Restless Legs sind eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie wird als ein Komplex von Symptomen aufgefasst (restless-legs-Syndrom, RLS) und ist durch unwillkürliche Beinbewegungen der Beine in Ruhe und im Schlaf charakterisiert und schränkt die Lebensqualität erheblich ein. Es sollen 3 – 19 % der Bevölkerung betroffen sein. (1)Ann Pharmacother. 2018 Jul;52(7):662-672
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Restless Legs bedeutet unruhige Beine. Das RLS kann verschiedene Ursachen haben. Am häufigsten ist eine Funtionsstörung des zentralen Nervensystems (ZNS). Seltener sind eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) oder chronische Schmerzen der Beine, z. B. bei einer hochgradigen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) die Ursache.
RLS als Erkrankung des ZNS: Das RLS ist keine Erkrankung der Beine selbst, sondern meist eine neurologische Erkrankung mit einer Verwandtschaft zum Morbus Parkinson. Es besteht eine dopaminerge Dysfunktion: Beide, das RLS und der Morbus Parkinson, reagieren positiv auf dopaminerge Medikamente.
NREM und REM-Schlaf: NREM-Schlaf (Nicht-REM-Schlaf) erleichtert bei anfälligen Personen RLS, cerebrale Anfälle und epileptiforme Aktivität, REM-Schlaf dagegen hemmt sie. Interiktale epileptiforme Aktivität des Gehirns und Schlafstörungen, inklusive obstruktiver Schlafapnoe (OSA), verschlechtern die Anfallshäufigkeit bei Epilepsiebereitschaft. Studien besagen, dass Epilepsiepatienten häufig schläfriger als Kontrollpersonen sind. Schläfrigkeit war mit Schlafapnoe assoziiert. (2)Sleep. 2024 Jun 13;47(6):zsad054. doi: 10.1093/sleep/zsad054 (3)Sleep. 2024 Jun 13;47(6):zsad090. doi: 10.1093/sleep/zsad090
Genetische Prädisposition: Offenbar besteht eine genetische Grundlage. Eine Prädisposition besteht bei Trägern einer Genvariante auf Chromosom 6. (4)NEJM 2007; 357: 639-647 In bestimmten Hirnabschnitten liegt ein Mangel an Dopamin vor.
Mastzellen und RLS: Das RLS ist mit einer vermehrten Mastzellaktivität assoziiert. Patienten mit einem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) hatten insgesamt eine höhere RLS-Prävalenz (40,8 %) als Kontrollen (12,9 %). (5)J Clin Sleep Med. 2020 Mar 15;16(3):401-408. doi: 10.5664/jcsm.8216
Darmmikrobiom und RLS: Eine interessante Hypothese beruht auf dem Befund einer Assoziation der Symptomatik mit einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms und dem Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome, IBS), sodass gemeinsame pathogenetische Schritte zu vermuten sind. (6)World J Gastroenterol. 2011 Oct 21;17(39):4404-7 IBS-Patienten (vor allem männliche), die ein SSRI-Antidepressivum einnehmen, haben ein darüber hinaus erhöhtes RLS-Risiko. (7)PLoS One. 2019 Aug 1;14(8):e0220641. doi: 10.1371/journal.pone.0220641. (8)Sleep Med. 2021 Jan;77:104-111
→ Zur PNH als Ursache siehe hier.
→ Zur pAVK als Ursache siehe hier.
Fördernde Bedingungen
Das Restless-Legs-Syndrom ist assoziiert mit
- psychiatrischen Komorbiditäten und
- der Einnahme bestimmter Medikamente wie Antidepressiva, Antihistaminika, Antipsychotika und Antiepileptika. (9)Ann Pharmacother. 2018 Jul;52(7):662-672 (10)Psychiatr Clin North Am. 2024 Mar;47(1):147-161
- Eisenmangel im Zentralnervensystem und veränderter Endorphin-Spiegel im ZNS. (11)Postgrad Med J. 2013 Jul;89(1053):402-10 )
Symptomatik
Abendliche und nächtliche Unruhe der Beine durch periodisch auftretenden Drang, die Beine zu bewegen; unwillkürliche, oft gleichförmige Bewegungen. Es wird manchmal ein in der Tiefe der Beine empfundenes Gefühl der Schwere und undefinierbarer Schmerzen beschrieben. Beginn der eigenartigen Missempfindungen in den Waden und Oberschenkeln, selten auch in den Armen und der Rückenmuskulatur. Dadurch bedingte Schlafstörungen sind oft der Grund für eine erste Arztkonsultation. Besserung der Beschwerden durch Bewegung (i. G. zu Beschwerden aus anderen Gründen). Ablenkung kann die Symptome mildern. In vielen Fällen ist die Krankheit nur schwach ausgeprägt. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.
