Paroxysmale Tachykardie

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Die paroxysmale Tachykardie ist ein anfallsartiges Herzrasen von kurzer Dauer. Je nach Ursprung wird eine supraventrikuläre (von den Vorhöfen ausgehende) und eine ventrikuläre (von den Herzkammern ausgehende) Form unterschieden. (1)Crit Care Nurs Clin North Am. 2016 Sep;28(3):309-16. DOI: 10.1016/j.cnc.2016.04.005 (2)Pediatr Ann. 2021 Mar;50(3):e113-e120. doi: 10.3928/19382359-20210217-01

Allgemeines

Die meisten Patienten leiden unter Herzklopfen (Palpitationen), Schwindel- und Kollapsgefühl. Das EKG zeigt einen schmalen QRS-Komplex und eine regelmäßige Tachykardie mit versteckten oder invertierten P-Wellen.

Ursache sind akzessorische Leitungsbahnen vom Vorhof in die Kammern, die auch von der Kammer in den Vorhof leiten können.

Hämodynamisch stabile Patienten können durch ein Vagusmanöver in den Sinusrhythmus zurückgebracht werden. In der Notfallmedizin wird eine intravenöse Gabe von Adenosin, Diltiazem oder Verapamil mit hoher Erfolgschance angewendet. Bei hämodynamisch instabilen Patienten kann eine Kardioversion (Elektroschock) indiziert sein.

Tachykardie


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Formen

Supraventrikuläre paroxysmale Tachykardie

Supraventrikuläre paroxysmale Tachykardien entstehen durch eine zu rasche Erregung der Herzvorhöfe, z. B. bei Vorhofflimmern oder Vorhofflattern mit zu frequenter Überleitung in die Kammern. Eine zu rasche Vorhoferregung kann auch durch einen Reentry-Mechanismus von den Herzkammern her (über ein pathologisches Erregungsleitungsbündel, z. B. ein Kent’sches Bündel) zustande kommen, so beim

Ventrikuläre paroxysmale Tachykardie

Ventrikuläre paroxysmale Tachykardien kommen durch ektope Erregungsbildungen im Muskel der Herzkammern (Ventrikel) zustande (monomorph: ein ektopes Zentrum; polytop: verschiedene Zentren). Häufig ist ein Herzinfarkt die Ursache. Eine besondere Form ist

Angeborene Neigungen zu ventrikulären paroxysmalen Tachykardien mit hohem letalem Risiko sind

Ventrikuläre paroxysmale Tachykardien prädestinieren zu länger dauernden Tachykardien und führen häufig zum Tode. Sie sollten durch Langzeit-EKG-Untersuchungen genau diagnostiziert werden. Ein implantierbarer Defibrillator kann je nach Art der Tachykardie lebensrettend sein.

Diagnostik

Die Diagnostik mit einem 24- oder 48-Stunden-Speicher-EKG ist lange Zeit der Goldstandard zur Erkennung vermuteter Tachykardiephasen gewesen. Heute erweitert sich das Armamentarium durch implantierbare Eventrekorder, die Ereignisse gleich an eine zentrale Registrierungsstelle senden (Telemedizin).

Ein Langzeitmonitoring wird heute zunehmend auch bei ätiologisch unklaren Schlaganfällen oder transitorisch ischämischen Attacken (TIA) eingesetzt. Dabei werden unerwartet häufig kurze, vorübergehende Arrhythmiephasen gefunden (siehe hier).

Therapie

Der av- (atrioventrikuläre) Knoten ist wegen der Überleitung der raschen Vorhoferregungen ein Ziel für eine medikamentöse Beeinflussung. Am besten wirksam sind Vagus-Reizungen und Medikamente, welche die Refraktärität des av-Knotens vorübergehend verlängern; sie können eine Wiederherstellung des Sinusrhythmus vermitteln.

Valsalva-Manöver (Vagus-Manöver): Es besteht aus einem Einatmen, Atemanhalten und Pressen für etwa 15 Sekunden, am besten in der Hocke. Das Manöver hat den Vorteil einer sofortigen Anwendbarkeit und einer fraglichen Erfolgsrate; es werden Raten von 5-20% angegeben. Ein modifiziertes Valsalva-Manöver (im Halbliegen mit Neupositionierung in Rückenlage und passivem Beinheben direkt nach der Valsalva-Belastung) hatte in einer Studie eine Erfolgsrate von 43%. (3)Lancet. 2015 Oct 31;386(10005):1747-53. doi: 10.1016/S0140-6736(15)61485-4

Spironolacton und Betablocker: Beta-Blocker werden oft als eine medikamentöse Grundmedikation verwendet, wenn Arrhythmien unter Belastung häufiger auftreten. Spironolacton und ein ß-Blocker reduzierte in einer Untersuchung paroxysmales Vorhofflimmern stärker als ein ß-Blocker alleine. (4)Am J Cardiol. 2010 Dec 1;106(11):1609-14. DOI: 10.1016/j.amjcard.2010.07.037

Antiarrhythmika: Antiarrhythmika sind individuell einzusetzen, da sie häufig ein eigenes arrhythmogenes Potenzial aufweisen.

Adenosin: Adenosin hemmt die Wirkung von Dopamin, Acetylcholin oder Noradrenalin. Adenosin senkt die Herzfrequenz und verlängert die Überleitungszeit im AV-Knoten. Es wird intravenös appliziert und hat sich als ähnlich wirksam wie Kalziumkanalblocker erwiesen. Die Erfolgsrate liegt bei 90%. (5)Cochrane Database Syst Rev. 2017 Oct 12;10(10):CD005154. DOI: 10.1002/14651858.CD005154.pub4

Kalziumkanalblocker, Etripamil: Intravenöse Kalziumkanalblocker wie Diltiazem und Verapamil werden in der Notfallmedizin zur Behandlung verwendet. (6)Crit Care Nurs Clin North Am. 2016 Sep;28(3):309-16. doi: 10.1016/j.cnc.2016.04.005 Eine Neuentwicklung ist Etripamil, ein schnell wirkender, intranasal zu verabreichender Kalziumkanalblocker. Er ist für die Bedarfstherapie mit Selbstapplikation bei paroxysmaler supraventrikulärer Tachykardie entwickelt worden. In einer Studie betrug die Konversionsrate nach 30 Minuten 64 % (63/99) unter Etripamil vs. 31 % (26/85) unter Placebo. Die Zeit bis zur Konversion betrug durchschnittlich 17,2 Minuten; es traten keine wesentlichen Nebenwirkungen auf (vorübergehender nasaler Diskomfort in 23%).  (7)Lancet 2023, Published:June 15, 2023 DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00776-6

Ablation aberranter Überleitungen: Eine Verödung durch Kryo- oder Elektrokoagulation von atypischen Überleitungsfasern im Rahmen einer Rechtsherzkatheteruntersuchung kann zu einer dauerhaften Behebung der Prädisposition supraventrikulärer Tachykardien führen. Siehe hier.

Implantierbarer Defi: Die Behandlung und Vorbeugung lebensbedrohlicher Tachykardien und Tachyarrhythmien erfolgt ansonsten nach Ursache (s. o.), ggf. mit einem implantierbaren Defibrillator.

Verweise

Literatur[+]