Coma hepaticum bedeutet Koma durch eine Lebererkrankung, Leberkoma. Es stellt die schwerste Form einer hepatischen Enzephalopathie dar. Bei Ausfall oder einer schwerwiegenden Einschränkung der Entgiftungsfunktion der Leber kommt es zu einer Störung des Bewusstseins bis hin zu einer anhaltenden Bewusstlosigkeit. Der Patient lässt sich nicht erwecken.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Das Leberkoma ist eine Komplikation, die durch einen Ausfall der Leberfunktionen zustande kommt. Zentral ist eine Störung des Harnstoffzyklus in der Leber, was zu einem Anstieg des zirkulierenden Ammoniaks führt, der wiederum im Gehirn die Funktion der Astrozyten stört. Die Astrozyten erleiden einen oxidativen Stress. Ihre Fehlfunktion führt zu einem Hirnödem. Dies ist eine Hirnschwellung, die wegen der Schädelkapsel umgehend eine Druckerhöhung zur Folge hat. Hirndruckzeichen sind prognostisch ungünstig. Zirkulierende Chemokine und Zytokine, die bei Ausfall der Entgiftungsfunktionen der Leber ansteigen, bewirken zudem eine Aktivierung der Mikroglia und eine neuroinflammatorische Reaktion (Entzündungsreaktion im Gehirn). So ist es vor allem die Kombination aus Astrozyten-Dysfunktion und Mikroglia-Aktivierung, die zur Entstehung der hepatischen Enzephalopathie und schließlich des Leberkomas beitragen. (1)J Clin Transl Hepatol. 2019 Dec 28;7(4):352-361. DOI: 10.14218/JCTH.2019.00025
→ Störung der Leberfunktionen bei Lebererkrankungen
→ Hepatische Enzephalopathie
Einteilung
Es werden zwei Formen des Leberkomas unterschieden:
- Leberausfallskoma: komatöser Zustand, der bei Dekompensation einer chronischen Leberkrankheit eintritt. Ursachen sind meist die dekompensierte Leberzirrhose Child C, seltener eine akute Fettleberhepatitis, sehr selten andere chronische Krankheiten der Leber. Wenn die Leber nur noch grenzwertig funktionsfähig ist, kann ein gering erhöhter Eiweißload (z. B. eine eiweißreiche Mahlzeit: Quark, Fisch …) zu einer Enzephalopathie und ins Koma führen. Dies ist vor allem auch bei einer großen inneren Blutung (z. B. Ösophagusvarizenblutung) der Fall.
- Leberzerfallskoma (klinisch mit Foetor hepaticus, Lebergeruch aus dem Mund): in diesem Fall liegt dem komatösen Zustand ein Leberzellzerfall zugrunde. Ursachen können beispielsweise sein:
- eine toxische Leberschädigung wie z. B. eine Pilzvergiftung, Medikamentenschädigung der Leber, Chemikalien
- eine foudroyante Hepatitis B (plötzlich beginnende, extrem heftige Leberentzündung) oder Hepatitis B+D, seltener Hepatitis A,
- eine akute Schwangerschaftsfettleber,
- eine akute Wilson-Krise.
Diagnostik
Diagnostik der Ursachen
Die Diagnostik richtet sich auf die Ursache und auf weitere Komplikationen der betreffenden Ursache.
- Anamnese: Leberzirrhose? Pilzvergiftung? Reise? Infektionsrisiko?
- Laborwerte: Prüfung der Syntheseleistung, der Entgiftungsfunktion, der Permeabilität der Hepatozyten, der Ammonium-Ionen, Hepatitis-Serologie
- Sonographie: Größe, Binnenstruktur, Verformbarkeit und Oberfläche der Leber? Gallestau?
- ggf. weitere Bildgebung (CT, MRT)
Diagnostik der Folgen
Diagnostisch zu berücksichtigen sind zudem weitere Folgen der schweren Lebererkrankung, die zum Koma führt, so vor allem:
- Herzrhythmusstörungen?
- Niereninsuffizienz?
- Sepsis?
- Lungenentzündung?
- Portale Hypertension mit Komplikationsrisiken?
Therapie
In aller Regel erfolgt die Behandlung auf einer Intensivstation. Sie zielt einerseits auf die
- Stabilisierung der akut lebensbedrohlichen Stoffwechselsituation (ggf. Plasmaaustausch, Entgiftung über Adsorptionssysteme, MARS-Dialyse, Lebertransplantation) und andererseits auf eine
- Therapie der Grundkrankheit (z. B. bei Hepatitis B antivirale Therapie; bei Paracetamolvergiftung ACC). (2)J Int Med Res. 2020 Jun;48(6):300060520932053. DOI: 10.1177/0300060520932053 (3)Clin Case Rep. 2021 Dec 13;9(12):e05220. DOI: 10.1002/ccr3.5220
Bioartefizielle dreidimensionale Hepatoma-Zellkulturen (Mäusehepatomazellen, angereichert mit entgiftungsaktiven Genen) werden als Brückentechnologie bis zur Eigenregeneration der Leber oder zu einer Lebertransplantation entwickelt. (4)Cytotechnology. 2020 Apr;72(2):227-237. DOI: 10.1007/s10616-020-00372-0 (5)Cytotechnology. 2021 Jun;73(3):353-362. DOI: 10.1007/s10616-021-00457-4. (6)Cells. 2022 Apr 1;11(7):1194. doi: 10.3390/cells11071194
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Verweise
Literatur