregernachweis: Häufige Erreger sind Staphylokokken und Streptokokken, seltener Enterokokken. Sind die Kulturen bei einer Endokarditis mehrfach negativ, so müssen Erreger, wie Bartonella spp., Coxiella burnetii, Tropheryma Whippeli und einige Pilze (insbesondere Aspergillus spp.) berücksichtigt werden. Die Diagnose einer abakteriellen Endokarditis ist schwieriger. Meist ist es bereits zu einer Klappeninsuffizienz (z. B. Aorteninsuffizienz oder Mitralinsuffizienz) oder Stenose (z. B. Aortenstenose oder Mitralstenose) gekommen, die im Rahmen einer aus anderer Indikation durchgeführten Echokardiographie erkannt wird.
Bildgebende Verfahren lassen die Destruktion an den Klappen und die thrombotischen Auflagerungen erkennen und zudem den Grad der Klappeninsuffizienz oder -stenose. (4)JAMA Intern Med 2018;178:502–10 Die Sensitivität eines TEE (transthorakale Echokardiographie) für den Nachweis von „Klappenvegetationen“ (bakteriellen thrombotischen Auflagerungen) liegt bei 70 %, für eine transösophageale Echokardiographie (TOE) um 90 %. (5)Eur Heart J 2015;36:3075–128 (6)Heart 2017;103:937–44
Die Diagnostik erstreckt sich in nächsten Schritten auf die Herkunft der bakteriellen Besiedlung des Endokards und die möglichen Folgen (septische Absiedlungen? Klappenzustand?)
Komplikationen
Kritische Folgen einer Herzklappeninfektion sind:
- Herzinsuffizienz durch Klappeninsuffizienz oder -stenose,
- Versagen der Antibiotikatherapie,
- Septische Embolisationen durch große Klappenvegetationen.
Diese Akutkomplikationen können Indikation einer umgehenden Operation sein. (7)Clin Med (Lond). 2020 Jan;20(1):31-35. doi: 10.7861/clinmed.cme.20.1.1
Prognose
Unbehandelt verläuft die bakterielle Endokarditis letal. Die 30-Tagemortalität liegt ansonsten bei etwa 30 %. (8)SAGE Open Med. 2017 Nov 13;5:2050312117741772. DOI: 10.1177/2050312117741772
Therapie
Eine häufig angewendete Antibiotikakombination ist Amoxicillin plus Ceftriaxon. Sie wird in den europäischen Leitlinien empfohlen und kann auch bei eingeschränkter Nierenfunktion verwendet werden. (9)Eur Heart J 2015;36:3075–128
Prinzipien der Behandlung sind:
- lang dauernde Antibiose (über mehrere Wochen) am besten nach Antibiogramm, ansonsten kalkuliert,
- Behandlung des bakteriellen Streuherds, der die Endokarditis verursacht hat, ggf. chirurgische Intervention,
- bei fortgeschrittener Klappeninsuffizienz chirurgischer Klappenersatz.
Prophylaxe
Bei bestimmten Klappenvitien, nach durchgemachter Endokarditis oder nach Herzklappenersatz (Indikation steht im Klappenpass) muss eine antibiotische Abschirmung durchgeführt werden, damit sich keine Endokarditis entwickelt. Zu den Indikationen zählen:
- Zahnextraktion und sonstige zahnärztliche Eingriffe
- Bronchoskopie
- Zystoskopie und andere urologische Eingriffe
- ERCP mit Manipulationen, besonders bei obstruktiver Cholestase (wie Papillotomie, Protheseneinlage)
- Sklerosierung von Ösophagusvarizen
Bei Gastroskopie oder Koloskopie braucht nach den Leitlinien eine Antibiotikaprophylaxe nicht mehr durchgeführt zu werden („Administration of antibiotics solely to prevent endocarditis is not recommended for patients who undergo a genitourinary or gastrointestinal tract procedure.“ (AHA-Guidelines. Circulation 2007 (10)Circulation. 2007 Oct 9;116(15):1736-54. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.106.183095 ).
Eine sehr kleine Gruppe von Hochrisikopatienten dagegen sollte wahrscheinlich nach wie vor besser antibiotisch abgedeckt werden. Bei Patienten mit Ventrikelseptumdefekt und persistierendem Ductus arteriosus wird eine Antibiotikaprophylaxe nicht mehr empfohlen. (11)Swiss Med Wkly. 2021 Feb 28;151:w20473. doi: 10.4414/smw.2021.20473
In der Zahnmedizin wird empfohlen, eine Antibiotikaprophylaxe bei Patienten mit der höchsten Endokarditisgefährdung durchzuführen, d. h. bei Personen mit einer Endokarditis-Vorgeschichte, künstlichen Herzklappen und bestimmten angeborenen Herzfehlern. (12)Swiss Dent J. 2021 Mar 8;131(3):245-251. PMID: 33666387 (13)Folia Med Cracov. 2019;59(4):5-12. doi: 10.24425/fmc.2019.131375
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Verweise
Literatur