Diagnosestellung
Die Diagnose wird durch die Anamnese nahegelegt. Allerdings gibt es offenbar eine lange Vorgeschichte, in der RLS noch nicht so ausgeprägt ist, dass da die Diagnose bereits gerechtfertigt wäre.
In einer Studie von 18 Kindern und Jugendlichen gingen Schlafstörungen viele Jahre (durchschnittlich 11,6 Jahre) voraus. Bei vielen fand sich eine periodische Extremitätenbewegungsstörung (PLMD). Komorbiditäten waren Parasomnien, ADHS, ODD, Angstzustände und Depressionen, die in mehr als 20 % auftraten. (12)Sleep Med. 2008 Oct;9(7):770-81. doi: 10.1016/j.sleep.2007.08.012
Unter den Laborwerten kann Ferritin erniedrigt sein. (13)Sleep Med. 2023 Dec;112:173-180. doi: 10.1016/j.sleep.2023.10.022
Differenzialdiagnosen
Insbesondere in frühen Stadien sind verschiedene Neuropathien, Muskelerkrankungen, Knochenerkrankungen und Erkrankungen des Gehirns in die Diagnostik einzubeziehen.
Therapie
Im Vordergrund steht die Behandlung der Schlafstörungen, eine Kombination von Levodopa und Dopaminagonisten (wie Pramipexol (14)Sleep Med. 2008 Jan 26 [Epub ahead of print] oder Ropinirol (15)Sleep Med. 2007 Nov;8(7-8):742-52 ) scheint günstig zu sein. Dopaminerge Medikamente führen jedoch langfristig zur Gewöhnung und können schließlich wirkungslos werden.
Eigentliche Schlafmittel sind mit Vorsicht zu betrachten. Entspannungsübungen wirken eher verschlechternd. Einige Tipps: Vermeidung von Nikotin und Alkohol, vor der Nacht geistige Ablenkung (Kreuzworträtsel etc.), ggf. nützen auch heiße oder kalte Fußduschen oder Einreibungen. Unbedingt auf Schlafhygiene achten (immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen, immer wiederkehrende Handlungen zur Einschlafförderung).
Neue Entwicklungen
Eine dopaminerge Therapie verbessert die Symptome des Restless-Legs-Syndrom. Eine doppelblinde Placebo-kontrollierte Studie mit Pregabalin (Lyrica®), einem Medikament zur Therapie von epileptischen Anfällen, neuropathischen Schmerzen und Angststörungen, zeigte signifikante positive Effekte auf die Symptomatik der Restless Legs; als Nebenwirkungen waren Schläfrigkeit und Konzentrationsschwäche beobachtet worden. (16)Neurology. 2010 Jun 8;74(23):1897-904 Eine weitere Studie zeigt, dass Pregabalin (300 mg) einen signifikant besseren Effekt auf den Verlauf der Symptomatik hat und einer Verschlechterung der Symptomatik besser entgegenwirken kann als 0.5 mg Pramipexol (Dopaminantagonist, s. o., wird verwendet in der Behandlung des Morbus Parkinson und beim Restless-Legs-Syndrom). (17)N Engl J Med. 2014 Feb 13;370(7):621-31
Gabapentin ist ein Medikament aus derselben Gruppe wie Pregabalin. Es wirkt ebenfalls günstig auf das RLS. (18)Ren Fail. 2004 Jul;26(4):393-7 Gabapentin enacarbil (GEn) wird im Vergleich zu Gabapentin enteral besser resorbiert und wirkt länger. Es übt einen positiven Effekt auf das RLS aus und kommt als neue Therapieoption infrage. (19)Lal R et al. Clin Neuropharmacol. 2012 Jun 1. [Epub ahead of print]
Da eine Assoziation der RLS mit einer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms und dem Reizdarmsyndrom besteht, kann eine antibiotische Therapie (z. B. mit Rifaximin) zu einer Besserung führen. (20)Dig Dis Sci. 2008 May;53(5):1252-6. DOI: 10.1007/s10620-007-0021-0 (21)World J Gastroenterol. 2011 October 21; 17(39): 4404–4407 DOI: 10.3748/wjg.v17.i39.4404 Studien dazu stehen aus.
→ Auf facebook informieren wir Sie über Neues und Interessantes!
→ Verwalten Sie Ihre Laborwerte mit der Labor-App Blutwerte PRO – mit Lexikonfunktion.
Verweise
- Schlafstörungen
- Pregabalin
- Gabapentin
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit
- Diabetische Neuropathie
Literatur