Colitis ulcerosa bei Kindern

Colitis ulcerosa, akuter Schub (Darmsonographie mit Duplex)
Colitis ulcerosa, akuter Schub (Darmsonographie mit Duplex)

Die Colitis ulcerosa verläuft bei Kindern und Jugendlichen häufig schwerer als bei Erwachsenen; etwa ¼ der Erkrankten bedürfen einer Operation. In der Regel ist bei ihnen der gesamte Dickdarm von der Entzündung betroffen. Hier werden Besonderheiten von Diagnostik und Therapie zusammengestellt.

Diagnostik


Die Diagnostik entspricht im Wesentlichen der bei Erwachsenen. Ausgang sind häufig folgende Symptome und Befunde: Durchfälle (Diarrhö), Blutbeimengung zum Stuhl, Bauchschmerzen sowie erhöhte Entzündungsmarker im Blut.

Nach Ausschluss einer infektiösen Ursache (z. B. Clostridium difficile) wird häufig folgende Reihenfolge von Untersuchungen eingehalten:

  • eine Darmsonographie zur Beurteilung der Darmwanddicke und -durchblutung und
  • eine Spiegelung des Dickdarms (Koloskopie) indiziert. Bereits makroskopisch lässt sich eine Entzündung der Darmschleimhaut (Kolitis) erkennen.
  • Die Histologie von Gewebeproben bestätigt die Diagnose einer Colitis ulcerosa. In etwa 10 % der Fälle kann in den Anfangsstadien noch nicht zwischen einer Colitis ulcerosa und einem Morbus Crohn unterschieden werden; es wird dann von einer Colitis indeterminata gesprochen.

Die pädiatrische Colitis ulcerosa (C. u. bei Kindern) hat die Besonderheit, dass sie zu einer submukosalen Fibrosierung (Narbenbildung) neigt, und dass die Muskelschicht der Mukosa verdickt ist. 1

Steht ein Morbus Crohn als Differenzialdiagnose im Raum, sind auch Untersuchungen des Dünndarms erforderlich, was heute durch MRT-Methoden schonend erfolgen kann. Eine Entzündung der Darmwand lässt sich durch bildgebende Verfahren gut darstellen; die Darmsonographie eignet sich besonders zur Therapiekontrolle.

Hochfloride Colitis ulcerosa
Hochfloride Colitis ulcerosa in der Duplexsonographie

Colitis ulcerosa – eine chronische Entzündung des Dickdarms
Colitis ulcerosa in Bildern
Chronischer Durchfall (Diarrhö)

Extraintestinale Manifestationen

Bei über 5 % der erkrankten Kinder werden bereits frühzeitig auch entzündliche Beteiligungen anderer Organe und Strukturen des Körpers als dem Darm (extraintestinale Manifestationen) beobachtbar. Im Krankheitsverlauf steigert sich der Anteil auf etwa 50 %. Betroffen sind vor allem Gelenke, Augen, Haut, Leber (siehe hier).

Schweregrade

Der jeweils aktuelle Schweregrad der Colitis ulcerosa bei Kindern wird durch den Paediatric Ulcerative Colitis Activity Index (PUCAI) erfasst 2. Seine Dokumentation ermöglicht eine übersichtliche Verlaufsbeurteilung.

Paediatric Ulcerative Colitis Activity Index (PUCAI):
Symptome

Punkte

(1) Bauchschmerzen
 keine 0
 aushaltbar 5
 nicht aushaltbar 10
(2) Blut im / am Stuhl
 keins 0
 wenig, in <50% der Stühle 10
 wenig, in den meisten Stühlen 20
 viel (>50% des Stuhlvolumens) 30
(3) Konsistenz der meisten Stühle
 geformt 0
 teilweise geformt 5
 völlig ungeformt 10
(4) Zahl der Stühle pro 24 h
 0–2 0
 3–5 5
 6–8 10
 >8 15
(5) nächtliche Stühle (Episoden, die zum Aufwachen führen)
 nein 0
 ja 10
(6) eigene Aktivitäten
 nicht beeinträchtigt 0
 gelegentlich beeinträchtigt 5
 deutlich beeinträchtigt 10
PUCAI gesamt (0–85) (SUMME)

Auswertung:
PUCAI-Score <10 bedeutet Remission; 10–34 mild; 35–64 mäßig aktiv; ≥65 schwer: Notfall.

