Allgemeines
Ursodesoxycholsäure (UDCA, Urso) ist eine natürliche Gallensäure, die als Medikament bei chronischen Leberkrankheiten und rheumatischen Erkrankungen eingesetzt wird. Natürlicherweise kommt sie in Eisbären (ursus = lat. der Bär) vor. Ein besonderes Kennzeichen ist es, dass sie gut wasserlöslich und nicht toxisch ist. UDCA unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf, wird also durch die Leber in die Galle ausgeschieden und durch den Dünndarm wieder resorbiert.
Urso wird als Medikament verwendet. Sie übt bei vielen chronischen und autoimmunen Leberkrankheiten einen günstigen Einfluss aus, senkt die Leberwerte und bessert die Prognose. Sie verdrängt toxische Gallensäuren, die, wie insbesondere die Lithocholsäure und ihre Derivate, zellschädigend und krebsfördernd wirken. Die Wirkung von Urso beruht zu einem großen Teil auf seinem Einfluss auf das Immunsystem. 1 2 3
→ Gallensäuren
→ Gallensäuren als Hormone und Mediatorstoffe
Wirkungen
Ursodesoxycholsäure wirkt vielfältig:
- sekretagog (steigert den Gallefluss),
- zytoprotektiv (UDCA schützt die Leberzellen vor dem Einfluss von Giftstoffen und reduzieren das Krebsrisiko beim Barrett-Ösophagus 4 ),
- immunmodulatorisch (verändert die Immunantwort des Körpers bei einigen Autoimmunkrankheiten günstig), 3
- antiapoptotisch (wirkt gegen den programmierten Zelltod 5 ),
- als Antioxidans (schützt die Leberzellen gegen den toxischen Angriff von oxidativem Stress 6).
- Reduktion des Darmkrebsrisikos bei Patienten mit Colitis ulcerosa und PSC. 7 Dies wurde in einer anderen Untersuchung nicht bestätigt. 8
Ursodesoxycholsäure unterdrückt laut einer Untersuchung 9
- die durch Bakterien ausgelöste Produktion von IgM, IgG und IgA in Immunzellen des Bluts von gesunden Probanden und Patienten mit primär biliärer Cholangitis.
- die Bildung einiger Entzündungsmediatoren, wie Interleukin-2- und Interleukin-4 und die Interferon-Gamma-Produktion, nicht jedoch die Interleukin-1- und Interleukin-6-Produktion in Entzündungszellen des Bluts.
→ Zu Wirkungen von UDCA siehe auch unter PBC-Therapie und PBC-Prognose.
Immunmodulation
Die immunmodulatorische Wirkung von UDCA beruht auf verschiedenen Effekten:
- Unterdrückung von Interleukinen (IL2, IL4, TNF-alpha, TGF-beta) und Interferon-gamma bzw. ihrer Wirkungen 10, was bei cholestatischen Erkrankungen (wie bei der PBC) zu einer günstigen Wirkung führen kann;
- Reduktion des bei PBC erhöhten Endothelin-2-Spiegels; 11
- Unterdrückung der Expression von Histokompatibilitätskomplexen auf Hepatozyten (Leberzellen) und Cholangiozyten (Gallengangsepithelien);
- Erhöhung der natürlichen Killerzell-Aktivität;
- Hemmung der Mastzellgegranulation;
- Erniedrigung der Eosinophilenzahl im Blut bei der PBC;
- Hemmung der Degranulation der eosinophilen Granulozyten bei der PBC 12 (Aktivierte eosinophile Leukozyten entlassen basische Granulaproteine. Zu ihnen gehören das major basic protein (MBP), das eosinophil-derives neurotoxin (EDN), das eosinophilcationic protein (ECP) und eine eosinophile Peroxidase. Diese Proteine entfalten eine zytotoxische Wirkung auf Epithelzellen, so auch auf die Gallengangsepithelzellen.)
Antiapoptotische Wirkung
UDCA wirkt gegen den programmierten Zelltod (Apoptose) und apoptotisch ausgelöste Zelluntergänge. Damit kommt es als mögliches Therapeutikum bei Krankheiten infrage, bei denen diese Vorgänge die entscheidende Rolle spielen (inklusive neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz oder Morbus Parkinson). 13
Indikationen
UDCA kann bei folgenden Erkrankungen zur Besserung beitragen:
- Nicht-obstruktiv cholestatische Erkrankungen, speziell PBC und PSC
- Medikamentenschaden der Leber
- Autoimmunhepatitis in Sonderfällen 14 15
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit bei chronischen Leberkrankheiten 16
- Barrett-Ösophagus 4
- Gallensteine (UDCA zusammen mit Chenodesoxycholsäure)
- Typ-C-Gastritis
- Refluxösophagitis bei gleichzeitig galligem Reflux in den Magen
Verweise
- Gallensäuren
- Galle
- Cholestase
- Chronisch cholestatische Leberkrankheit
- Gallensteinleiden
- Medikamente bei Leberkrankheiten
Referenzen
- Gastroenterology 2003; 124: 1139-1140[↩]
- Hepatology. 1992;16:358–364[↩]
- Semin Immunopathol. 2022 Jul;44(4):547-564. DOI: 10.1007/s00281-022-00935-7[↩][↩]
- Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol. 2014 Jul 15;307(2):G129-39. doi: 10.1152/ajpgi.00085.2014. [↩][↩]
- Expert Opin Investig Drugs. 2001 Jul;10(7):1243-53[↩]
- Adv Med Sci. 2006;51:54-9[↩]
- Gastroenterology 2003; 124: 889-893[↩]
- Aliment Pharmacol Ther. 2012 Feb;35(4):451-7. doi: 10.1111/j.1365-2036.2011.04966.x[↩]
- Hepatology. 1992 Aug;16(2):358-64. doi: 10.1002/hep.1840160213[↩]
- Hepatogastroenterology. 2005; 52: 596-602[↩]
- Aliment Pharmacol Ther. 2005; 21: 227-34[↩]
- Hepatology 1999; 30: 71-78[↩]
- J Lipid Res. 2009 Sep;50(9):1721-34. doi: 10.1194/jlr.R900011-JLR200[↩]
- J Gastroenterol Hepatol. 1998 May;13(5):490-5. doi: 10.1111/j.1440-1746.1998.tb00674.x. [↩]
- World J Hepatol. 2017 Jan 8;9(1):57-63. doi: 10.4254/wjh.v9.i1.57[↩]
- Int J Clin Pract. 2016 Apr;70(4):302-11. doi: 10.1111/ijcp.12790.[↩]