Therapie

Die Behandlung der Colitis ulcerosa bei Kindern beinhaltet im Wesentlichen die gleichen Medikamente, wie sie bei Erwachsenen mit Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Grundlage sind bei einer milden und mittelschweren Entzündung 5-Aminosalicylsäure-Präparate (5-ASA), Kortikosteroide, Thiopurine (Azathioprin und 6-Mercaptopurin), bei mäßig schweren und schweren Verläufen auch Biologika (siehe hier). Bei schweren Verläufen ist rechtzeitig eine Operation (Kolektomie) zu diskutieren 3.

Pädiatrische Leitlinien befürworten neuerdings zunehmend den sofortigen Einsatz von Biologika in geeigneten Fällen, und zwar als Top-down-Ansatz anstelle des herkömmlichen Step-up-Ansatzes. Bisher gibt es jedoch nur eine beschränkte Zahl von Langzeitstudien zur klinischen Wirksamkeit und Sicherheit von Biologika bei Kindern 4.

5-Aminosalicylsäure-Präparate spielen eine Rolle bei leichten bis mittelschweren Verläufen und zur Aufrechterhaltung einer Remission (siehe hier).

Kortikosteroide: Sie sind auch bei Kindern Mittel der ersten Wahl zur Behandlung mittelschwerer und schwerer Schübe. Die Standardbehandlung einer hochakuten C. u. bei Kindern besteht aus hoch dosierten intravenösen Kortikosteroiden, wobei Infliximab am 5. Tag zusätzlich eingeführt wird. Auch Calcineurin-Inhibitoren und andere Biologika können wirksam sein. 5 Berücksichtigt werden muss, dass Kortikosteroide das Wachstum beeinträchtigen. Eine einmal tägliche Dosierung soll dies etwas abschwächen. Auch sind sie nicht zur Dauertherapie geeignet.

Liegt eine Steroidabhängigkeit (beispielsweise erkennbar an einer Verschlechterung der Entzündung bei Reduktion der Dosis) vor, so muss eine Therapieumstellung (z. B. auf Infliximab) erwogen werden. Allerdings wurde empfohlen, vor einer Reduktion der Sterioddosis zunächst eine zusätzliche aufsteigenden 5-ASA-Medikation vorzunehmen (im hochakuten Stadium wird 5-ASA nicht empfohlen 3).

Kortikosteroide.

Thiopurine (Azathioprin und 6-Mercaptopurin) kommen zur Behandlung schwerer Verläufe zusätzlich zu Kortikosteroiden in Betracht und können helfen, sie einzusparen. Ihre Wirkung setzt jedoch erst nach 10-14 Wochen ein. Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen gehören die Neigung zu einer Pankreatitis und einer Unterdrückung der Knochenmarkaktivität (Myelosuppression) mit erheblicher Leukopenie und Abwehrschwäche. Das Risiko einer Knochenmarkschädigung lässt sich durch die Bestimmung der Thiopurin-Methyltransferase und ihres Genotyps abschätzen. Besteht ein genetischer Polymorphismus oder eine sehr geringe Aktivität des Enzyms, so ist eine Therapie mit diesen Medikamenten kontraindiziert 3.

Biologika: Unter den Biologika haben bei Erwachsenen mit Colitis ulcerosa Infliximab, Adalimumab und Golimumab einen festen Platz im Therapieregime (siehe hier). Bei Kindern liegt für Infliximab die meiste Erfahrung vor; die anderen Präparate sind bisher nicht genügend getestet. Infliximab kann zur Steigerung des Therapieerfolgs mit Thiopurinen kombiniert werden, allerdings wäre dann ein erhöhtes Risiko eines malignen Lymphoms abzuwägen 3.

Vedolizumab hat sich bezüglich Behandlung und Aufrechterhaltung einer Remission bei jungen IBD-Patienten (unter 18 Jahren) als sicher und wirksam erwiesen. Es zeigte eine höhere Wirksamkeit bei der Colitis ulcerosa als beim Morbus Crohn. Der mediane PUCAI-Wert bei Kindern mit Colitis ulcerosa sank von durchschnittlich 25 auf 5 in Woche 54. Es traten nur wenige Nebenwirkungen auf, vorwiegen Kopfschmerzen, Myalgie und Fieber; keine davon war schwerwiegend 6.

Die Stuhltransplantation stellt eine Möglichkeit dar, die bakterielle Flora des Darms günstig zu beeinflussen, sodass toxische Schädigungen der Darmwand vom Darmlumen her minimiert werden 7. Erfahrung bei Kindern sind positiv 8, sind bisher jedoch nur beschränkt (Stand 2016); auch sollten die Nebeneffekte und Kompliationen bedacht werden 9.
Siehe hier.

Neue Entwicklungen umfassen Antikörper gegen Zelladhäsionsmoleküle (CAM’s), wie Vedozilumab, Antikörper gegen Integrine, wie Etrolizumab, oder Januskinase-Hemmer, wie Tofacitinib. Sie werden bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten getestet. Eine neue Therapiemöglichkeit besteht in dem Januskinase-Inhibitor Tofacitinib. Der Rückgang der Entzündung ist laut einer Beobachtung schnell und beeindruckend. Das Sicherheitsprofil scheint mit anderen verfügbaren Behandlungen vergleichbar zu sein. 5

Probiotika (wie Escherichia coli, Stamm Nissle) können bei leichter Entzündung zur Verbesserung des Verlaufs der Colitis ulcerosa in ähnlicher Weise wie 5-ASA beitragen
Siehe hier.

Eine Operation (subtotale oder totale Darmentfernung (Kolektomie), offen oder laparoskopisch) kommt bei schweren Entzündungen dann in Betracht, wenn eine medikamentöse Therapie nicht zu einer Besserung führt. Sie ist bei Entwicklung eines toxischen Megakolons lebensrettend. Der möglicherweise sich plötzlich entwickelnde Zwang zu einer Operation sollte bereits vorab mit Kind und Eltern besprochen werden, damit sie gegebenenfalls nicht von der Entwicklung überrascht werden. Zur Operation gehört i. d. R ein zweiter Darmausgang (Stoma). Sollte eine Rückverlegung und eine Pouchanlage in Betracht kommen, so sind die Vorteile (vor allem kosmetische Gründe) und die möglichen Nachteile (Risiko einer fekalen Inkontinenz, Pouchitis, Einschränkung der Fruchtbarkeit, erektile Dysfunktion) abzuwägen 3.

Die Ernährung spielt bei Kindern mit Colitis ulcerosa eine besondere Rolle. Wegen der Wachstumsphase sollte auf ausreichende Kalorienzufuhr inklusive insbesondere von Eiweiß, Eisen, Kalzium und Vitamin D geachtet werden.

Gesunde Ernährung

Therapiekontrolle

Der Behandlungserfolg wird über direkte Erfragung der Symptome und durch den Paediatric Ulcerative Colitis Activity Index (PUCAI, s.o.) kontrolliert und dokumentiert. Unter den technischen Untersuchungen sind die Entzündungsparameter und die Darmsonographie für die Verlaufsbeurteilung besonders wertvoll. Wiederholte Koloskopien zur direkten Überprüfung der Darmschleimhaut sind heute nicht mehr oder nur in Ausnahmefällen erforderlich.


Literatur: 3 10 11 12 13


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Verweise

Weiteres

  1. J Crohns Colitis. 2022 Jun 24;16(5):804-821. DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjab216.[]
  2. Gastroenterology. 2007; 133:423-32[]
  3. Arch Dis Child. 2016 May; 101(5): 469–474[][][][][][]
  4. World J Clin Pediatr. 2025 Mar 9;14(1):100938. doi: 10.5409/wjcp.v14.i1.100938[]
  5. J Can Assoc Gastroenterol. 2023 Nov 6;7(2):196-203. doi: 10.1093/jcag/gwad042[][]
  6. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2025 Mar;10(3):234-247. doi: 10.1016/S2468-1253(24)00319-4.[]
  7. PLoS One. 2016; 11(6): e0157259. Published online 2016 Jun 13. doi: 10.1371/journal.pone.0157259[]
  8. Aliment Pharmacol Ther. 2014 May;39(10):1003-32. doi: 10.1111/apt.12699. Epub 2014 Mar 18 []
  9. PLoS One. 2016 Aug 16;11(8):e0161174. doi: 10.1371/journal.pone.0161174. eCollection 2016 []
  10. Semin Pediatr Surg. 2017 Dec;26(6):367-372. DOI: 10.1053/j.sempedsurg.2017.10.006[]
  11. J Crohns Colitis. 2013 Dec;7(11):e509-15. DOI: 10.1016/j.crohns.2013.03.007.[]
  12. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2025 Sep;81(3):765-815. doi: 10.1002/jpn3.70097[]
  13. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2025 Sep;81(3):816-851. doi: 10.1002/jpn3.70096[]